Hasskriminalität

Politisch motivierte Straftaten haben 2020 neuen Höchststand erreicht

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2020 um 8,5 Prozent auf insgesamt 44.692 Delikte angestiegen. Damit befindet sich die politisch motivierte Kriminalität auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001. Insbesondere die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten hat im Vergleich zum Vorjahr um 18,8 Prozent auf 3365 zugenommen. Die rechtsmotivierten Straftaten erreichen mit rund 24.000 Straftaten einen neuen Höchststand. Jedes zweite politisch motivierte Delikt in Deutschland im Jahr 2020 ist rechtsextremistisch motiviert. 

Anstieg politisch motivierter Straftaten auf Amts- und Mandatsträger

Die Angriffe auf Amtsträger haben sich im Jahr 2020 mit 2200 Straftaten etwa verdoppelt. Bei den Angriffen auf Mandatsträger wurde ein Anstieg um 87,9 Prozent festgestellt. Demgegenüber sind die Angriffe auf Parteien um 72,6 Prozent zurückgegangen. 

Angriffe auf Polizei und Journalisten im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen

Im Jahr 2020 wurden unter dem Begriff „Corona“ in den Sachverhaltsbeschreibungen aller PMK-Meldungen insgesamt 3569 Straftaten erfasst, darunter 478 Gewalttaten. Insbesondere Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen waren von einer geringen Akzeptanz der polizeilichen Maßnahmen, erheblichen Verstößen gegen die Hygiene- und Abstandsregeln sowie teilweise erheblichen Ausschreitungen geprägt. Dabei kam es auch zu Angriffen und Bedrohungen gegen die Polizei sowie Medienvertreter. Von den 260 gemeldeten Straftaten gegen Journalisten wurden 112 im Zusammenhang mit „Corona“ begangen; bei den entsprechenden Gewalttaten sogar knapp die Hälfte (14 von 32).

Anstieg der Hasskriminalität

Im Themenfeld Hasskriminalität hat sich ein deutlicher Anstieg der Hassstraftaten um 19,2 Prozent auf 10.240 gezeigt. Etwa neun von zehn Delikten wurden dem Phänomenbereich PMK -rechts- zugeordnet. Die Gewalttaten bewegen sich mit 1014 Meldungen auf dem Niveau des Vorjahres. Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist um 15,7 Prozent auf 2351 Straftaten angestiegen. Hiervon wurden 94,6 Prozent als rechtsmotiviert eingestuft. Die antisemitischen Gewalttaten sind dagegen um 21,9 Prozent zurückgegangen. Bei den fremdenfeindlichen Straftaten wurde ein Anstieg um 19,1 Prozent registriert. Dem Themenbereich „Reichsbürger/Selbstverwalter“ wurden insgesamt 772 politisch motivierte Straftaten zugeordnet. Dies entspricht einem Anstieg um 15 Prozent. Der Anteil der Gewalttaten blieb mit 125 Gewalttaten etwa auf dem Vorjahresniveau. 

Die Zahl der rechtsmotivierten Gewalttaten stieg um 10,8 Prozent auf 1092. Auch aus dem linken Spektrum ist die Zahl der Delikte um 11,4 Prozent auf etwa 11.000 Straftaten gestiegen. Hier sind insbesondere die linksmotivierten Gewalttaten zu nennen, bei denen ein Anstieg um 45,1 Prozent auf 1500 Delikte registriert wurden. Im vergangenen Jahr wurden 16 politisch motivierte Tötungsdelikte registriert – bei 13 Taten blieb es bei Versuchen, drei Taten wurden vollendet, darunter der rassistisch motivierte Terroranschlag von Hanau am 19. Februar 2020. Insgesamt kamen bei politisch motivierten Tötungsdelikten im Jahr 2020 elf Menschen ums Leben. Auch antisemitische Straftaten hätten mit über 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen. 

