Bekämpfung von Stalking
Die Bundesregierung plant, aus Gründen des Opferschutzes, die Strafbarkeitsschwelle für Nachstellungen in § 238 Strafgesetzbuch abzusenken. Nach Einschätzung der Bundesregierung bereitet die gegenwärtige Formulierung dieser Norm in der Praxis Schwierigkeiten für die Strafverfolgung, weil sie insgesamt zu hohe Anforderungen an ein strafbares Verhalten stelle. Außerdem könnten schwere Konstellationen nicht angemessen geahndet werden. Künftig soll ausreichen, dass Täter „wiederholt“ einer Person nachstellen. Außerdem soll genügen, dass die Lebensgestaltung der Opfer „nicht unerheblich“ beeinträchtigt ist. Für besonders schwere Fälle soll eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich sein.
Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, die derzeit in § 238 Absatz 2 Strafgesetzbuch enthaltene Qualifikationsvorschrift unter Beibehaltung der erhöhten Strafandrohung in eine Regelung besonders schwerer Fälle umzuwandeln und zu erweitern. Hier setzt unter anderem die Kritik des Bundesrates an: Der Katalog der Regelbeispiele für besonders schwere Fälle bedürfe noch der Ergänzung um weitere, praktisch bedeutsame Anwendungsfälle erhöhten Unrechts. Namentlich soll nach dem Willen der Länder ein besonders schwerer Fall auch dann vorliegen, wenn Täter innerhalb der letzten fünf Jahre wegen bestimmter Taten nach dem Gewaltschutzgesetz rechtskräftig verurteilt worden sind oder bei der Tat gleichzeitig gegen eine Gewaltschutzanordnung verstoßen. Außerdem bittet die Länderkammer um Prüfung, ob Konstellationen, in denen Täter die Opfer mit Abhörgeräten, GPS-Trackern oder Drohnen ausspähen, ebenfalls vom Straftatbestand der Nachstellung erfasst werden können.
Änderungen sind im Regierungsentwurf auch bezüglich des so genannten Cyberstalkings vorgesehen. Zwar können Cyberstalking-Handlungen bereits nach derzeitiger Rechtslage teilweise bestraft werden. Aus Gründen der Bestimmtheit und der Rechtssicherheit sollen entsprechende Handlungen aber nun ausdrücklich gesetzlich erfasst werden.
Einführung eines Straftatbestandes für die Veröffentlichung so genannter „Feindeslisten“
Feindeslisten sind Sammlungen personenbezogener Daten, die beispielsweise durch ausdrückliche oder subtile Drohungen in einem Zusammenhang verbreitet werden, den die Betroffenen und die Öffentlichkeit als einschüchternd oder bedrohlich empfinden können. Zum Schutz hiervor sieht der Gesetzentwurf einen neuen Straftatbestand vor: das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten (§ 126a). Die Verbreitung von Daten wie Namen und Adressen soll künftig strafbar sein, wenn sie in einer Art und Weise geschieht, die dazu geeignet ist, die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen in die Gefahr zu bringen, Opfer einer Straftat zu werden. Unter die potenziellen Straftaten fallen Verbrechen sowie sonstige rechtswidrige Taten, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von besonderem bedeutendem Wert richten.
Der Bundesrat mahnt eine Präzisierung des Straftatbestandes an. Die neue Norm sei dahingehend zu formulieren, dass die Verbreitung in einer Art und Weise erfolgt, die nicht nur geeignet, sondern auch nach den Umständen dazu bestimmt ist, die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen in die Gefahr zu bringen, Opfer einer Straftat zu werden, fordert die Länderkammer. Unter Bestimmung sei die Zielsetzung zu verstehen; der Wille des Täters müsse die möglichen Folgen der Tat umfassen. Durch Ergänzung um dieses subjektive Element werde der Tatbestand eingeschränkt und eine ausufernde Ausweitung verhindert. Andernfalls bleibe der qualitative Unterschied zwischen einem strafbaren und einem straflosen Verbreiten der Daten weitgehend konturlos.
Weiteres Verfahren
Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugeleitet, die dazu eine Gegenäußerung verfasst und dem Bundestag zur Entscheidung vorlegt – ihren Entwurf hatte sie dort schon am 22. April 2021 eingebracht. Spätestens drei Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag befasst sich der Bundesrat dann noch einmal abschließend damit.
Bewertung des DStGB
Beide Gesetzesvorhaben haben aus kommunaler Sicht für eine wirksame Bekämpfung von Hasskriminalität auf kommunaler Ebene eine wichtige Bedeutung. Die Reform des Stalking-Paragrafen, die Einführung des Cyberstalkings, aber auch die strafrechtliche Verfolgung von sog. Feindeslisten sind wichtige Bausteine bei der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz als auch im realen Leben, von dem auch Kommunalvertreter*innen, kommunale Beschäftigtes sowie kommunal Engagiere massiv betroffen sind. Hass, Bedrohungen und Anfeindungen gegenüber Kommunalpolitiker*innen haben in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. Aktuelle Umfragen ergeben, dass 2/3 der Bürgermeister*innen bereits Erfahrungen mit Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Übergriffen – und das sogar mehrfach – gemacht haben.
Die Betroffenen sind vor Nachstellungen und sog. diffusen Drohungen, wie „fühl dich nicht so sicher“, „wir können jederzeit zuschlagen“, jedoch noch immer nur unzureichend geschützt. Das liegt daran, dass es sich nicht um ein klassisches Stalking handelt, die Massivität und der lange Zeitraum, in welchem Drohungen und Beleidigungen ausgesprochen oder sonst kommuniziert werden, stehen häufig den Beeinträchtigungen, wie sie Stalking-Opfer oft ausgesetzt sind, jedoch kaum nach. Auch das nachgebesserte Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vermag dieses Problem nicht umfassend zu lösen. Durch die Schaffung einer neuen Strafvorschrift einer „Nachstellung gegenüber Amts- und Mandatsträgern“ (§ 238a StGB) können die bestehenden Gesetzeslücken aus Sicht des DStGB geschlossen und der Schutz deutlich verbessert werden. Hierfür hat sich der DStGB im Rahmen der Reform des Stalking-Paragrafen gegenüber aktiv eingesetzt. Übernommen wurde der Vorschlag im jetzigen Entwurf nicht, das Problem und die Zielrichtung aber durch das federführende BMJV ausdrücklich anerkannt und die Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Im Hinblick auf den Gesetzentwurf zur Einführung eines Straftatbestandes sog. Feindeslisten ist aus kommunaler Sicht zum Schutz der Amts- und Mandatsträger*innen erforderlich, dass Betroffene unverzüglich über alle Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden unterrichtet werden. Amts- und Mandatsträger*innen müssen – unter Berücksichtigung ermittlungstaktischer Gesichtspunkte – zu ihrer Sicherheit umgehend informiert werden, wenn sie auf sogenannten „Feindeslisten“ stehen oder ihre Namen auf sogenannten „Schwarzen Listen“ kursieren.