Am 7. Juni 2021 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Studie „Baustelle zukunftsfähige Infrastruktur - Ansätze zum Abbau nichtmonetärer Investitionshemmnisse bei öffentlichen Infrastrukturvorhaben“ vorgestellt. Im Auftrag der FES haben das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) die nicht-monetären Investitionshemmnisse näher untersucht. Hintergrund ist der enorme Investitionsbedarf. Im vergangenen Jahr, noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie, hatten das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und das IMK für die kommenden zehn Jahre Investitionsbedarfe in Höhe von 457 Mrd. Euro berechnet. Nach den aktuellen Ergebnissen des KfW-Kommunalpanel 2021 beläuft sich allein der kommunale Investitionsrückstand auf 149 Mrd. Euro (siehe auch DStGB Aktuell 1821-06).
Angesichts der immensen öffentlichen Investitionsbedarfe und ihrer Bedeutung für die konjunkturelle Entwicklung wird aktuell intensiv über eine Investitionsoffensive diskutiert. Allerdings stellen bekanntlich nicht nur finanzielle Mittel ein Investitionshindernis dar. Folglich muss eine Investitionsoffensive auch die nicht-monetären Hemmnisse, vor allem:
- Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft
- Personalmangel in der Bauverwaltung,
- Beteiligungsverfahren und Bürgerbegehren,
- Komplexe Genehmigungsverfahren und -standards,
umfassen.
Diese Hemmnisse sind nicht neu und wurden unter anderem auch vom DStGB bereits ausführlich im Jahr 2018 in seinem Diskussionspapier zum Abbau des kommunalen Investitionsrückstandes aufgegriffen. Auch nicht-monetäre Hemmnisse können allerdings einen finanziellen Hintergrund haben. So braucht es beispielsweise für die Bauwirtschaft genauso wie für die Kommunen (finanzielle) Planungssicherheit, um mittel- und langfristig den Kapazitätsaufbau beim Personal vorantreiben zu können. Auch aus diesem Grund braucht es einen zweiten kommunalen Rettungsschirm von Bund und Ländern, der die gemeindlichen Ausfälle bei der Gewerbe- sowie der Einkommensteuer zumindest in diesem und dem kommenden Jahr kompensiert. Auf diesen Konnex haben der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und der DStGB im April diesen Jahres auch in dem gemeinsamen Positionspapier „Kommunale Investitionen als Konjunkturmotor“ aufmerksam gemacht.
Die zentralen Empfehlungen der Autoren der Studie lauten:
- Ausbau der Ausbildungskapazitäten und Flexibilisierung der Gehaltsstrukturen: Um dem Personalmangel in den baurelevanten Verwaltungen der Kommunen zu begegnen, ist eine Ausweitung, Professionalisierung und Vernetzung der landeseigenen und kommunalen Ausbildungskapazitäten – gerade in den technischen Berufen – erforderlich. Zudem müssen die Gehalts- und Tarifstrukturen im öffentlichen Dienst angehoben, flexibler und konkurrenzfähig werden, um hinreichend attraktiv für potenzielle Berufs- und Quereinsteiger zu werden.
- Prüfung von Anpassungsmöglichkeiten zur Ermittlung des kommunalen Stellenbedarfs: Mit Blick auf die wachsenden Aufgaben der Bau- und Stadtplanungsverwaltungen in den Kommunen sowie ihre chronische Unterbesetzung sollte geprüft werden, inwieweit die Regeln zur Stellenbedarfsermittlung modifiziert werden sollten, sodass zusätzliche Planstellen ausgewiesen werden können.
- Stärkung der Mitsprache- und Mitwirkungsrechte von Kommunen im Baugesetzbuch: Es empfiehlt sich eine formal-rechtliche Stärkung der Mitsprache- und Mitwirkungsrechte von Kommunen im Baugesetzbuch. Dabei geht es um die Berücksichtigung von Stadt- und Gemeinderatsbeschlüssen in entsprechenden Planfeststellungsverfahren und die Einbeziehung der kommunalen Planungsämter in Planungsverbünde von Bund und Ländern. So lässt sich die Vermittlerrolle der Kommunen zwischen Bund, Land und privaten Vorhabenträger*innen auf der einen Seite und der jeweiligen Stadtgesellschaft auf der anderen Seite stärken.
- Einführung eines zweistufigen Planfeststellungsverfahrens zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung: Durch eine gesetzliche Novellierung des Baugesetzbuches durch Bund und Länder sollte ein zweistufiges Planfeststellungsverfahren für (öffentliche) Bauvorhaben eingeführt werden, um so eine noch frühzeitigere Öffentlichkeitsbeteiligung zu ermöglichen.
- Bauausführung erst nach Planungsabschluss: Es empfiehlt sich gesetzlich zu verankern, dass eine Bauausführung erst nach dem vollständigen Abschluss des gesamten Planungsprozesses unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilabschnitte und Gewerke beginnen darf. Zeit- und kostenintensive Inkompatibilitäten zwischen bereits errichteten Baubestandteilen und Nachplanungen ließen sich so reduzieren, die notwendige Wiederholung von öffentlichen Beteiligungsverfahren vermeiden.
- Einrichtung einer Kommission zur Kompatibilitätsprüfung von Baustandards: Zur fortlaufenden Überprüfung der Vereinbarkeit gesetzlicher Bau- und Umweltstandards einschließlich des Natur-, Luft-, Emissions- und Brandschutzes empfiehlt sich die Einsetzung einer ständigen und unabhängigen Kommission von Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Teilbau- und Teilrechtsgebieten. Eine entsprechende Kommission könnte bei der Bauministerkonferenz der Länder angesiedelt werden. Unabhängig in der Wahl ihrer Prüfgegenstände könnten die Arbeitsergebnisse der Kommission als Grundlage für die Beratungen der Bauministerkonferenz dienen. Damit würde sich die Hoffnung verbinden, die Steuerungsanforderungen von Bauvorhaben auf kommunaler Ebene perspektivisch durch eine gesetzliche Beseitigung von inkompatiblen Standards zu reduzieren.