In dem im Jahr 2020 neu eingeführten Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ wurden 204 Straftaten gemeldet, davon 40 Gewalttaten. Politisch motivierte Straftaten gegen die sexuelle Orientierung sind mit 578 Delikten etwa auf dem gleichen Stand wie im Vorjahr. Bei den Gewalttaten wurde dagegen ein Rückgang um rund 24 Prozent auf 114 Gewalttaten festgestellt. 

Ausländische Ideologien zurückgegangen, weiterhin Gefahr durch islamistische Bedrohungen

Im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- hat sich das Gesamtstraftatenaufkommen im Vorjahresvergleich nahezu halbiert. Auch die Gewaltdelikte gingen um mehr als zwei Drittel auf 113 Straftaten zurück. Dagegen zeigte sich für den Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- mit 477 Straftaten ein Zuwachs um 12,2 Prozent. Der Anteil der Gewalttaten reduzierte sich hingegen mit 43 Fällen um zehn Prozent. Durch die Polizeien der Länder wurden mit Stand vom 1. April 2021 579 Personen als Gefährder und 533 als sog. „Relevante Personen“ eingestuft. Zudem wurden mehr als 1200 Ermittlungsverfahren gegen 1300 Beschuldigte im Bereich des islamistischen Terrorismus geführt. 

Die Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität 2020 ist unter www.bmi.bund.de/pmk-2020 abrufbar.

Bewertung des DStGB

Der Höchststand politisch motivierter Kriminalität in Deutschland ist besorgniserregend, auch wenn politisch motivierte Straftaten nur knapp ein Prozent aller Straftaten ausmachen. Damit setzt sich die massive Entwicklung im Hinblick auf rechtsextremistisch, aber auch linksextremistische Angriffe, Gewalttaten und Hasskriminalität gerade gegenüber Repräsentanten des Staates der vergangenen Jahre fort. Es ist davon auszugehen, dass die Zahlen durch das Dunkelfeld der nicht amtlich registrierten Fälle noch wesentlich höher ausfallen. Hinter mehr als der Hälfte der Straftaten stehen rassistische, antisemitische, rechtsextremistische und andere demokratiefeindliche Ideologien und Motive. Die Corona-Pandemie hat diese Tendenzen noch einmal deutlich verstärkt. Davon unmittelbar betroffen sind auch kommunale Amts- und Mandatsträger, die sich tagtäglich im Haupt-, aber auch im Ehrenamt, für die lokale Demokratie einsetzen. Im Hinblick auf Hasskriminalität im Netz und die Verbreitung extremistischer und demokratiefeindlicher Ideologien sind vor allem Kinder und Jugendliche besonders gefährdet.

Dem muss ein starker Rechtsstaat, aber auch eine starke Zivilgesellschaft sowie die Parteien deutlich entgegentreten und den Betroffenen den Rücken stärken. Wir haben hier zwar schon vieles erreicht: Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ist am 3. April in Kraft getreten, der Bundespräsident persönlich stellt sich schützend vor die Kommunalvertreter*innen und hat die Schirmherrschaft für das neue Online-Portal „Stark im Amt“ übernommen, das betroffenen Kommunalvertreter*innen im Umgang mit derartigen Herausforderungen unterstützen soll. Aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen, wie etwa HateAid, hassmelden.de oder civic.net, sowie zahlreiche Bundesländer unterstützen die Betroffenen etwa durch Schwerpunkstaatsanwaltschaften und Meldestellen. Dennoch, es bleibt viel zu tun: Soziale Netzwerkbetreiber müssen noch stärker in die Pflicht genommen, Polizei und Justiz gezielter geschult und sensibilisiert werden und in Schulen und Kitas muss politische Bildung erfolgen und deutlich gemacht werden, was Kommunalpolitiker*innen für unsere Demokratie bedeuten und leisten. Darüber hinaus müssen digitale Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf die Gefahren von Ideologien und Falschnachrichten im Netz deutlich gestärkt werden.

Der DStGB ist gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Landkreistag Kooperationspartner der von der Körber Stiftung initiierten Plattform „Stark im Amt“ (www.stark-im-amt.de). 

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