Ergebnisse des 1. Deutschen Kommunalradkongresses

Ergebnisse des 1. Deutschen Kommunalradkongresses

Dr. Gerd Landsberg, DStGB
Foto: Ralph Meißner

Hintergrund für die Veranstaltung ist die zunehmende Bedeutung des Fahrrades für die kommunale Verkehrspolitik. Es spielt im Alltag von immer mehr Menschen eine wichtige Rolle, sei es auf dem Weg zur Arbeit, in die Uni, die Schule oder die Kita. Das lässt sich anhand von Zahlen belegen: Heute fahren etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland täglich oder mehrmals die Woche mit dem Rad. Mehr als jeder zweite nutzt das Rad gelegentlich. Die Zahl der Radurlauber steigt kontinuierlich. Auch die breite Presseberichterstattung zum Urteil des Bundesgerichtshofs zur Streitfrage einer „Helmpflicht“ zeigt, dass es ein wachsendes Interesse am Thema gibt. 

Chancen für die Kommunen

Die automobile Gesellschaft ist rasend auf dem Weg in den Stillstand – eine Wende in der Verkehrspolitik ist notwendig! So prägnant und zugespitzt brachte Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des DStGB, die Situation in vielen deutschen Städten auf den Punkt und erläuterte weiter: Die gegenwärtige Verkehrsinfrastruktur in deutschen Städten ist zu stark auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet und wird den heutigen Mobilitäts- und Lebenswünschen der Menschen zu wenig gerecht. Der stetige Zuwachs an Mobilität mit dem Auto geht zulasten der Lebensqualität in den Kommunen und kostet viele Ressourcen: für die Instandhaltung der Verkehrswege, für Menschen und Umwelt durch Lärm- und CO2-Belastung sowie durch den steigenden Flächenverbrauch.

Dr. Gerd Landsberg wies dagegen auf die Chancen des Radverkehrs hin: Ein zügiger Ausbau der Elektro- und Zweiradmobilität in den Städten und Gemeinden ist das beste Mittel, den Lebenswert  gerade von Innenstädten zu steigern und Feinstaubbelastung durch den Stadtverkehr zu reduzieren. Die Elektro- und Fahrradmobilität bietet die große Chance, den städtischen Lebensräumen eine neue Qualität zu geben und kann als Vitalitätsprogramm genutzt werden. Dadurch wird gerade in innerstädtischen Lagen besonders kostbarer, weil  knapper Raum frei: Raum, der zum Flanieren, Verweilen und zum Spielen genutzt werden kann. Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden werden als attraktiv wahrgenommen, autozentrentierte Städte gelten dagegen tendenziell als unattraktiv. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wird das Thema lebenswerte Stadt zu einem wichtigen Faktor bei der Bewohner- und Fachkräftegewinnung. So gesehen sind gute Radwege ein Standort- und Wirtschaftsfaktor, der in der Wirtschaftsförderung der  Kommunen an Bedeutung gewinnt.

v.l.n.r.: Michael von der Mühlen, Staatssekretär MBWSV NRW, und Dr. Gerd Landsberg, DStGB
Foto: Ralph Meißner

Herausforderungen für die Politik

Eine zentrale Herausforderung für die Politik ist deshalb, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass die Menschen tatsächlich von Auto auf das Fahrrad umsteigen. Das Potenzial dafür ist gegeben, wie die Zahlen zeigen: Die Hälfte aller Autofahrten Innerorts ist kürzer als fünf Kilometer. 25 Prozent der Fahrten sind sogar kürzer als drei Kilometer. Sie eignen sich ideal für das Fahrrad.

Notwendig ist allerdings ein planerisches Umdenken. Fahrradfahrer haben andere Verkehrs- und Wegebedürfnisse als Autofahrer. Geschlossene Radwegenetze müssen entwickelt werden. Erforderlich sind überdachten Abstellflächen für Zweiräder, Ladestationen für die rasant wachsende Zahl von Elektrorädern und die Möglichkeit, Fahrräder z. B. in Bussen und Bahnen jederzeit mitnehmen zu können.

Der vorhandene Straßenverkehrsraum ist andererseits nicht beliebig erweiterbar. Die Nutzung des Straßenraumes muss so organisiert werden, dass ein Nebeneinander von Autoverkehr und Fahrradmobilität möglichst konfliktfrei ist. Auch die Frage nach dem Platzbedarf der Verkehrsmittel muss gestellt werden. Dies erfordert intelligente Mobilitätskonzepte und neue Antworten im Bereich der Verkehrssicherheit.

Antworten der Experten aus Bund, Ländern und Kommunen

Eine Antwort, wie das vor Ort umgesetzt werden kann, bietet das Konzept der Nahmobilität, das der Staatssekretär im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW, Michael von der Mühlen, vorstellte. Dazu rief er die Kommunen auf, eine enge Vernetzung des Radverkehrs mit dem öffentlichen (Nah-)verkehr anzustreben. Die Vernetzung mit Bussen und Bahnen, mit Taxen und dem Car-Sharing muss daher ein Bestandteil der Radverkehrsförderung sein.

