Der Koalitionsvertrag sieht folgende aus kommunaler Sicht relevante Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit vor:
Wertschätzung und Ausstattung der Polizei sowie der Gerichte
Der Koalitionsvertrag setzt sich für „eine bürgernahe, gut ausgestattete und ausgebildete Polizei“ und die Unterstützung der „Arbeit der Gerichte“ ein. Hierzu gehöre insbes. eine „gute Personal- und Sachausstattung“. Die Regeln des Gemeinwesens sollen „gegen Angriffe verteidigt und die Angehörigen der Sicherheitsbehörden Respekt und Anerkennung erfahren“.
Bekämpfung gegen Extremismus und politisch motivierter Kriminalität
Die Koalitionäre wollen „allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden entgegentreten – ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus.“ Sie wollen dies durch eine „Gesamtstrategie auf nationaler und europäischer Ebene aus Prävention, Deradikalisierung und effektiver Gefahrenabwehr“ erreichen. Die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus sollen „angepasst und weiterentwickelt“ werden.
Die Erfassung der politisch motivierten Kriminalität soll, „z.B. in Hinblick auf frauen- und querfeindliche Hasskriminalität“ weiterentwickelt und „die Möglichkeit von Auskunftssperren im Melderegister für Bedrohte“ ausgeweitet werden.
Diskriminierung, Rassismus in den Sicherheitsbehörden vorbeugen
Die Koalitionäre wollen die „Bürgernähe und eine transparente Fehlerkultur“ innerhalb der Sicherheitsbehörden stärken. Die Aus- und Fortbildung bei der Polizei soll „weiterentwickelt und noch intensiver die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung, insbesondere der Grund- und Menschenrechte, vermittelt“ werden. Die „bewährte Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern“ soll ausgeweitet und „die Resilienz der Sicherheitsbehörden gegen demokratiefeindliche Einflüsse“ gestärkt werden.
Keine flächendeckende Videoüberwachung
Der Koalitionsvertrag verhält sich dagegen zurückhaltend zum Ausbau der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen und dem Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken: „Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab.“ Es wird klargestellt, dass die Videoüberwachung die Präsenz einer bürgernahen Polizei nicht ersetzen, sie aber an Kriminalitätsschwerpunkten ergänzen kann. „Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“
Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz
Die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit soll „rechtsstaatlich intensiviert“ werden. Dabei sollen hohe Datenschutzstandards gelten und der grenzüberschreitende Rechtsschutz verbessert werden. Der Pakt für den Rechtsstaat soll „mit den Ländern erweitert und um einen Digitalpakt für die Justiz ergänzt werden“.
Anmerkung des DStGB
Deutschland ist, gemessen an den Zahlen der Kriminalstatistik, eines der sichersten Länder der Welt. Die Kriminalitätszahlen lagen 2020 auf dem niedrigsten Niveau seit 1993. Darauf weist auch der Koalitionsvertrag zu Recht hin. Dennoch stehen wir vor großen sicherheitspolitischen Herausforderungen: Der Anstieg politisch motivierter Kriminalität, Hass- und Cyberkriminalität im digitalen Raum, demokratiefeindlicher, rassistischer, antisemitistischer und extremistischer Äußerungen, Anschläge und Gewaltausbrüche ist besorgniserregend und beeinflusst massiv das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger*innen. Hass, Zwietracht und Ablehnung des Staates und seiner Repräsentanten bis auf die kommunale Ebene nehmen bei einem Teil der Bevölkerung weiter zu. Dies richtet sich gezielt gegen Polizei- und Vollzugskräfte, aber in erheblichem Ausmaß auch gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte, ehren- und hauptamtliche Kommunalpolitiker*innen sowie gegen kommunale Beschäftigte.
Der Koalitionsvertrag greift wichtige und dringend notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in Deutschland auf: Der Kampf gegen politisch motivierte Kriminalität und Extremismus, die Stärkung der Sicherheitsbehörden, Gerichte und Justiz, die verbesserte nationale und europäische Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz sowie die konsequente Verteidigung der Regeln des Gemeinwohls. Aus Sicht des DStGB sind jedoch weitere Maßnahmen unerlässlich. Auch wenn das Vertrauen der Menschen in den Staat, insbesondere in die Polizei und die Kommunalpolitik, insgesamt sehr hoch ist: Es besteht ein massiver Handlungsdruck, um das Vertrauen derjenigen in den Staat zu stärken, bei denen sich eine tiefe Staats- und Politikverdrossenheit verankert hat und die objektive als auch subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern. Dazu gehört insbesondere:
- Die Durchsetzung von Regelungen im öffentlichen Raum: Dabei müssen Regelungen auf ihre Umsetzung und Effektivität kontrolliert werden und in einem vernünftigen Verhältnis zum bürokratischen Aufwand stehen. Zugleich müssen die in diesen Zeiten besonders belasteten Ordnungsämter von Aufgaben entlastet und personell verstärkt werden.
