Mehr als die Hälfte der Fichtenwälder im Kommunalwald in Nordrhein-Westfalen sind durch Sturm, Borkenkäfer, Hitze und Dürre zerstört. Insgesamt sind von diesen 250.000 Hektar Fichtenwäldern bereits 135.0000 Hektar und somit nahezu 60 Prozent des Fichtenvorrates im Staats-, Privat- und Kommunalwald verloren. Die kommunalen Forstbetriebe stehen vor der Frage, wie der Wiederaufbau gelingen kann und welche Ziele dabei zu verfolgen sind. „Die waldbesitzenden Kommunen fordern mehr Spielraum für eigenständige Lösungen. Was dem einem sein Wildnisgebiet für den Artenschutz ist, das kann dem anderen ein Standort für Windkraft oder fremdländische Baumarten sein. Für die Vielzahl der kommunalen Wälder – vom urbanen Erholungswald bis hin zu den ländlich geprägten Wirtschaftswäldern – brauchen wir Gestaltungsfreiheit statt immer mehr Gesetze, Verordnungen und Vorschriften, die die nachhaltige Forstwirtschaft einschränken, das Holzangebot dauerhaft verknappen und die heimische Holzverwendung erschweren“, so der Vorsitzende Bürgermeister Christoph Ewers (Burbach) und der Geschäftsführer Dr. Gerd Landsberg (Troisdorf) des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW.
Für die kommunalen Forstbetriebe, denen nicht nur die Nutzung, sondern auch der Schutz der Wälder ganz besonders am Herzen liegt, sind folgende Themenfelder von besonderer Bedeutung:
1. Antworten auf globale Krisen – Rückbesinnung auf den Wald als nationale Rohstoff- und Energieressource.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat den Handlungsdruck verstärkt, noch schneller unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Vor diesem Hintergrund muss der Beitrag von Wald und Holz für eine nachhaltige Energie- und Rohstoffversorgung neu fokussiert werden. Die Tatsachen, dass Holz bei anhaltend starker Nachfrage zum knappen Gut wird und Nullnutzungen großer Waldflächen gefordert werden, passen nicht zusammen. Zwingend erforderlich sind Folgenabschätzungen über die Auswirkungen von einem Einschlagsstopp in alten Buchenwäldern, Einschlagsmoratorien und einer Extensivierung der Laubholznutzung auf die Wirtschaft, die Rohstoffversorgung und die Klimabilanz.
Auch müssen die Bedürfnisse der Menschen in ländlichen Räumen beachtet werden: Kein Verbot der Brennholznutzung – gerade in Zeiten von Energieknappheit. Rundholz und Sperrholz, Bauholz und Furniere, aber auch Pellets und Brennholz müssen auch zukünftig aus den Kommunalwäldern gewonnen werden können.
2. Mehr Tempo für Windkraft auf Kalamitätsflächen
Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Öffnung aller Kalamitätsflächen und beschädigter Forstflächen für die Windenergie ist ein auch vom Gemeindewaldbesitzerverband geforderter Schritt, um die Energie- und Klimaschutzziele in NRW zu erreichen. Gleichzeitig werden damit für die Waldbesitzenden wichtige temporäre Einkommensmöglichkeiten geschaffen, die für die Wiederbewaldung der zerstörten Fichtenwälder und den Umbau der Wälder in klimaresilientere Bestände dringend benötigt werden. Um mindestens 1.000 neue Anlagen in den nächsten fünf Jahren zu bauen, braucht es jedoch mehr Tempo und weniger Bürokratie. Die angekündigte stärkere Einbindung der Bezirksregierungen in die Planungs- und Genehmigungsverfahren darf nicht zur Beschneidung der kommunalen Kompetenzen führen. Die Kommunen sollten selbst im Sinne und im Namen ihrer Bürgerschaft entscheiden können. Vertragsmodelle zur finanziellen Beteiligung und Partizipation der Bürgerschaft vor Ort tragen vielfach dazu bei, die Akzeptanz vor Ort zu steigern (s. auch Punkt 5).
3. Waldpakt 2.0
Der Gemeindewaldbesitzerverband begrüßt und unterstützt die Fortführung eines Dialogprozesses mit der neuen Landesregierung und den Verbänden in Form eines „Waldpaktes 2.0“. Ziel ist es, einen möglichst großen Konsens hinsichtlich der Ausrichtung der Forstpolitik in NRW zu erzielen.
