Trittsicher

Regionalkonferenz in Chemnitz: "Älter werden ist ein Privileg"

Besonders hob die Amtsleiterin dabei das Programm BeTaSen, ein ganzheitliches Bewegungsprogramm für Personen ab 75 Jahren, hervor. Begleitet von der Technischen Universität Chemnitz, bestehe das Programm aus Bewegungstandems für diejenigen, die bisher unregelmäßig sportlich aktiv waren und von ehrenamtlichen, geschulten Mentor:innen angeleitet werden. Zu den Hauptanliegen des Programms zähle einerseits Bewegung in den Alltag zu integrieren, andererseits aber auch die Aktivierung der Nachbarschaft. Die wissenschaftliche Auswertung des Programms solle bestenfalls bei der Ableitung künftiger, passgenauer Angebote behilflich sein.

In der Stadt Chemnitz ist die kommunalen Bewegungsförderung im Amt für Gesundheit und Prävention angesiedelt. Seit 2021 existiert dort außerdem die Arbeitsgemeinschaft „Chemnitz bewegt sich“, deren Hauptziel in der allgemeinen kommunalen Förderung von Alltagsbewegung liegt. Hierzu zählen auch die Ertüchtigung von Sportstätten für Dritte sowie die allgemeine Öffnung von Sport- und Bewegungsangeboten für alle, die sich mehr bewegen möchten, denn letztlich können sowohl die Lebensqualität insgesamt als auch ein gesundes Altern durch Bewegung positiv beeinflusst werden.

Den anschließenden Impulsvortrag eröffnete Simone Lang (MdL), gesundheits- und pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag, mit dem Statement, dass älter werden ein Privileg sei, wenngleich der allgemeine Gesundheitszustand aller Menschen in der Bundesrepublik noch nie zuvor so gut erhalten werden konnte wie heute.

Gleichzeitig verwies Lang auf Seniorinnen und Senioren als Fundament unserer Gesellschaft. Dementgegen stehe oftmals der Eindruck, ältere Menschen seien nur eine Belastung für den Sozialstaat. Eine Herausforderung in der Unterstützung der Generation Ü65 sei jedoch die Heterogenität dieser Gruppe. Zentral müsse daher die Frage sein: „Wie können ältere Menschen möglichst lange und selbst bestimmt in die Gemeinschaft eingebunden werden?“. Auch hier zeige sich: Einzelmaßnahmen seien wenig wirkungsvoll, da Seniorenpolitik sämtliche Lebensbereiche, darunter Sozialplanung, Wohnpolitik, Städtebau und Kultur, betreffe.

Die sächsische Landesregierung habe die Teilhabe von Seniorinnen und Senioren im Koalitionsvertrag verankert und versuche, diesem Ziel beispielsweise durch die Einsetzung einer Landesseniorenbeauftragten, durch die Schaffung einer Stabsstelle Seniorenpolitik sowie einer sachsenweiten Landesseniorenvertretung nachzukommen.

Zur Aufgabe der Politik zähle darüber hinaus, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. So belege eine Studie des RKI aus dem Jahr 2019 eine Korrelation zwischen niedrigem Einkommen beziehungsweise Bildungsniveau und gesteigertem Risiko für chronische Krankheiten. Soziale Ungleichheit führe somit zu einer geringeren Lebenserwartung. Umfangreiche Maßnahmen zur Prävention könnten hierbei Abhilfe schaffen. Diesen Bereich erachtete Lang als noch nicht ausreichend ausgeschöpft, obschon es von höchster Bedeutung sei, die Gesundheit so lange wie möglich zu bewahren. Nur gesund könne auch Sport getrieben und dadurch altersbedingten Erkrankungen vorgebeugt werden.

Im anschließenden Podiumsgespräch diskutierten Rosmarie Gruber (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau - SVLFG) und Thomas Kunzmann (Bürgermeister der Stadt Lauter-Bernsbach) mit den anwesenden Gästen.

Kunzmann berichtete aus seinem Wirkungskreis im Erzgebirge über die regionalen Unterschiede in den Bereichen Demografie, aber auch Mobilität. Er betonte, dass eine ernsthafte Teilhabe am täglichen Leben nur möglich sei, solange man sich gut bewegen könne. Eine große Herausforderung läge jedoch in der medizinischen Versorgung, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Ein fortschreitendes Stadt-Land-Gefälle verschärfe die Situation älterer Bewohner:innen in dörflichen Strukturen deutlich. Als Bürgermeister stehe er zwar in der Verantwortung, den benannten Herausforderungen zu begegnen, er verstünde sich selbst jedoch mehr in der Rolle eines Vermittlers. Spezifisch-fachliches Know-how, beispielsweise im Bereich der kommunalen Gesundheitsförderung, sei in den kleineren Kommunen im Erzgebirge in den Verwaltungen oftmals nicht in der Form vorhanden, wie in kreisfreien (Groß-)Städten.

Seitens der Gäste eröffnete sich ein breites Fragenfeld rund um die Organisation von „Trittsicher“-Bewegungskursen. Die Bedenken rund um den organisatorischen Aufwand und die Anforderungen an Räumlichkeiten konnte Rosmarie Gruber (SVLFG) ausräumen. Der bürokratische Aufwand für alle Beteiligten sei überschaubar und abbildbar. Sollte Unterstützung gewünscht werden, stehe auch das Studienzentrum der SVLFG jederzeit bereit.

An Kursräume, die für Schulungen sowie für das Kursgeschehen in den Kommunen gesucht werden, bestünden kaum Anforderungen. In Frage kämen dafür auch Nebenräume in Gastwirtschaften, Dorfgemeinschaftshäuser, oder ähnliches An Ausstattungselementen seien lediglich Stühle notwendig und die Räumlichkeit sollte Platz für sechs bis 15 Personen (max. Teilnehmerzahl pro Kurs) haben.

Das Ansinnen des Programms, nach Ende der Studienlaufzeit möglichst direkt in den Regelbetrieb überzugehen, begrüßte Thomas Kunzmann und betonte, dass das „Trittsicher“-Angebot im Erzgebirge einen echten Bedarf decken würde.

Letztlich müsse auch die Daseinsvorsorge als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden, in der die Vernetzung der relevanten Akteure, darunter Kommunen, Verbände und (private) Initiativen priorisiert werden sollte. Dennoch dürften auch Kommunen bei der Bewältigung der vielfältigen Aufgaben nicht allein gelassen werden. 

 

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