Sehr geehrte Damen und Herren,
die Herausforderungen, mit denen die Forstwirtschaft in der Praxis konfrontiert ist, sind in den vergangenen Jahren größer und vielfältiger geworden. Die durch Extremwetterereignisse verursachten Schäden zwischen 2018 und 2020 belaufen sich laut einer Umfrage des Deutschen Forstwirtschaftsrates auf etwa 13 Milliarden Euro und haben in vielen Forstbetrieben zu einer schwierigen Liquiditätslage geführt.
Gleichzeitig hat der Mikrokosmos „Wald“ vor dem realen Hintergrund der Klimakrise für verschiedene gesellschaftliche Gruppen zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist mit den unterschiedlichsten Motiven und Erwartungshaltungen aufgeladen worden. Diese sind vielfach ideologisch getrieben und oft entgegengesetzt zu den evidenzbasierten Grundlagen der Forstwissenschaft, die das Ökosystem Wald in anerkannter Weise seit Jahrhunderten nachhaltig schützt und bewirtschaftet.
In den vergangenen Jahren hat eine Verschiebung des Bevölkerungszuwachses hin zu urbanen Zentren stattgefunden. Das hat zur Folge, dass nachfolgende Generationen in ländlichen Gebieten oft keine lebendige Infrastruktur mehr vorfinden. Auch der demografische Wandel hat dazu geführt, dass einige Regionen überaltern und kaum mehr wirtschaftliches Wachstum stattfindet. Insgesamt hat sich die Gesellschaft immer weiter von ländlichen Räumen entfernt, die jedoch Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten wie dem schnell nachwachsenden, klimafreundlichen Rohstoff Holz sind. Damit ländliche Räume nicht ausbluten, ist die Politik auf der Basis unseres Grundgesetzes verpflichtet, den Menschen gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu garantieren, dazu zählt auch der Zugang zu wirtschaftlicher Teilhabe und Arbeitsplätzen.
Die Forstwirtschaft, die mit einem jährlichen Gesamtumsatz aus Forst- und nachgelagerter Industrie von etwa 180 Milliarden Euro einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen und wichtigen Arbeitgeber gerade in ländlichen Regionen darstellt, ist heute sowohl national als auch international deutlich stärker im Fokus: Einerseits gilt der Wald als Schlüsselfaktor für die Reduzierung von CO2-Emissionen, weshalb die Expertise der Forstwirtschaft dringender denn je benötigt wird. Andererseits steht vor dem Hintergrund gravierender Nutzungseinschränkungen die Fortwirtschaft vor möglichen Szenarien, die wir im Moment noch nicht vollständig absehen können.
Die Herausforderungen für die Zukunft sind demzufolge groß. Das spiegelt sich auch in der politischen Interessenvertretung wider: Die Zahl der Akteure vor allem in der Umweltpolitik hat in der Vergangenheit deutlich zugenommen und es ist zu Verschiebungen von Kompetenzbereichen gekommen.
Auch die EU nimmt sich immer mehr des Themas Wald an, obwohl es formal keine gemeinsame Europäische Forstpolitik gibt: Mit den aktuellen Klimabeschlüssen – dem sogenannten Fit for 55-Paket sowie der LULUCF-Verordnung wird die sinnvolle Bewirtschaftung von Wald zur Nutzung des klimafreundlichen und nachwachsenden Rohstoffs Holz stark eingeschränkt.
Eine gemeinsame länderübergreifende Strategie für eine europäische Forstpolitik gibt es bislang nicht, dabei ist es dringend notwendig, dass wir in Europa mit einer forstpolitischen Stimme sprechen. Auch wenn die Interessenlage durch unterschiedliche Anteile an Waldflächen in den einzelnen EU-Staaten variiert, müssen wir unsere Anliegen konsentieren und frühzeitig in die politischen Entscheidungsprozesse einbringen, um für unsere Interessen zu werben.
Bevor wir die Politik kritisieren, muss das Cluster „Forst und Holz“ eine Gesamtstrategie formulieren und den Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft vorlegen. Einen unmelodischen, vielstimmigen Chor braucht niemand – er schadet der Forstwirtschaft und dem Klima.
Deshalb muss der Deutsche Forstwirtschaftsrat im Konzert mit den anderen EU-Ländern an gute Rahmenbedingungen für die Forstwirtschaft appellieren. Der DFWR vertritt in Deutschland rund zwei Millionen öffentliche und private Waldbesitzer und bündelt somit die Interessen unterschiedlicher Betriebswirtschaftsformen. Wir müssen in Deutschland unsere Anstrengungen verbessern, um die Positionen der gesamten Branche klar zum Ausdruck zu bringen. Dazu müssen Strukturen beim Deutschen Forstwirtschaftsrat für die Interaktion mit der EU-Administration geschaffen werden, damit wir handlungsfähig und schlagkräftig unsere Interessen in Brüssel vertreten können.
Es gilt, den hohen Nutzen und die Bedeutung der Forstwirtschaft für einen Flächenanteil von rund 30 Prozent der gesamten Bundesrepublik den politisch Verantwortlichen gegenüber national sowie EU-weit immer wieder darzulegen, Zusammenhänge zum Klimaschutz zu erklären und somit den Blick für die Interessen der Forstwirtschaft zu schärfen. Zudem ist die gesamte deutsche Forstwirtschaft ein wichtiges Bindeglied für eine nachhaltige Umweltpolitik, da Waldbewirtschaftung und Holzverwendung die Treibhausgasbilanz Deutschlands zurzeit um bis zu 14 Prozent verbessern.
Die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 gelingt der EU nur gemeinsam mit der Forstwirtschaft. Alle Waldbesitzarten müssen für die Erbringung von Ökosystemleistungen honoriert werden. Bislang werden diese wichtigen Leistungen für die Gesellschaft unentgeltlich durchgeführt. Dazu ist es notwendig, dass die forst- und holzwirtschaftliche Forschung massiv verbessert und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet wird.
Zudem muss Holz als wichtiger nachwachsender Rohstoff anerkannt werden beispielsweise durch eine Mindest-Holzbauquote – dabei haben die Kommunen eine wichtige Vorbildfunktion. Kleinst-Förderprogramme wie die regulativen De minimis-Beihilfen aus Brüssel helfen den Kommunalwäldern allerdings nicht bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Hier müssen wir andere Hebel ansetzen und eine gemeinsame forstpolitische Gesamtstrategie festlegen, die durch den Deutschen Forstwirtschaftsrat in Brüssel vertreten wird. So werden wir als starke politische Stimme wahrgenommen, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben.
Georg Schirmbeck
Präsident Deutscher Forstwirtschaftsrat (DFWR) e.V.