Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Kommunen, von regionalen Zeitungen, sowie Pressesprecherinnen und Pressesprecher aus Städten und Gemeinden nahmen an der Veranstaltung teil. Ziel war es, sich mit den Problemen und Herausforderungen, aber auch den Aufgaben und der Bedeutung des Journalismus, insbesondere auf lokaler Ebene auseinanderzusetzen und einen Ausblick in dessen Zukunft zu wagen.
Jürgen Leindecker, Vorstand der Freiherr von Stein-Akademie und ehemaligen Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalts, stellte bereits bei der Begrüßung der rund 60 Gäste fest: „Ein aufgeweckter Lokaljournalismus ist das, Salz in der Suppe‘ einer lebendigen Kommunalpolitik und trägt wesentlich zum bürgerschaftlichen Engagement bei.“ Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des DStGB, betonte die über lange Zeit geübte konstruktive Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und Lokaljournalismus.
Publizistik muss rentabel sein
Zu den derzeitigen Entwicklungen in der Medienlandschaft und der Zukunft des lokalen Journalismus sprach Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei und Minister für Bundes und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen. Liminski warnte, dass aufgrund der zahlreichen Krisen viele Menschen nicht mehr aktiv die Nachrichtenlage verfolgen würden und es dem Journalismus so nicht mehr gelingen könne, Veränderungen einzuordnen und zu erklären. Um mit dieser Herausforderung umgehen zu können, sei Medienpolitik, die lediglich gute Rahmenbedingungen schaffe, nicht mehr ausreichend. Vielmehr müsse man auch präventiv die Nachrichten- und Informationskompetenz der Bevölkerung stärken und gleichzeitig entschlossen gegen Desinformationen vorgehen. So habe man beispielsweise mit dem Digital-Check NRW eine Plattform geschaffen, bei der jeder selbst zu Hause diesbezüglich seine Kompetenzen testen könne und die bei entsprechendem Handlungsbedarf passgenau Angebote vermittele. Darüber hinaus erkannte der Minister die finanziell schwierige Situation der Verlage an und hob hervor, dass Publizistik rentabel sein müsse, da wirtschaftliche Unabhängigkeit auch zu publizistischer Unabhängigkeit führe. Um die Medienvielfalt zu fördern, müsse man also unter anderem dafür sorgen, dass möglichst viel Geld in den Verlagen bliebe. Gleichzeitig müsse es leichter werden, deren Gemeinnützigkeit anerkennen zu lassen. Darüber hinaus forderte der Minister für Medien eine transparente Presseförderung, die staatsfern, befristet und degressiv ausgestaltet sein solle, um die Verlage in ihrem Transformationsprozess zu unterstützen.
KI ersetzt keine Reporter
Aufgrund sinkender Auflagen und steigender Kosten bei Druckerzeugnissen forderte auch Andreas Baumann, Leiter der Lokalredaktion Bonn beim General-Anzeiger, eine staatliche Presseförderung für Lokalzeitungen. Diese würden doch für Information und Meinungsbildung in der Bevölkerung sorgen und somit eine Wächterfunktion erfüllen, stellte Baumann fest. Dabei sei die Zukunft der Lokalzeitung digital, “ohne dass wir traditionelle Printleser vernachlässigen dürfen”, sagte er in seinem Vortrag. Zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz sagte der Lokaljournalist: “KI ersetzt keine Reporter. Google recherchiert nicht auf dem Marktplatz. Journalistische Qualität ist nicht nur, aber auch eine Frage der Kopfzahl in den Redaktionen.“ Im digitalen Sturm der Halbwahrheiten und Lügen, sei Glaubwürdigkeit das wichtigste Gut der Journalisten, so sein abschließendes Fazit.
Reporter vor Ort unterwegs
Ina Kiesewetter, Leiterin der WDR-Landesstudios Düsseldorf/Wuppertal, beschäftigte sich anschließend mit der gerade laufenden Transformation der WDR-Lokalzeit ins Digitale. So wäre es die Aufgabe der 11 WDR-Landesstudios, für Bilder und O-Töne zu den Geschichten aus der Region zu sorgen. Dabei sei besonders wichtig, dass die Reporter viel vor Ort unterwegs seien, um Nähe zu den Menschen herstellen und Vertrauen aufbauen zu können. Neu sei nun, dass sich, in enger Absprache mit den Landesstudios, ein spezialisiertes Digitalteam ausschließlich darum kümmere, Formate für das Internet und die sozialen Medien zu produzieren. Gleichzeitig sei es wichtig die sehr erfolgreichen linearen Ausspielwege weiterhin in hoher Qualität zu bedienen, so Kiesewetter.
Lokaljournalismus gewinnt an Bedeutung
Volker Groß, Chefredakteur beim Radio Bonn/Rhein-Sieg und langjähriger Moderator, betonte die Bedeutung des Lokalradios in seinem Vortrag. Es stärke durch die Berichterstattung über lokale Geschichte und Kultur das Zusammengehörigkeitsgefühl. “In den Straßen unserer Städte und Gemeinden entfaltet sich das wahre Herz der Nachrichten – Lokaljournalismus hält diesen Puls am Leben”, so Groß. Der Chefredakteur hielt darüber hinaus fest: „In einer Zeit, in der Nachrichtflüsse überwältigend sein können, bietet Lokaljournalismus Orientierung, Verlässlichkeit und den dringend benötigten menschlichen Ton.“ Das Lokalradio gäbe den Menschen so auch eine Plattform um ihre Anliegen, Ideen und Meinungen auszudrücken. „Während die Welt globaler wird, gewinnt der Lokaljournalismus an Bedeutung, um das Vertrauen in unserer unmittelbaren Umgebung aufzubauen und aufrechtzuerhalten“.
