Mobilfunk

Abbau von Telefonzellen

Hintergrundinformation

Seit Eröffnung des ersten „Fernsprechkiosk“ im Jahre 1881 in Berlin waren öffentlich zugängliche Fernsprechmöglichkeiten grundlegender und lange Zeit stetig anwachsender Bestandteil der Telekommunikationsinfrastruktur in Deutschland. Dies insbesondere, weil bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Telefonanschluss in Privathaushalten alles andere als selbstverständlich war.

Der allmähliche Bedeutungsverlust öffentlicher Fernsprecher begann in der zweiten Hälfte der 90er Jahren und ging zeitlich einher mit der vollständigen Liberalisierung und Privatisierung des Telekommunikationsmarktes sowie der zunehmenden Massenverfügbarkeit von Mobilfunktechnologien.

Gleichwohl wurde seinerzeit sowohl nach europäischem- als auch nach deutschem Recht die flächendeckende Verfügbarkeit öffentlicher Telefonmöglichkeiten noch als von derart herausragender Bedeutung angesehen, dass sie in den Katalog der Telekomminikations- Universaldienstleistungen aufgenommen wurden. Universaldienstleistungen sind gesetzlich definiert als „ein Mindestangebot an Diensten für die Öffentlichkeit, für die eine bestimmte Qualität festgelegt ist und zu denen alle Endnutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben müssen und deren Erbringung für die Öffentlichkeit als Grundversorgung unabdingbar geworden ist.“

Da der deutsche Staat (d.h. die staatliche Deutsche Post) nach vollständiger Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes zu Anfang des Jahres 1998 Leistungen endgültig nicht mehr selbst erbrachte, hat er sich die verfassungsmäßige Pflicht zur Sicherstellung von Universaldienstleistungen für alle Bürgerinnen und Bürger auferlegt, sollte eine flächendeckende Verfügbarkeit durch die Marktkräfte allein nicht hergestellt werden. Er kann sich dazu eines Unternehmens der Privatwirtschaft bedienen, das gegen Kostenausgleich zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet ist.

Die Erbringung des Universaldienstes für die flächendeckende Verfügbarkeit öffentlicher Telekommunikationsleistungen im liberalisierten Markt wurde von der Deutsche Telekom AG, respektive konzernverbundenen Rechtsvorgängern (im Folgenden: Telekom) übernommen.

Im Jahre 1997 gab es in Deutschland noch ein sehr dichtes Netz öffentlicher Sprachtelefonie mit mehr als 160 000 öffentlichen Telefonstellen, weit überwiegend in Form der klassischen Telefonzelle. Diese hoch verdichtete Infrastruktur öffentlicher Fernsprecher stand zwar seinerzeit noch nicht zur Disposition, allerdings bereits zur Diskussion, da sich die Nutzung von Mobiltelefonen bereits als gebräuchliche Kommunikationsform in Deutschland zu etablieren begann. Angesichts des rapiden Rückgangs der Nutzung öffentlicher Fernsprecher führten die Telekom und die kommunalen Spitzenverbände allerdings ebenfalls seit 1997 Gespräche darüber, ob die hohe Zahl öffentlicher Fernsprecher auf Dauer gerechtfertigt sei und erhalten bleiben solle. Diese blieben allerdings zunächst ergebnislos. Hauptgrund hierfür war, dass es nicht gelang, objektive Kriterien für die Beurteilung der Universaldienstnotwendigkeit von öffentlichen Telefonzellen zu entwickeln, die der sehr heterogenen Ausgangslage der Städte und Gemeinden gleichermaßen gerecht wurden.

Gleichzeitig fand ein schleichender Abbau von Telefonzellen statt, der zu erheblichen Protesten seitens der Bevölkerung und der sie repräsentierenden kommunalen Verantwortungsträger führte, da diese in aller Regel nicht informiert oder beteiligt wurden. Um die Entscheidung über den Bestand von Telefonzellen (und damit letztlich die Definition der Universaldienstnotwendigkeit derselben) nicht länger allein der Telekom zu überlassen, wurde auf Vorschlag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes - und mit ausdrücklicher Billigung der Bundesnetzagentur - im Jahre 1999 bilateral vereinbart, dass öffentliche Fernsprecheinrichtungen nur noch abgebaut werden durften, sofern die Städte und Gemeinden, auf deren Gebiet die Fernsprecher stehen, ihr ausdrückliches schriftliches Einverständnis erklärten. Auf diese Weise wurde es den Städten und Gemeinden überlassen zu entscheiden, ob ein öffentlicher Telefoniestandort unter den konkreten örtlichen Rahmenbedingungen grundversorgungsrelevant war oder nicht.

Schon im Jahr 2000 mussten die kommunalen Spitzenverbände gegenüber der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post diese Übereinkunft widerrufen. Die Anzahl öffentlicher Fernsprecher war auch mit Einverständnis der betroffenen Kommunen erheblich reduziert worden und belief sich nur noch auf 92 000 Standorte. Die Grundlagen für eine angemessene und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Fernsprecheinrichtungen hatten sich binnen kurzem derart grundlegend verändert, dass es nicht mehr angemessen schien, die nicht reversiblen universaldienstrelevanten Umbrüche allein auf eine Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Telekom – mithin Subjekten des Privatrechts - zu stützen. Die Bundesnetzagentur wurde deshalb gebeten, einen geeigneten Rechtsrahmen unter Beibehaltung der grundsätzlichen Entscheidungshoheit der Städte und Gemeinden zu schaffen.

