Für resiliente politische Strukturen auf allen föderalen Ebenen ist es wichtig, dass die Gesellschaft in ihrer Vielfalt abgebildet wird. Nach aktuellen Schätzungen des DStGB beläuft sich der Anteil der Bürgermeisterinnen in Deutschland auf 13,5 Prozent. Das ist zu wenig; hier bleibt die Gesellschaft deutlich hinter ihrem Potenzial zurück. Dass wir es uns nicht leisten können, in der Kommunalpolitik auf so viele kluge Köpfe zu verzichten, darin waren sich die Teilnehmenden des Frauenkongress einig. „Demokratie lebt von der Teilhabe, und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Frauen müssen genauso wie Männer in den politischen Entscheidungsprozessen vertreten sein, um sicherzustellen, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft auch in den Parlamenten abgebildet wird,“ formuliert die Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes, Ursula Matthiesen-Kreuder, in ihrem Impuls.
Die Lage ist aktuell aber eine andere: „Frauen in der Politik, zumal in der Kommunalpolitik, müssen immer noch besonders viel Kraft und Motivation mitbringen“, hebt Bundesministerin Lisa Paus (BMFSFJ) in ihrem digitalen Grußwort hervor. Und weiter: „Umfragen belegen: Politikerinnen erleben, dass an sie andere Erwartungen gestellt werden als an männliche Kollegen: an ihre Leistungen, an ihr Verhalten, an ihr Aussehen. Sie müssen oft härter Arbeiten und werden dennoch weniger ernst genommen.“
Welche Schlüsse und Handlungen müssen sich aus solchen Zustandsbeschreibungen ableiten? Welche Schritte sind zu gehen, um eine geschlechtergerechtere Kommunalpolitik zu ermöglichen? Vom 3. Frauenkongress kommunal gehen die folgenden Impulse aus:
Gute Rahmenbedingungen für Kommunalpolitik
Kommunale Führungsverantwortung ist mit einem hohen Maß an persönlichem Einsatz und zeitlichem Aufwand verbunden. „Die Rahmenbedingungen für kommunalpolitisches Engagement zu verbessern, ist für alle kommunalpolitisch Engagierten heute und alle künftigen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker unabhängig vom Geschlecht ein Gewinn. Das Amt der Bürgermeisterin und des Bürgermeisters muss attraktiv und sicher sein“, unterstreicht Bernward Küper, Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Magdeburg. Dazu zählen bessere, familienfreundlichere Rahmenbedingungen für Kommunalpolitik, mehr Absicherung auch im Ehrenamt, eine sach- und ergebnisorientiertere Gesprächskultur, mehr Respekt im Umgang miteinander, mehr Mut im Kampf gegen Sexismus, mehr Engagement beim Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vor Hass Hetze und Gewalt.
Öffentlichkeit und Sichtbarkeit
Konkrete Maßnahmen zu Verbesserung der Rahmenbedingungen müssen flankiert werden von Initiativen und Kampagnen – über Parteigrenzen, Geschlechter und Professionen hinweg – die für eine breite öffentliche Sensibilisierung sorgen. Dazu gehört auch eine Berichterstattung, die das Thema Geschlechtergerechtigkeit stets mitdenkt. Dafür ist Sissi Pitzer vom Journalistinnenbund ein leuchtendes Beispiel. Mit den Teilnehmerinnen des Frauenkongresses teilte sie die Regeln ihrer journalistischen Arbeit: Bei Interviewvorbereitungen immer nach Fach-Frauen suchen. „Das geht, unabhängig vom Thema. Man muss nur wollen!“ Ihre eigenen Beiträge hatten stets einen Expertinnen-Anteil von 70 bis 80 Prozent. Und genau so kommen weibliche Perspektiven auch auf Kommunalpolitik in die breite Öffentlichkeit. Ihren Bericht aus der Redaktion verband Pitzer sogleich mit einem Aufruf: Wer als Expertin angefragt werde, müsse annehmen. Wer aus triftigen Gründen verhindert sei, suche einen weiblichen Ersatz. So lässt sich die Sichtbarkeit von Frauen in Verantwortung erhöhen.
Neben den klassischen Redaktionen hat sich Social Media schon lange als wirkmächtiger Kommunikationsraum etabliert. Ein gelungenes Beispiel ist die Kampagne „Bürgermeisterin! Ich mach das jetzt!“, mit der der Städtetag Baden-Württemberg (vertreten durch Franziska Freihart) Frauen ermutigen, den Schritt zur Kandidatur als Bürgermeisterin oder in andere kommunale Führungspositionen zu wagen.