Einmalig in Deutschland wurde der „Waldpakt NRW“ am 10. Dezember 2019 von der damaligen Landesregierung gemeinsam mit Verbänden aus Forst- und Holzwirtschaft, Naturschutz und den Berufsvertretungen unterzeichnet. Das Dokument enthält Maßnahmenpakete zur Bewältigung der aktuellen Waldschäden und zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Vereinbart wurden zudem umwelt- und baupolitische Initiativen zur Förderung der nachhaltigen Holznutzung und zur weiteren Honorierung der Klimaschutzleistungen des Waldes. Die Verbände befürchten, dass durch die von der neuen Landesregierung beschlossenen Trennung der Zuständigkeiten – die Land- und Forstwirtschaft, Holzproduktion und Jagd an das Landwirtschaftsministerium sowie den Arten- und Naturschutz an das Umweltministerium – die Ziele des „Waldpaktes NRW“ nicht erreicht werden. Zukunftsfähige und ganzheitliche Ansätze würden erschwert, weil bewährte Strukturen, die für einen hohen Naturschutzstandard im Wald in ganz NRW stehen, aufgelöst werden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen und Ereignisse (Wald im Klimawandel, Borkenkäferkalamitäten, Hitze, Dürre, Artensterben, Corona-Pandemie, der Russland-Krieg gegen die Ukraine, Rohstoffknappheit, Mangel an Bauholz, Explosion der Brennholzpreise, Lieferengpässe, Inflation) haben sich die Vorzeichen seit 2019 verändert und die Verbände wollen den „alten“ Waldpakt den neuen Herausforderungen anpassen.
4. Honorierung der Klima- und Ökosystemleistungen der Wälder auch für Kommunen schnellstmöglich umsetzen
Die vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes – vom Klimaschutz über Kohlenstoffspeicher, Luftqualität, Wasserverfügbarkeit, Biodiversität, Erholung und vieles mehr – sind keine selbstverständliche Bringschuld der Eigentümer. Die in der Forstwirtschaft erzielbaren Erlöse werden die Kosten für die Erbringung dieser Leistungen nicht mehr dauerhaft decken können. Dies gilt insbesondere nach dem flächenhaften Verlust des „Brotbaumes“ Fichte. Daher müssen alle Ökosystemleistungen vergütet, die Förderpolitik entbürokratisiert und flexibilisiert werden.
5. Prinzip kommunaler Selbstbestimmung
Kommunalwald ist Bürgerwald. Waldbesitzende Städte und Gemeinden lehnen eine Bevormundung in der Waldbewirtschaftung ab. Sie setzen vielmehr auf eine gestaltende Waldpolitik vor Ort, die die Ansprüche von Bürgerinnen und Bürgern, Forst- und Holzwirtschaft sowie Naturschutz klug miteinander verbindet.
„Es wird kein einfaches Unterfangen sein, die verschiedenen Anspruchserwartungen an den Wald in eine vernünftige Balance zu bringen. Dies kann gelingen, wenn bei unseren Bürgerinnen und Bürgern und auch in der Politik endlich wieder ein Gefühl dafür entsteht, dass in unseren Wäldern hohe Werte wachsen, deren Nutzung zur Wertschöpfung beiträgt und gleichzeitig Klimaschutz, Naturschutz, Biodiversität und die Bevölkerung davon profitieren. Dazu müssen alle Akteure aufeinander zugehen und sich auch auf Kurskorrekturen einlassen“, so Ewers und Landsberg.
Gemeindewaldbesitzerverband NRW: Sprachrohr der kommunalen Waldbesitzerfamilie
Der Gemeindewaldbesitzerverband NRW ist das Sprachrohr der kommunalen Waldbesitzerfamilie. Im Verband sind mit 141 Mitgliedern nahezu alle waldbesitzenden Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen organisiert. Dazu zählt die kleinste Gemeinde Nordrhein-Westfalens, Dahlem in der Eifel, und der größte kommunale Waldbesitzer Deutschlands, die Stadt Brilon, der Landesverband Lippe, der RVR Ruhr Grün, viele kleinere und mittlere Gemeinden in den ländlichen Regionen und auch große Städte wie Köln, Düsseldorf und die Bundesstadt Bonn.