Steckbrief:
Name der Kommune: Landesverband Lippe
Lage: NRW
Projekt: „Erhalt bzw. Steigerung der nachhaltigen Holzproduktion unter Nutzung ausgewählter Baumarten aus anderen biogeografischen Regionen“
Stand der Umsetzung: 2020 abgeschlossen, aber die Betreuung und forstwissenschaftliche Begleitung läuft weiter
Ansprechpartner: Susanne Hoffmann, s.hoffmann@landesverband-lippe.de, Tel. 05234-206820
Website: www.Landesverband-Lippe.de
Stürme, Dürresommer und Borkenkäferkalamitäten haben dazu geführt, dass die Wälder in Deutschland seit drei Jahren ganz besonders stark leiden: Fichten sind in vielen Regionen einem „Massensterben“ zum Opfer gefallen, Laubbäume zeigen Stresssymptome, Kahlflächen prägen an vielen Stellen die Waldbilder. Aufforstungen stehen jetzt bei jedem Waldbesitzer an – doch mit welchen Baumarten sollen die Wälder von Morgen begründet werden? Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW (Münster) und der Landesverband Lippe (Lemgo) wollen Antworten auf genau diese Frage finden – mit dem Forschungsprojekt „Erhalt bzw. Steigerung der nachhaltigen Holzproduktion unter Nutzung ausgewählter Baumarten aus anderen biogeografischen Regionen“. Die gewonnenen Daten sollen auch anderen Waldbesitzern zugänglich gemacht werden.
Den wesentlichen Impuls zu dem Projekt hatte der Bundeswaldbeauftragte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Cajus Caesar, gegeben. Caesar, selbst von Hause aus Förster, engagiert sich seit vielen Jahren intensiv für innovative Ansätze in der Forstwirtschaft, die helfen, dem Klimawandel zu begegnen. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW und der Landesverband Lippe nahmen seine Anregung auf: Gemeinsam kamen sie überein, Versuchsflächen mit Baumarten aus anderen biogeografischen Regionen anzulegen, um Erfahrungen zu sammeln. Gestartet wurde das auf rund dreieinhalb Jahre angelegte Forschungsprojekt mit einem Kostenvolumen von 1,15 Mio. Euro im Juli 2017. Es wurde zu 100% aus Fördergeldern des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finanziert, bewilligt wurden die Gelder über die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR), der großer Dank für die Unterstützung gebührt.
Zum Zeitpunkt des Projektbeginns – im Sommer 2017 – gingen beide Forstbetriebe davon aus, dass an zahlreichen Standorten in ihren Wäldern, für die aufgrund des Klimawandels eine Erwärmung und eine Zunahme an Niederschlägen prognostiziert werden, traditionelle Baumarten wie Buche oder Fichte an ihre Grenzen kommen. Mit dem Anbau ausgewählter Baumarten aus anderen biogeografischen Regionen wollten sie testen, ob die nachhaltige Holzproduktion in ihren Regionen mittel- und langfristig sichergestellt werden kann. Die Dürresommer ab 2018 wirkten sich wegen der schwierigen Rahmenbedingungen auf den Versuch realitätsnah aus: Es ist zu erwarten, dass die Fichte mittelfristig aus den Waldregionen Nordrhein-Westfalens verschwindet, die Buche zeigt Stresssymptome aufgrund von Wassermangel und Hitze. Auch deshalb sind die Forstpraktiker und Waldbesitzer gehalten, neue Wege zu beschreiten.
Beide Partner haben im Juli 2017 in drei Waldgebieten insgesamt 27 Hektar umfassende Versuchsflächen in Nordrhein-Westfalen angelegt. Zwei Waldgebiete befinden sich im Kreis Lippe – auf dem Kirchberg bei Kalletal-Varenholz und im Leistruper Wald bei Detmold –, das dritte ist im Hochsauerlandkreis, in einem Waldareal bei Arnsberg verortet. In den drei Waldgebieten wurden Flächen mit elf Baumarten aus Südosteuropa und Nordwestamerika angepflanzt: sieben Nadelholzarten – Atlaszeder, Araukarie, Küstentanne, Sicheltanne, Westliche Hemlocktanne, Küstenmammutbaum und Gebirgsmammutbaum –, sowie vier Laubholzarten – Baumhasel, Platane, Orientbuche und Edelkastanie. Der Versuchsanbau wurde unter Praxisbedingungen realisiert, das heißt: die elf Baumarten wurden in größeren Beständen und in Mischung mit Rotbuche gepflanzt.
Warum wurden diese gewählt? Das Holz des Küstenmammutbaums z. B. ist eines der wertvollsten und dauerhaftesten Nutzhölzer auf dem Weltmarkt. Die ebenfalls in Nordamerika heimische Küstentanne hat sich in bisherigen Anbauten als sehr zuwachsstark auch auf trockeneren Standorten erwiesen und auch der heimische Buchdrucker ist bei dieser Nadelholzart kein Problem: Bei Befall bilden Küstentannen sogenannte Harzblasen, die Käfer sterben ab. Platane und Esskastanie haben sich dagegen schon in Einzel- oder Alleenpflanzungen in Deutschland bewährt, jedoch gibt es noch keine Erkenntnisse, wie sie in Waldbeständen heranwachsen und welche Holzqualität sie dann liefern.
Die Versuchsanbauten sollen mit dazu beitragen, die Frage der Eignung der elf Baumarten als mögliche Alternativen oder Ergänzung zu heimischen Baumarten zu beantworten. Können sie das enge Baumartenspektrum in Deutschland erweitern und helfen, stabile Mischwälder zu sichern? Kann mit ihnen die Produktivität der Wälder erhalten bzw. erhöht werden, um der erwarteten heimischen Holzknappheit entgegenzuwirken?
Aufgabe des aktuellen Forschungsprojekts war, Aussagen zum Anwuchsverhalten dieser Baumarten in der Kulturphase zu treffen. Das Projekt lief Ende 2020 aus, doch die Betreuung und forstwissenschaftliche Begleitung läuft weiter. Mit zunehmenden Alter der Versuchsflächen sollen Folgeuntersuchungen weitere Aussagen zu den Themenbereichen Wuchsdynamik und waldbauliche Eignung dieser Baumarten, Integrierbarkeit in herkömmliche Holzernteverfahren, Prognosen zu erreichbaren Holzqualitäten sowie zum möglichen invasiven Potenzial ermöglichen.
Mit den Versuchspflanzungen sind beide Partner mehr als zufrieden, die Ergebnisse nach drei Jahren sind beeindruckend: Die jungen Bäume sind hervorragend gewachsen. Küstentanne und Gebirgsmammutbaum z. B. haben ein erwartbares Wachstum vorgelegt. Überrascht haben z. B. Hemlocktanne und Esskastanie, die auf den nährstoffarmen, windanfälligen Böden des Kirchbergs im Kalletal heute bis zu vier Meter hoch sind – trotz der Trockenheit in den vergangenen Jahren. Auf den Versuchsflächen wächst eine vollkommen neue Waldgeneration heran.
Für beide Forstbetriebe ist dieser Versuch eine Investition in die Zukunft: Als bedeutende Waldbesitzer in Nordrhein-Westfalen haben sie ein großes Interesse daran, ihre Wälder zu erhalten. Wie unglaublich schwierig das ist, haben die letzten drei Jahre gezeigt. Das Forschungsprojekt hilft ganz konkret, Alternativen zu finden, den Waldbau weiterzuentwickeln – und so die Grundlage für die Wälder von Morgen zu legen.