Zugeschnittenes Angebot wird erwartet
Auch die Journalistin Helene Pawlitzki hob die Bedeutung des Persönlichen im Journalismus hervor: "Wenn die KI-Revolution kommt, wird der menschliche Faktor das sein, was den Journalismus rettet. Und zufällig sind wir im Lokaljournalismus ganz weit vorne, was Nähe, Wärme und Haltung angeht." Dies unterstrich die Podcast-Verantwortliche der Rheinischen Post mit einem Beispiel aus ihrer Berufspraxis: “Was die Menschen an unserem Düsseldorf-Podcast schätzen, ist, dass sie dort die Menschen hinter den Berichterstattern kennenlernen können. Heimat ist etwas Persönliches, Emotionales. Die Berichterstattung sollte es auch sein." Pawlitzki hob anschließend hervor, dass sich jeder Mensch für die Dinge vor seiner Haustür interessiere. "Auch Menschen, die keine Lokalzeitung abonniert haben, wollen Lokal-Journalismus. Unbedingt sogar. Aber sie erwarten ein sehr viel deutlicher auf sie zugeschnittenes Angebot, als das früher Usus war.", zeigte sie sich überzeugt. Dabei würden die Reaktionen oftmals bereits die richtigen Inhalte produzieren, diese jedoch nur unzureichend an die jeweiligen Zielgruppen kommunizieren.
Aufgabe breite Öffentlichkeit herzustellen
Dr. Leif Kramp, vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung, der Universität Bremen, kritisierte, dass insbesondere die lokalen Medien kaum über eine ausgeprägte digitale Resilienz verfügen würden, was zu einem großen Transformationsdruck und einer steigenden Belastung der Redaktionen führe. „Ein moderner Journalismus wird das Selbstgespräch der Gesellschaft mit viel Aufwand, Offenheit und unermüdlicher Bereitschaft zum Diskurs moderieren und es weder leichtfertig noch resigniert dem Orkus geschlossener Foren, Gruppen und Kanäle auf digitalen Plattformen überlassen. Dies geschieht leider viel zu häufig“, so der Medienwissenschaftler. Zudem würde ein moderner Journalismus “den gesellschaftlichen Dialog nicht enden lassen, indem dieser für Reichweitenziele aufgeheizt wird. Er wird es sich zur Aufgabe machen, eine breite Öffentlichkeit herzustellen, in der über Deutungen, Mittel und Wege gestritten wird, aber die Fronten nicht verhärten“, hob Kramp hervor. Weiter mahnte Kramp, der auch Gründungsvorstand des Vereins für Medien- und Journalismuskritik e.V. ist, an, dass die Zusammenarbeitskultur bei vielen Lokalmedien nicht sehr ausgeprägt sei und es flexiblere Arbeitsprozesse, sowie einer vollständigen Gemeinwohlorientierung bedürfe, um die Erwartungen der Mediennutzenden zu erfüllen.
Journalismus in einer funktionierenden Demokratie
„Mehr Wahrheit wagen – warum die Demokratie einen starken Journalismus braucht“, lautete der Titel des Vortrages von Professorin Dr. Alexandra Borchardt. Sie zeigte darin, welche wichtige Rolle dem Journalismus in einer funktionierenden Demokratie zu kommt. Dabei hob sie explizit den Zusammenhang zwischen einem aktiven Lokaljournalismus und politischer Partizipation hervor. „Wo es unabhängigen Lokaljournalismus gibt, gehen mehr Menschen zur Wahl, es kandidieren mehr für politische Ämter, Gemeindefinanzen werden besser gemanagt“, so die Wissenschaftlerin.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass während der Tagung ein Konsens über die herausragende Bedeutung des Lokaljournalismus für die lokale Demokratie und eine aktive Bürgergesellschaft bestand. Nur wo Nachrichten über das Geschehen vor Ort verfügbar sind und die Dinge eingeordnet werden, kann sich auch gesellschaftliches Engagement entfalten. Dennoch wurde klar, dass der Lokaljournalismus in seiner althergebrachten Form in einer existenziellen Krise ist. Mit Blick auf die zwingend notwendige Transformation in die digitale Welt ist daher eine befristete wirtschaftliche Unterstützung der Verlage sinnvoll und notwendig. Einigkeit bestand allerdings auch darüber, dass mögliche finanzielle Hilfen transparent und an klare Kriterien gebunden erfolgen müssen und es keinerlei Einfluss auf redaktionelle Inhalte geben darf. Um den Lokaljournalismus als einen wesentlichen Baustein der lokalen Demokratie zu stärken sei nun allerdings rasches Handeln erforderlich.
Das Programm der Veranstaltung kann hier als PDF-Dokument heruntergeladen werden.