Kommunale Abfallwirtschaft

BVerwG: Kommunale Verpackungssteuer rechtmäßig

Die Betreiberin einer McDonald’s Filiale in Tübingen hatte - unterstützt vom Konzern - gegen die kommunale Verpackungssteuersatzung geklagt. Seit Anfang 2022 werden in Tübingen je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck fällig, höchstens aber 1,50 Euro pro "Einzelmahlzeit". Neben mehr Geld für den städtischen Haushalt will die Stadt mit der Steuer für weniger Müll im öffentlichen Raum sowie für mehr Anreize zur Verwendung von Mehrwegsystemen sorgen. Zahlen müssen die Verkäufer der Speisen und Getränke - nach Angaben der Stadt rund 440 Betriebe in Tübingen. Wegen des laufenden Rechtsstreits wurden bisher aber noch keine Steuern eingezogen.

Der erstinstanzliche Normenkontrollantrag gegen die Satzung hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Erfolg. Der VGH erklärte die Satzung insgesamt für unwirksam und begründete dies mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer, ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht sowie der mangelnden Vollzugstauglichkeit der Obergrenze der Besteuerung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die kommunale Steuer nun für überwiegend rechtmäßig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig war. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als „take-away“, verkauften Speisen und Getränken ist der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfindet. Damit ist der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.

Die kommunale Verpackungssteuer steht als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezweckt die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolgt damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber.

Die Abfallvermeidung steht in der Abfallhierarchie an oberster Stelle. Erst danach folgen Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuern,

werden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Soweit das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren seine gegenteilige Ansicht zur damaligen Kasseler Verpackungssteuer auf ein abfallrechtliches „Kooperationsprinzip“ gestützt hat, lässt sich ein solches dem heutigen Abfallrecht nur noch in - hier nicht maßgeblichen - Ansätzen entnehmen.

Zwar erweisen sich die zu unbestimmte Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro pro "Einzelmahlzeit“ (§ 4 Abs. 2 der Satzung) und das der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht (§ 8 der Satzung) als rechtswidrig. Diese punktuellen Verstöße lassen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt.

Anmerkung des DStGB

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Städte und Gemeinden grundsätzlich eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen erheben können, um unnötigen Abfall zu vermeiden und u.a. einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Die Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund des gemeindlichen Steuerfindungsrechts als Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung zu begrüßen.

Nach Angaben der Stadt Tübingen habe die Verpackungssteuer dazu geführt, dass das Müllaufkommen abgenommen habe. Ein „Allheilmittel“ ist eine solche Verpackungssteuer gleichwohl nicht, sie kann immer nur ein ergänzendes lokales Instrument zu einem Abfallvermeidungskonzept sein. Jede Gemeinde muss dabei auch abwägen, ob die Erhebung einer solchen Steuer wirklich den zusätzlichen Verwaltungsaufwand rechtfertigt und ob das Ziel der Abfallvermeidung nicht anderweitig besser erreicht werden kann. Auch gilt es zu bedenken, dass einzelne kommunale Sonderwege zu einem Flickenteppich führen und die Verbraucherinnen und Verbraucher verwirren könnten, wodurch die Akzeptanz vor Ort sinken könnte.

Insofern erscheint in Bezug auf die Abfallvermeidung ein bundesweit einheitlicher Ansatz sinnvoller. Dazu gilt es zunächst, die praktischen Auswirkungen des novellierten Verpackungsgesetzes des Bundes abzuwarten. Seit Januar 2023 sind Letztvertreiber von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und von Einweggetränkebechern verpflichtet, die in diesen Einwegverpackungen angebotenen Waren am Ort des Inverkehrbringens jeweils auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anzubieten. Zwar zeigen erste Kontrollen, dass die Vorgaben der sog. Mehrwegangebotspflicht nicht flächendeckend eingehalten werden. Aus diesem Grund ist zunächst die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollieren, sodass die Verbraucherinnen und Verbraucher eigenständig auf Mehrwegangebote zurückgreifen. Zudem werden in den kommenden Jahren die Regelungen des Einwegkunststofffondsgesetzes in Kraft treten, wonach die Hersteller von Einwegkunststoffverpackungen gezielt an den Kosten der kommunalen Stadtreinigung beteiligt werden. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten der Hersteller werden voraussichtlich mittelbar an die Verbraucherinnen und Verbraucher umverteilt, so-dass eine zusätzliche Verpackungssteuer zu einer Doppelbelastung führen würde.

 

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