Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Börner: Ganz einfach dadurch, dass sich zwei Menschen, die sich nie zuvor gesehen hatten, einander sympathisch fanden. Ich war damals im Jahr 2010 zu Gast in unserer polnischen Partnerstadt Jelcz-Laskowice (Nähe Breslau), um dort die Partnerschaftsurkunde zu unterzeichnen. Jelcz-Laskowice war da schon mit der knapp 6.000 Einwohner zählenden Westukrainischen Stadt Schtschyrez (Nähe Lemberg) befreundet. Während des mehrtägigen Aufenthaltes lud mich mein ukrainischer Amtskollege ein, einmal seine Stadt zu besuchen.
Was genau sind die Ziele der Kooperation?
Börner: Begegnungen im Rahmen von Städtepartnerschaften eröffnen einen Weg zur Völkerverständigung, der sehr einfach zu organisieren ist und zugleich sehr effektiv sein kann. Die ersten Begegnungen dienen meist dem persönlichen Kennenlernen und dem Abbau von Vorurteilen. Die gegenseitige Wertschätzung ist dabei die Grundlage dafür, dass persönliches Vertrauen entsteht. In einem solchen vertrauten Klima entstehen schnell viele gute Ideen für gemeinsame Projekte.
Angesichts der zunehmenden Zahl an Konflikten in und um Europa herum sind Städtepartnerschaften immer auch Friedensmissionen, denn jede Begegnung erregt eine große Aufmerksamkeit im jeweiligen Partnerland. Insofern wünsche ich mir, dass jede Kommune ein bisschen Außenpolitik in diesem Sinne betreibt.
Welche Vorteile ergeben sich für Gudensberg aus der Partnerschaft? Was gewinnt Gudensberg?
Börner: Eine Städtepartnerschaft bietet beiden Partnern Vorteile. Sie bereichern das gesellschaftliche Leben, etwa durch die Beteiligung an Festen. So kommt z. B. jedes Jahr eine Delegation aus unserer polnischen Partnerstadt zum „Schmeckefuchs“, einem regionalen Spezialitätenfest, um Leckereien aus ihrer Heimat anzubieten. Auch Folklore und Musikgruppen sind immer gern gesehen, diesen Austausch möchten wir mit unserer ukrainischen Partnerstadt intensivieren.
Die geistige Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur führt auch dazu, dass sich die eigenen gesellschaftlichen Probleme relativieren. Für uns ist es oft eine neue Erfahrung zu erleben, wieviel Menschlichkeit zurückkommt, wenn man bereit ist, selbst etwas zu geben. Der Gewinn für Gudensberg lässt sich nicht in Geld bemessen. Wir stellen fest, unsere Partnerschaften beeinflussen das Image unserer Stadt positiv.
Wie sieht die Zukunft der Partnerschaft aus? Sind Aktionen in Planung und welche sind das?
Börner: In 2017 ist die Fortsetzung des Jugendaustausches geplant, diesmal in der Ukraine, außerdem eine Vertiefung der Feuerwehrkontakte und ein kommunalpolitischer Erfahrungsaustausch mit Wissenstransfer aus Gudensberg. Bei diesem Projekt geht es um die Beratung beim Aufbau einer zentralen Wasserversorgung und eines Konzeptes zur Abwasserbeseitigung in unserer Partnerstadt. Hilfreich ist dabei die vom Bund angebotene Vollfinanzierung.
Was sagt die Bürgerschaft in Gudensberg zu der Partnerschaft? Wie ist die Resonanz in ihrer Kommune?
Börner: Die Reaktion in der Bevölkerung ist durchweg positiv. Bei den Hilfsaktionen haben sich viele Bürger engagiert. Wir legen großen Wert darauf, dass die Öffentlichkeit über alle Aktivitäten gut informiert wird.
Haben Sie einen „goldenen Tipp“ für andere Kommunen, die sich engagieren wollen?
Börner: Der Zeitpunkt für eine solche Partnerschaft ist günstig. Denn interessierte Kommunen können jetzt auf die personelle und finanzielle Unterstützung der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt“, eingerichtet vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zählen. Über das Schnellstarterpaket Ukraine können sie für ihre Aufwendungen einen 100 %igen Zuschuss erhalten, bis zu 50.000 € pro Jahr. Das sind wirklich hervorragende Rahmenbedingungen.
Was muss ihrer Meinung nach geschehen, um kommunale Entwicklungszusammenarbeit und kommunale Partnerschaften in Deutschland voran zu bringen?
Börner: Völkerverständigung ist die Voraussetzung für ein Leben in Frieden und Freiheit. Unsere Städte und Gemeinden können dabei eine tragende Rolle einnehmen.
Kontakte und Projekte auf kommunaler Ebene sind effektiv, sie beruhen auf viel ehrenamtlichem Engagement der Bürger. Sie sollten ausgebaut und intensiviert werden, gerade in Zeiten, wo die Menschen in Europa immer mehr übereinander statt miteinander reden.
Das Interview führte Jonas Wiggers.
Foto: Rainer Sander