Die Gründerinnen der Social-Media-Beratungsagentur mecoa, Giulia Fioriti und Nina Scavello, wollen Frauen in der Politik zeigen, wie sie unter anderem auch mit Instagram und TikTok ihre Sichtbarkeit erhöhen können und zugleich in die Vernetzung und den Austausch zu gehen. Fioriti und Scavello arbeiten hier gegen Selbstkritik und Zweifel an: „Traut euch!“ Frauen seien oft besonders perfektionistisch und selbstkritisch, fühlen sich vor der Kamera unwohl. „Aber die Realität ist: Wer in der Politik erfolgreich sein will, muss sichtbar werden.“
Eine die sich regelmäßig „traut“, ist die die Oberbürgermeisterin Dr. Claudia Alfons (Große Kreisstadt Lindau). Mit ihren Video-Berichten aus dem Rathaus kann sie ihre Themen und Sichtweisen platzieren. Hier steht die Politik im Mittelpunkt. Dass es auch von Seiten der Presse und der Bürgerschaft ein gesteigertes Interesse an ihrer familiären Situation gebe, dafür habe sie durchaus Verständnis. Details aus ihrem Privatleben gebe sie nicht preis. Aus der Sicht von Claudia Alfons gehöre es aber dazu, ihre Version von „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu präsentieren, um auch anderen Frauen Mut zu machen, politische Verantwortung zu übernehmen – unabhängig von ihrer aktuellen Lebenssituation.
Respektvolle Kommunikation
Negative Kommentare – analog oder digital – blendet Alfons zumeist aus. In vielen anderen Kommunen scheint das aufgrund der Fülle von Anfeindungen und auch der Widerstände im Rat kaum möglich. Die Einblicke, die einige Bürgermeisterinnen und Gleichstellungsbeauftragte auf dem Frauenkongress in Magdeburg gewähren, sind erschütternd. Ein wertschätzender und sachlicher politischer Diskurs ist leider aber auch in den Räten keine Selbstverständlichkeit. Viele Bürgermeisterinnen sind mit Sexismus konfrontiert. Auch wird ihnen aufgrund ihres Geschlechts die Kompetenz für bestimmte Themen abgesprochen. Vanessa Zohm von der Körber-Stiftung bestätigt eine zunehmend polarisierte Gesprächskultur und einen respektlosen Umgang auch in den Räten – inklusive persönlicher Angriffe. Das harsche Debattenklima erschwere die sachbezogene Entscheidungsfindung und schreckt ab, wenn es um ehrenamtliches Engagement geht. Vor diesem Hintergrund hat die Körber-Stiftung das Projekt „Respekt im Rat“ gestartet. Ein Kodex kann helfen, die Debatte zurück auf die Sachebene zu ziehen und eine stärkere Sensibilität im Umgang miteinander zu fördern.
Solidarität – Women support Women
Vom Frauenkongress geht das einhellige Signal aus, sich für eine größere Solidarität unter Frauen stark zu machen. „Unterstützt andere Frauen in der Politik, die auf Social Media ihre politischen Überzeugungen teilen! Liket ihre Beiträge, kommentiert und teilt vielleicht auch deren Storys“, rufen die Social-Media-Beraterinnen Fioriti und Scavello auf. Und noch mehr: Sichtbarkeit darf nicht nur in den positiven Momenten erzeugt werden, wenn Wahlerfolge gefeiert oder eine gute Rede gehalten werden. Solidarität braucht es vor allem in schwierigen und kritischen Momenten, in Zeiten von Hass, Hetze und verbaler Gewalt – digital und analog. Hier ist mehr Kante gefragt: Aufstehen gegen Antifeminismus, gegen Diskriminierung und persönliche Beleidigungen.
Gemeinsam: Über Geschlechtergrenzen hinweg
Die Männer dürfen bei diesem wichtigen Thema nicht außen vor bleiben. Die aktuellen Herausforderungen sind gesamtstaatliche; Schutz und Stärkung der Demokratie gehört zu unser aller Pflichten. Wohl die meisten männlichen Kollegen leiden ebenfalls unter dem raueren Ton im Ratssaal und auf der Straße, auch sie begleitete die Sorge um ihre Familie. Ebenfalls wünschen sich auch Männer flexiblere Rahmenbedingungen und brauchen Lösungen, im Fall von Elternzeiten oder Pflege von Familienangehörigen. Die Sensibilisierung und Konfrontation mit einer weiblichen Perspektive kann dabei unterstützen, noch mehr Politiker als Partner auf der Reise hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Kommunalpolitik zu mobilisieren. Ohne eine breite Unterstützung auf allen föderalen Ebenen jedenfalls werden sich die Erfolge nur im Kleinen und zu langsam einstellen können. Die Juristin Matthiesen-Kreuder unterstreicht, dass es beim Engagement für mehr Geschlechtergerechtigkeit nicht darum gehe, die Männer auszuschließen, sondern gleiche Chancen für alle zu schaffen.