Vor dem Hintergrund einer Selbstverpflichtung der Telekom zum Erhalt aller bestehenden Standorte öffentlicher Telefonstellen schrieb die Regulierungsbehörde den Bestand durch eine entsprechende Definition von Mindestkriterien der Versorgung in ihrem Amtsblatt fest und erklärte die noch bestehenden öffentlichen Fernsprecher damit zu Pflichtstandorten. Der Abbau dieser Standorte war zwar grundsätzlich weiter möglich, allerdings nur zulässig, sofern der monatliche Umsatz unter 50 € lag und der Standort damit extrem unwirtschaftlich war. Zudem war nach wie vor die schriftliche Einwilligung der Standortkommune erforderlich. Somit wurden ein objektiv feststehendes (Umsatz) und ein dynamisch adaptives ( kommunale Einschätzung vor dem Hintergrund der Aufstellsituation) Kriterium zur Beurteilung der Universaldienstrelevanz eines konkreten Standorts verknüpft. Es lag danach weiterhin in der Hand der Kommune über den Abbau der extrem unwirtschaftlichen öffentlichen Fernsprecher zu entscheiden.

In den Folgejahren nahm die Nutzung öffentlicher Telefone rasant ab und die Einwilligungsbereitschaft der Standortkommen zur Erteilung des Abbaueinverständnisses lag auf konstant hohem Niveau. Im Juni 2019 lag der Bestand an Münz- und Kartentelefonen bei etwa ca. 16.000 Geräten (pflichtige und freiwillige Standorte). Dieser Bestand konnte nicht mehr als flächendeckend bezeichnet werden. Gleichzeitig war festzustellen, dass der massive Abbau in jedem Einzelfall mit ausdrücklichem Einverständnis der jeweiligen Kommune erfolgte. Dies belegte, dass nach Wahrnehmung kommunaler Entscheidungsträger mit dem massiven Infrastrukturrückbau keine relevante Einschränkung der Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen einhergeht. Gleichzeitig befand sich die Anzahl von aktiven Mobilfunkanschlüssen mit ca. 106,9 Mio. in 2019 weiter auf einem hohen Niveau. Es lag nahe zu vermuten, dass die Nutzung von Mobiltelefonen die Nutzung öffentlicher Fernsprecher substituiert hat. Die beschriebenen Entwicklungen waren in langanhaltender Tendenz europaweit zu beobachten.

Vor diesem Hintergrund wurde die flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Münz- oder Kartentelefonen sowohl nach europäischem, als auch nach nationalem Recht aus dem Katalog der per Universaldienst sicherzustellenden Leistungen der Telekommunikations- Grundversorgung gestrichen. Die Telekom wurde mit Inkrafttreten des Telekommunikationsmodernisierungsgesetz zum 01.12.2021 von ihrer diesbezüglichen Universaldienstverpflichtung befreit. Ihr steht es somit nach geltender Rechtslage frei weitere Standorte nach eigenem Gutdünken abzubauen. Des Einverständnisses der Belegenheitskommune bedarf es hierfür nicht mehr.

Einschätzung

Zum Jahreswechsel 2021/2022 existieren nur nach ca. 14000 öffentliche Telefonstellen in Deutschland, von denen viele wochen- oder monatelang vollkommen ungenutzt bleiben. Gleichzeitig nähert sich die Zahl aktiver Mobilfunkkarten 110 Millionen an. Das Mobilfunknetz deckt für den Bereich der Sprachtelefonie selbst die spärlich bewohnten Lagen Deutschlands flächendeckend ab. Es hat damit die öffentlich zugängliche Sprachtelefonie nicht nur ersetzt, sondern deutlich überkompensiert. Das Maß der Überkompensierung wird weiter anwachsen, da die Mobilfunkinfrastruktur in den nächsten Jahren sowohl im Rahmen staatlicher

Förderszenarien, als auch im privatwirtschaftlichen Ausbau weiterwachsen und technisch voranschreiten wird. Nach Einschätzung der Geschäftsstelle des DStGB lassen sich keine durchschlagenden Argumente mehr finden, für Sprachtelefoniedienste Lücken in der Grundversorgung anzunehmen. Damit einher geht die Feststellung, dass keine Rechtfertigung mehr vorliegt, einem Privatunternehmen die Verpflichtung aufzuerlegen, die noch bestehenden Reste der Infrastruktur öffentlicher Fernsprecheranlagen aufrecht zu erhalten und damit tief in dessen wirtschaftliche Autonomie einzugreifen.

Prognose

Es muss davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren ein weiterer deutlicher Abbau von Münz- und Kartentelefonen stattfinden wird. In mehreren einschlägigen Konsultationen konnte die Telekom der Hauptgeschäftsstelle des DStGB keine Angaben zu Umfang, Tempo oder Systematik des Rückbaus machen. Vermutlich wird es keine sofortige massive Abbauwelle geben, sondern, wie bisher, eine Reduzierung der Standorte um mehrere Tausend pro Jahr. Mittelfristig wird ein Großteil der noch existierenden Standorte entfallen. Einzelne noch gut frequentierte Münz- und Kartentelefone werden wahrscheinlich noch eine Weile erhalten bleiben. Denkbar ist, dass Standorte, die sich wirtschaftlich und technisch für die Anbindung an breitbandige Mobilfunknetze wie 5G eignen, beibehalten und mit sogenannten Small Cells internetfähig gemacht werden. Es dürfte sich hierbei jedoch um wenige Ausnahmen handeln.

Die Telekom hat zugesagt, die betroffenen Städte und Gemeinden über jeden bevorstehenden Abbau von Münz- oder Kartentelefonen zu unterrichten.

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