Wasser und Abwasser

OVG NRW: Urteil zur Abwassergebührenkalkulation in NRW veröffentlicht

Das Urteil wurde mit den folgenden Leitsätzen veröffentlicht:

  1. Der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes in der Abwassergebührenkalkulation entspricht zwar betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 1 KAG NRW; er ist aber durch gesetzliche Vorgaben zur Gebührenkalkulation ausgeschlossen. Der Senat gibt insoweit seine bisherige anderslautende Rechtsprechung ausdrücklich auf.
  2. Aus §§ 75 Abs. 1 S. 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW ist die kalkulatorische Zielvorgabe abzuleiten, durch die zu vereinnahmenden Gebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten sowie einer Nominalverzinsung nach Anschaffungsrestwerten widerspricht diesem Kalkulationszweck, weil er zu einem doppelten Inflationsausgleich führt.
  3. Der aus §§ 75 Abs. 1 S. 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW abzuleitende Kalkulationszweck lässt beim gleichzeitigen Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen in der Gebührenkalkulation nur die Betriebserhaltungskonzeptionen der realen Kapitalerhaltung oder der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung zu, zwischen denen die Gemeinde ein Wahlrecht hat.
  4. Eine kalkulatorische Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals mit einem einheitlichen Nominalzinssatz, der sich aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres zuzüglich eines (pauschalen) Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten wegen regelmäßig höherer Kommunalkreditzinsen ergibt, ist nicht mehr angemessen i. S. d. § 6 Abs. 2 S. 4 KAG NRW. Der Senat gibt insoweit seine bisherige Rechtsprechung größtenteils ausdrücklich auf.
  5. Wählt die Gemeinde einen einheitlichen Nominalzinssatz für die gemeinsame Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital und orientiert sich dabei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an dem für das Eigenkapital ermittelten Zinssatz auch bei der Verzinsung des Fremdkapitals, hält es der Senat nur für sachlich vertretbar, den zehnjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres ohne einen (pauschalen) Zuschlag von bis zu ca. 0,5 Prozentpunkten zugrunde zu legen.
  6. Sollte der von der Gemeinde getrennt ermittelte Fremdkapitalzinssatz den ermittelten Eigenkapitalzinssatz übersteigen, kann dem dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Gemeinde Eigen- und Fremdkapital mit jeweils eigenen Zinssätzen getrennt oder auch mit einem gewichteten Mischzinssatz gemeinsam verzinst.

Anmerkung des DStGB

Nach Ansicht des Gerichts liegen mithin zwei eigenständige Verstöße der Gebührenkalkulation gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NRW vor, die jeweils eine Änderung der langjährigen Rechtsprechung zur Kalkulation von Abwassergebühren in NRW darstellen.

Zunächst ist ein Verstoß dadurch erfolgt, dass die Beklagte sowohl eine kalkulatorische Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes als auch eine kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes in Ansatz gebracht hat. Somit ist die Abschreibung von langlebigen Anlagegütern auf Grundlage des Wiederbeschaffunzeitwertes weiterhin zulässig. Jedoch ist die zeitgleiche kalkulatorische Abschreibung auf Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwertes und zusätzlich der Ansatz von kalkulatorischen Zinsen auf Grundlage des Anschaffungswertes unzulässig, da hierdurch ein doppelter Inflationsausgleich erfolgt.

Darüber hinaus sei der angewandte Einheitszinssatz für die Eigen- und Fremdkapitalverzinsung von 6,52 % nicht mehr angemessen i.S.d. § 6 Abs. 2 S. 4 1. Halbsatz a.E. KAG NRW. Dieser Zinssatz beruhte auf dem 50-jährigem Durchschnittszinssatz der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zuzüglich eines pauschalen Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten. Nach Ansicht des Gerichts sei es dagegen sachlich vertretbar den 10-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten ohne einen pauschalen Zuschlag zugrunde zu legen.

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