VG Hannover: Entscheidung gegen Überwachung öffentlich zugänglicher Orte

Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat über eine Klage auf Unterlassung der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Orte im Stadtgebiet Hannover entschieden (Urteil vom 09.06.2016, Az.: 10 A 4629/11).

Sachverhalt

Mit der gegen das Land Niedersachsen, vertreten durch die Polizeidirektion Hannover, gerichteten Klage möchte der Kläger die Unterlassung der Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte mittels Bildübertragung - mit Ausnahme der reinen Verkehrsbeobachtung - sowie der Aufzeichnung dieser Bilder erreichen. Der Kläger klagte auf Unterlassung der Beobachtung und der Aufzeichnung der Bilder von insgesamt 78 Kameras der Polizeidirektion Hannover. Von den 78 Kameras zur Beobachtung öffentlich zugänglicher Orte zeichnen 23 Kameras im Stadtgebiet ständig auf.

Das VG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Polizeidirektion muss danach 56 Kameras abschalten. Die Standorte von 22 Kameras seien dagegen nicht zu beanstanden.

Entscheidungsgründe des Gerichts


Nach Auffassung des VG gilt auch für die Kameras, die ausschließlich beobachten und nicht auch aufzeichnen, nicht der Maßstab des § 32 Abs. 3 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG), sondern der strengere Maßstab des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG. Während die Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. SOG grundsätzlich bereits zulässig ist, wenn dies der Gefahrenabwehr dient, ist die Aufzeichnung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG nur zulässig, soweit Tatsachen die Prognose der Begehung erheblicher Straftaten am überwachten Ort oder dessen Umgebung rechtfertigen. § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG sei insofern verfassungskonform auszulegen.

Der von der Videoüberwachung betroffene Bürger könne nicht erkennen, ob eine Kamera lediglich beobachte oder auch aufzeichne. Daher müssten sich Kameras, die technisch zur Aufzeichnung in der Lage seien, am Maßstab der Bildaufzeichnung messen lassen. Ohne diese einschränkende Auslegung wäre § 32 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG verfassungswidrig.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe sei die Videoüberwachung an elf Standorten unter dem Gesichtspunkt des sogenannten Objektschutzes statthaft (§ 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG). An weiteren elf Standorten sei eine Videoaufzeichnung unter dem Gesichtspunkt der Kriminalprävention statthaft. Denn es handele sich ausweislich der von der Polizeidirektion vorgelegten Kriminalitätsstatistiken um Kriminalitätsschwerpunkte (§ 32 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Nds. SOG).

Von den 56 Kameras, die abzuschalten seien, seien 37 diejenigen, die für die Verkehrsbeobachtung verwendet werden. Da diese Kameras aber Funktionen hätten, die darüber hinausgingen (Aufnahme- und Zoommöglichkeit), unterlägen sie den strengeren Maßstäben des § 32 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG. Bei weiteren 17 Kameras prüfe die Polizeidirektion Hannover zurzeit deren Notwendigkeit, so dass die rechtlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht hätten dargelegt werden können. Bei einer weiteren Kamera sei eine von der Polizeidirektion Hannover abweichende Einschätzung vorgenommen worden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können die vom Gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

(Foto:© helmutvogler- Fotolia.com)

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