Motivieren, Austauschen, Netzwerken
Kathrin Mahler Walther, Geschäftsführende Vorsitzende EAF Berlin, empfiehlt – basierend auf den Ergebnissen einer aktuellen Studie zum Engagement von Frauen in der Kommunalpolitik in Sachsen – ein breiteres Angebot zu politischer Bildung und zur Beteiligung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu ermöglichen, überparteiliche Programme zur Ermutigung und Information und Vernetzung von Frauen zu schaffen, Frauen aktiv anzusprechen und eine Willkommenskultur insbesondere durch die Parteien zu etablieren. Nicht zuletzt ist auch die Stärkung der Gleichstellungsstrukturen in den Städten und Gemeinden hilfreich.
Gute Beispiele gibt es auch aus dem „Aktionsprogramm Kommune“ des BMFSFJ, durchgeführt von der EAF Berlin und dem Deutschen Landfrauenverband mit Unterstützung auch der kommunalen Spitzenverbände: Vom Politikführerschein, über gemeinsame Wanderungen und regelmäßige Austauschrunden – hier wird Nähe geschaffen zu den Sachthemen und zu bereits aktiven Politikerinnen als Vorbilder. Frauen-Netzwerk und Austauschformate vor Ort sind wesentlich für die Mobilisierung von mehr Frauen für die Kommunalpolitik. Gleiches gilt für überparteiliche Mentoring-Programme.
Nicht ohne den die ländlichen Räume
Ein wichtiges Signal ging schon von Magdeburg aus, bevor der Frauenkongress offiziell gestartet war: Am Vorabend zum Frauenkongress fand nach politisch-satirischen Kabarett in der Magdeburger Zwickmühle ein „Kamingespräch unter drei“ statt. Eindrücklich erklärte die Wortkünstlerin Jessy James LaFleur auch anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte, wie groß die Bedarfe in den ländlichen Regionen ist. Sie arbeitet mit jungen Menschen in ländlichen Regionen im Osten Deutschlands. Und sie stellt immer wieder fest: Hier suchen junge Mädchen und Frauen nach ihrem Platz in der Welt; hier fehlt es an Angeboten, hier fehlt es an Infrastruktur, hier fehlt es an Netzwerken und Mutmacherinnen. Dies unterstreicht auch die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes, Petra Bentkämper. Die Herausforderungen, die ein Engagement in ländlichen Räumen mit sich bringt, sind mit jenen in Metropolregionen nicht zu vergleichen. Es braucht individuelle Konzepte, individuelle Ansprachen und mehr Angebote – gerade für junge Mädchen und Frauen. Eine zentrale Botschaft aus der Organisation der Landfrauen heraus lässt sich sehr gut auch auf andere gesellschaftliche und politische Bereiche übertragen: LandFrauen sind seit jeher „Brückenbauerinnen“ in vielen Bereichen und sie verkörpern Power – ohne dabei Männer auszuklammern“, unterstreicht Petra Bentkämper.
Ausblick
„Kommunalpolitik ist die Königsdisziplin“ ist so etwas wie ein Mantra der Pattensener Bürgermeisterin Ramona Schumann: „Kommunalpolitik ist das Fundament unserer Demokratie und der Ort, an dem Bürgerinnen und Bürger unmittelbar erleben können, wie politische Entscheidungen ihr tägliches Leben beeinflussen und wo sie selber Politik gestalten und prägen“, unterstreicht Schumann in ihrer Funktion Vorsitzende des Arbeitskreis Frauen in Kommunen und Kommunalpolitik beim 3. Frauenkongress kommunal des DStGB in Magdeburg. Die Bürgermeisterin gehört eindeutig zu den Motivatorinnen und Mutmacherinnen: „Frauen sollten ihre Fähigkeiten selbstbewusst in alle Bereiche einbringen – ob in der Verwaltung, in der Stadtplanung oder in der Finanzpolitik. Nur so können wir für eine Politik sorgen, die die Lebensbereiche aller Menschen unserer Gemeinschaft stärkt und zukunftsfähig macht.“ Matthiesen-Kreuder spitzt noch stärker zu: „Die Zukunft unserer Demokratie hängt davon ab, ob wir es schaffen, Frauen und Männer gleichermaßen an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen.“
Es bleibt viel zu tun. Ein nächster Frauenkongress kommunal ist für das Jahr 2026 geplant. In der Zwischenzeit – so hat es Lisa Paus in ihrer digitalen Videobotschaft angekündigt – setzt das BMFSFJ ihr Engagement zur Stärkung von Frauen in Kommunalpolitik fort unter dem Titel ‚Frauen.Vielfalt.Politik. – Demokratie vor Ort gestalten‘. „Denn es geht um nichts weniger als um unsere Demokratie,“ so die Bundesministerin. Die kommunalen Spitzenverbände sollen auch wieder an Bord sein. Wir freuen uns drauf. Aber auch das reicht nicht aus. Nicht nur, aber besonders in Zeiten, in denen demokratischen Grundwerte vielerorts in Frage gestellt werden, gilt es eine geschlechtergerechte Politik als Stütze der Demokratie zu fördern und zu fordern. Dabei braucht es die Unterstützung aller Demokratinnen und Demokraten, im Bund, in den Länder, in Städten und ländlichen Regionen.