Die Vielzahl von praktischen Fragen, mit denen in der Radverkehrsförderung aktive  Städte, Gemeinden und Landkreise, konfrontiert sind, bündelt der Nationale Radverkehrsplan. Die Beauftragte für den Radverkehr des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, Birgitta Worringen, erläuterte diesen in ihrem Vortrag gab ein klares politisches Bekenntnis Koalition zum Radverkehr ab. Nachdem der Bundesetat für die Förderung von Radwegen an Bundesstraßen in den vergangen Jahren gekürzt wurde, verwies die Vertreterin der Bundes darauf, dass in diesem Jahr wieder eine leichte Anhebung der Mittel vorgesehen ist. Frau Worringen ging auch auf die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den Städten und Gemeinden ein. Der Nationale Radverkehrsplan unterscheidet insoweit in Einstiger-, Aufsteiger-, und Vorreiter-Kommunen und beschreibt die unterschiedlichen Strategien und macht konkrete Vorschläge, mit welchen Maßnahmen die Radverkehrsförderung (weiter) vorangebracht werden kann. Die Radverkehrsbeauftrage sprach sich schließlich für eine Verbindung von (Rad-) Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik aus, damit das Fahrrad in den Kommunen eine stärkere Berücksichtigung findet. Dies kann etwa in der politischen Zielstellung einer „Stadt der kurzen Wege“ zum Ausdruck kommen und mit weiteren Maßnahmen unterlegt werden: Etwa im Bereich der Bauleit- und Regionalplanung, indem Trassen für den Radverkehr geschützt oder indem Fachpläne für einen fahrradfreundlichen Nahverkehr aufgestellt werden.

Bürgermeister Windhaus aus Schüttorf, Niedersachsen, zeigte sehr deutlich, dass es weder auf die Größe der Stadt, noch auf die komplette Umsetzung eines Konzeptes zur Radverkehrsförderung ankommt, um erste positive Ergebnisse bei der kommunalen Radverkehrsförderung zu erzielen. Vor Ort zählt vor allem die Glaubwürdigkeit, die Qualität und der konkreten feststellbaren nutzen der Maßnahmen.

Ein zentraler Aspekt ist dabei die Verkehrssicherheit, weshalb vieler der Maßnahmen in der 12.800-Einwohner-Stadt, die Gewinnerkommune des Wettbewerbs „Fahrradfreundliche Kommune 2013“ war, auf diesen Aspekt gerichtet sind. Aktionen mit Verbänden des Verkehrsgewerbes, lenken die Aufmerksamkeit auf den „Toten Winkel“ bei Lkws oder schützen die Radler vor unbedacht geöffnetes Fahrzeugtüren, wie die Warnaufkleber, die auf der Fahrgastseite in Taxen angebracht wurden. Aber auch die Kommunen können einiges tun. In Schüttorf werden gezielt die Gefahrensituationen beseitigt, die aus den Statistiken als gefährlich bekannt sind: Radwege sollten rechts und nur in eine Richtung laufen, sie müssen ausreichend breit sein, sonst sind sie, besonders als gemeinsame Geh- und Radwege, unfallträchtig. Gesondert angelegte Radwege mit eigenem Hochboard bringen Radler aus dem Sichtfeld von Autofahrern – mit fatalen Folgen, wenn sie sich an Einmündungen, Kreuzungen oder Einfahrten dann „plötzlich“ doch treffen.

Kommunalradkongress: Erfahrungsaustausch für die Kommunalpolitik

Der Kommunalradkongress verfolgte ausdrücklich das Ziel, sowohl einen Erfahrungsaustausch zwischen Kommunalpolitik, Verwaltung und weiteren Akteuren, als auch zwischen Interessierten und Experten zu bieten. Das ist gelungen, wie ein Blick in die Teilnehmerliste zeigt. Hierzu trug sicherlich die gelungene  Kooperation mit dem Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, dem Landkreistag NRW und dem Deutschen Institut für Urbanistik, die neben der Stadt Siegburg und dem Rhein-Sieg-Kreis Veranstaltungspartner waren, bei. Hervorzuheben ist auch, dass Engagement der Vertreter erfahrener Kommunen z.B. aus den Arbeitsgemeinschaften fahrradfreundlicher Kommunen aus NRW, aber auch Baden-Württemberg und Bayern.

In den Fachforen zu den Themen „Fahrradkonzepte mit Wirkung“, „Verkehrssicherheit“ und „Fahrradmobilität als Wirtschaftsfaktor“ haben Praktiker der Radverkehrsförderung aus ihren Erfahrungen vor Ort berichtet und die Teilnehmer zur Diskussion eingeladen. Die Ergebnisse der Diskussion in den Fachforen sind oben rechts auf der Seite abzurufen. 

Die Resonanz auf diesen Erfahrungsaustausch und den Kongress insgesamt war so gut, dass der DStGB 2016 den 2. Deutschen Kommunalradkongress veranstalten wird. Im Wechsel mit dem Nationalen Radverkehrskongress des Bundes, der 2015 wieder durchgeführt wird, soll damit ein Kongress etabliert werden, der auch künftig einen Erfahrungsaustausch mit allen relevanten kommunalen Akteuren bietet.

Fotos zum 1. Deutschen Kommunalradkongress befinden sich auf der Facebookseite des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

v. l. n. r.: Timm Fuchs, Beigeordneter beim DStGB im Gespräch mit: Prof. Dr. Klaus J. Beckmann (Büro Beckmann), Harald Sudholt (ADAC Nordrhein), Roman Mendle (ICLEI), Martin Gent (WDR), Burkhard Stork (ADFC), Nils Hartwig (BMVI). Foto: Ralph Meißner

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