Zusammenfassung Forum I - Fahrradkonzepte mit Wirkung
Der Titel des Forums „Fahrradkonzepte mit Wirkung“ lenkt den Blick auf die Vielschichtigkeit dieses Themas. „Wirkung“ kann vieles heißen, z. B.:
- Die direkt sichtbare Wirkung in Form von mehr Radfahrerinnen und Radfahrern. Idealerweise gewinnt der Radverkehr im Modal Split Anteile durch eine Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr aufgrund einer Änderung des Mobilitätsverhaltens.
- Wirkung in Bezug auf Energieeinsparung, Reduktion von Schadstoff- und Lärmemissionen sowie CO2-Ausstoß.
- Wirkung in Bezug auf die längerfristige Dynamik und die Prozesse, die eine bessere Radverkehrsförderung in Kommunen anstoßen können.
- Die Wirkung in Bezug auf die Kosten und den Nutzen von Maßnahmen, auch im Vergleich zu Maßnahmen im Bereich ÖV oder Kfz-Verkehr.
Die Vorträge im Forum I griffen viele dieser und weiterer Aspekte beispielhaft auf. Dies wurde bereichert durch die Diskussion mit dem Publikum.
In ihrem Vortrag „Auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Region“ verdeutlichten Werner Wingenfeld, Stadtbaurat bei der Bundesstadt Bonn und Dr. Mehmet H. Sarikaya, Leiter des Planungsamtes des Rhein-Sieg-Kreises, dass Radverkehr nicht an kommunalen Grenzen aufhört und man das Potenzial für mehr Radverkehr durch gemeinsame Kooperation deutlich besser ausschöpfen kann. Bonn hat große Ambitionen, sich als Fahrradhauptstadt 2020 zu positionieren und den Radverkehr bis 2020 von 12% auf 25% zu steigern. Der umliegende Rhein-Sieg-Kreis hat ein Potenzial von 15-30% für den Radverkehr ausgemacht und ein Radverkehrskonzept auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen bei beiden Akteuren die Sicherheit und Zufriedenheit der Radfahrenden. Ein wichtiges gemeinsames Projekt ist die Weiterentwicklung der Idee eines Radschnellweges in der Region, der wichtige Quellen und Ziele des Radverkehrs verbindet. Zwar war die Teilnahme am Planungswettbewerb Radschnellwege NRW nicht erfolgreich, dennoch hat man sich darauf verständigt, gemeinsam an dem Thema weiter zu arbeiten. Stadt Bonn und Rhein-Sieg-Kreis haben einen gemeinsamen Arbeitskreis zum Thema Radschnellwege und gemeinsame Sitzungen der Verkehrsausschüsse und somit auch eine institutionelle Struktur der Zusammenarbeit gefunden. Zudem wurde der gute Austausch auf kurzem Wege betont. Eine Herausforderung für die Weiterentwicklung der Radverkehrsförderung in der Region sind die finanziellen Rahmenbedingungen für den Ausbau der Infrastruktur.
Stephan Selker, Leiter des Straßenbauamtes im Kreis Steinfurt, stellte „Bürgerradwege im Kreis Steinfurt“ vor. Er ging detailliert auf das große bürgerschaftliche Engagement ein, das der wesentliche Treiber für die Etablierung und Weiterführung des Programms war und ist. Unterstützt wird dieses Engagement durch Koordination, Beratung und teilweise Finanzierung durch Kommunen, Kreis und Land. Das Programm hilft Bürgerinnen und Bürgern in Eigeninitiative Radwege unbürokratisch auch dann zu realisieren, wenn im normalen Bauprogramm dafür keine Mittel zur Verfügung stehen. Die Bürgerradwege sind einerseits ein großer Erfolg, da erhebliche Lücken im Radverkehrsnetz geschlossen werden konnten. In der Diskussion wurde allerdings auch klar, dass sie nur eine Art „Notlösung“ sein können. Im Normalfall sollten nicht Bürgerinnen und Bürger durch den bestehenden Leidensdruck aktiv werden, sondern die öffentliche Hand. Insofern besteht ein Zwiespalt zwischen pragmatischem Vorgehen, um beispielsweise Radwege zu bauen, die auch für einen sicheren Schulweg notwendig sind und der Frage, in wie weit man eigentlich öffentliche Aufgaben auf die Bürgerinnen und Bürger verlagern sollte.
In ihrem Vortrag „Nahmobilität ist urbane Mobilität“ stellte Christine Fuchs, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. (AGFS), die Aktivitäten ihres Vereins auf Landeseben vor. Dabei betonte sie den hohen Mehrwert von Vernetzung, Information und weiteren Serviceangeboten für die Mitgliedskommunen. Besonders hob sie auch die steigende Bedeutung des Themas Gesundheit hervor. Radverkehr kann eine wesentliche Rolle spielen, um mehr Bewegung im Alltag zu fördern. In NRW kooperieren auf Landesebene zu diesem Thema verschiedene Ministerien und die AGFS. In Bezug auf die positive Wirkung der AGFS wurde auch hervorgehoben, wie gut Kampagnen und Aktionen angenommen werden, die als fertige Module von den Mitgliedskommunen genutzt werden können. So muss das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden.
Zum Abschluss des Forums stellte Lothar Mittag, Bürgermeister der Stadt Rhede, in seinem Vortrag „Rheder auf Rädern – wie wir von Nahmobilität profitieren“ die vielfältigen Aktivitäten seiner Kommune im Bereich der Radverkehrsförderung vor. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Rhede honorieren das Engagement der Politik und Verwaltung mit einem steigenden Radverkehrsanteil. Eine wichtige Botschaft des Vortrags war, dass Radverkehrsförderung mehr als Mobilitätspolitik ist und auch deutlich zur Attraktivität von Städten beiträgt, sogar ein Standortfaktor werden kann. Dabei muss man auch Konflikte aushalten und lösen können, die sich ergeben können, wenn Parkplätze wegfallen. Wichtig ist die Schaffung eines positiven Bewusstseins bei den beteiligten Akteuren, dass mehr Radverkehr ein Gewinn für die Lebensqualität ist. Neben verschiedenen Kampagnen (z. B. AGFS Licht Aktion, „Ich häng dran“ Förderung von Fahrradanhängern) und dem Ausbau der lokalen Radverkehrsinfrastruktur ist ein Kernprojekt die Planung eines Radschnellweges in regionaler Kooperation.
Wichtige Aspekte aus den Vorträgen zur „Radverkehrsförderung mit Wirkung“ waren zusammenfassend:
- Radverkehr ist ein „Gewinnerthema“ für die Politik. Die Bürgerinnen und Bürger sind oft viel weiter als die Politik annimmt und fordern mehr Aktivitäten ein.
- Regionale und landesweite Kooperation ist sehr wichtig. Viele Verkehrsverflechtungen sind regional und landesweiter Austausch im Rahmen der AGFS und anderer Netzwerke ermöglicht es, Synergien auszuschöpfen.
- Ein großes Problem ist die Finanzierung von Maßnahmen. Hier wird ein größeres Engagement von Seiten des Landes und des Bundes gewünscht. Auch mehr Planungssicherheit ist nötig (Stichwort Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz).
- Es gibt eine Vielzahl an Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Kommunikation und Service, die realistisch von Kommunen umgesetzt werden können und gute Wirkung bei überschaubarem Aufwand erzielen. Eine gute Kooperation der beteiligten Akteure und die Unterstützung der Politik sind wesentlich für erfolgreiche Planung und Umsetzung.