- Mehr Polizeipräsenz in der Fläche: Die Aufstockung und Weiterqualifizierung des Personals muss insbesondere auch in den Ländern weiter vorangetrieben werden.
- Mehr Videoüberwachung und Bodycams: Der Ausbau und die Ausweitung von Videoüberwachung an zentralen, kriminalitätsgeneigten Plätzen ist ein ergänzender Baustein einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie, es braucht einen Mix aus Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften, stationärer und mobiler Videoüberwachung, datenschutzrechtliche Vorgaben auf Bundes- und Landesebene müssen selbstverständlich einen Mindeststandard besitzen, aber zur wirksamen Kriminalitätsbekämpfung insgesamt abgebaut und vereinheitlicht werden. Zur Aufklärung von Straftaten und zum Schutz der Beschäftigten sollten die Rechtsgrundlagen für einen möglichst flächendeckenden Einsatz von Bodycams geschaffen und die Finanzierung gesichert werden.
- Ausbau von präventiven städtebaulichen, sozialen und politischen Maßnahmen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger*innen und zum Schutz öffentlicher Plätze: Dabei ist die Abwehr terroristischer Bedrohungen keine originär kommunale Aufgabe, die Kommunen müssen daher finanziell und organisatorisch durch Bund und Länder unterstützt werden.
- Sicherheit muss nicht mehr nur im physischen und analogen Raum gewährleistet werden, sondern auch im digitalen Raum. Es braucht eine Cybersicherheitsstrategie, die die Bedürfnisse von Kommunen, kommunalen Unternehmen und kommunalen IT-Dienstleistern berücksichtigt und diese dabei unterstützt, die notwendige Resilienz gegen Angriffe aufrechtzuerhalten.
- Besserer Schutz, mehr Wertschätzung und Anerkennung nicht nur gegenüber der Justiz und den Sicherheitsbehörden, sondern auch gegenüber Feuerwehr- und Rettungskräften, ehren- und hauptamtliche Kommunalpolitiker*innen sowie kommunalen Beschäftigten.
- Ein starker Rechtsstaat, Polizei und Justiz müssen die Betroffenen präventiv und repressiv aktiv unterstützen. Wichtige Maßnahmen in Form von Strafrechtsschärfungen, vereinfachten Meldeverfahren und Beratungsangeboten in den Ländern sowie eine stärkere Verantwortung der Netzwerkbetreiber wurden bereits ergriffen. Die Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier über das Online-Portal „Stark im Amt“ zeigt, wie groß die Bedeutung und zugleich die Gefahr für unsere Demokratie in Deutschland ist. Um die Situation zu verbessern müssen Beratungs- und Präventionsangebote für Betroffene, gerade auch für weibliche Kommunalvertreterinnen, flächendeckend ausgebaut, Netzwerkbetreiber noch stärker in die Pflicht genommen, Auskunfts- und Meldesperren einfacher erwirkt, die Betroffenen durch die Einführung des sog. Politiker-Stalkings durch einen individuellen Straftatbestand vor persönlichen Nachstellungen besser geschützt und die Straftaten konsequent verfolgt und geahndet werden.
- Extremismus, Radikalisierungen und Antisemitismus in der Gesellschaft müssen konsequent geahndet und frühzeitig und gezielt sowohl im Netz und den sozialen Medien wie auch im täglichen Leben bekämpft werden. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelingen, wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft handeln und Verantwortung übernehmen. Sicherheitsbehörden müssen eng mit Entscheidungsträgern in der Kommune, Arbeitgebern, Schulen, Verbänden und Vereinen vor Ort zusammenarbeiten. Der DStGB setzt sich bereits seit langem für den Aufbau lokaler Präventionszentren gegen Radikalisierungen ein. Wir müssen die Demokratie vor Ort durch mehr Aufklärung, mehr politische Bildung in Schulen, der Jugendarbeit, demokratische Teilhabe und mehr offenen Austausch zwischen Bürger*innen, Politik, Verwaltung und Sicherheitsbehörden stärken. Diese Arbeit muss dauerhaft von Bund und Ländern unterstützt werden. Dies erfordert einen entsprechenden Organisations- und Finanzierungsrahmen. Der DStGB erwartet von dem angekündigten Demokratiefördergesetz, dass dies eine verbindliche und dauerhafte Finanzierungsgrundlage für die Demokratieförderung und Extremismusprävention in Kommunen begründet. Demokratie kann dabei nicht angeordnet, sondern muss in den Kommunen durch individuelle, flexible Ansätze gelebt werden.
Zur Bekämpfung des Extremismus und Radikalisierungen ist es richtig, Instrumente und Strukturen zu schaffen, um auch Vorfälle innerhalb von Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene melden, prüfen und entsprechend ahnden zu können.