Das Ziel des Onlinezugangsgesetzes (OZG) war klar definiert: Bis zum 31. Dezember 2022 wollte es die deutschen Verwaltungen digitaler machen. Insgesamt ging es um 575 Bündel von Verwaltungsleistungen, die laut OZG online abrufbar werden sollten. Fünf Jahre war Zeit für die digitale Transformation. Doch die Realität sieht anders aus: Das OZG ist gescheitert. Nur in einigen Fällen und zum Teil auch noch regional unterschiedlich ist eine konsequente Digitalisierung gelungen. „Jetzt gilt es, aus den Erfahrungen zu lernen“, sagt Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) auf Nachfrage von #stadtvonmorgen, hinsichtlich einer geplanten Fortschreibung des OZG. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“
Föderalismus versus Digitalisierung
DStGB-Sprecher Handschuh beschäftigt sich nicht nur aus Sicht des kommunalen Spitzenverbands mit Grundsatzfragen der Digitalisierung, sondern ist auch Mitglied im IT-Planungsrat, der die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland koordiniert. Wolle Deutschland den steigenden Ansprüchen von Bürgern und der Wirtschaft an digitale Verwaltungsleistungen gerecht werden, müsse es in Sachen Smart City dringend voranschreiten. Dies sei auch eine Frage der nationalen Standortqualität, unterstreicht Handschuh.
Das Scheitern des OZG offenbare, woran es bei dieser Transformationsaufgabe hake. Es zeige sich, das der Föderalismus der Gestaltung einheitlicher digitaler Prozesse in 16 Bundesländern und in über 10.000 Kommunen bisweilen entgegenstehe. Nicht nur, dass aufgrund unterschiedlicher Gesetzeslagen in den Ländern teils unterschiedliche Rahmenbedingungen für Verwaltungsleistungen herrschen, auch finden sich in den Bereichen unter kommunaler Zuständigkeit bisweilen lokale Spezifika. Umso wichtiger sei es, die Kommunen in die Zielsetzung einzubeziehen, sagt Handschuh. „Wenn die kommunale Ebene die meisten Dinge in der Praxis umsetzt, muss sie stärker berücksichtigt werden“, fordert er. Symptomatisch sei, dass die Kommunen im IT-Planungsrat zwar beratend vertreten sind, vieles der Bund und die Länder aber unter sich ausmachen.
Bei der Digitalisierung priorisieren
Wolle man das OZG fortschreiben, müsse es darum gehen, aus den Digitalisierungserfahrungen der vergangenen Jahre zu lernen, erklärt Handschuh. Konkret meint er eine Priorisierung bei der Aufgabenstellung. 575 Leistungsbündel mit hochkomplexen und lokal zum Teil unterschiedlich ausgeprägten Vorgängen zu digitalisieren, sei ein Unterfangen, das innerhalb der im OZG vorgegebenen Zeit schlicht nicht umsetzbar gewesen sei. Statt dessen müsse es nun darum gehen, den Fokus auf die Digitalisierung von Prozessen zu richten, die in der täglichen Verwaltungspraxis stark nachgefragt sind und die ohnehin kaum lokale Besonderheiten aufweisen.
Exemplarisch verweist Handschuh auf das Meldewesen, die Kfz-Zulassung, die Gewerbeanmeldung oder Anträge, die von Unternehmen und Bürgern typischerweise gestellt werden, etwa auf Parkausweise. Demgegenüber habe sich das „alte“ OZG teils übernommen und sogar exotische, in der Alltagspraxis irrelevante Prozesse wie den zur Genehmigung einer kerntechnischen Anlage für die Digitalisierung festgeschrieben.
Digitalisierung gegen den Arbeitskräftemangel
Verwaltungsvorgänge auf diese Weise zu vereinfachen und zu beschleunigen, bedeute zum einen aus Sicht der Antragsteller – mithin der Bürger und der Wirtschaft – eine große Erleichterung. Zum anderen werde es aus Sicht der Verwaltung im Zusammenhang mit dem zunehmenden Arbeitskräftemangel aber auch immer wichtiger, Aufgaben möglichst effizient zu erfüllen. Dabei dürfe es nicht nur darum gehen, die Antragsformulare online zur Verfügung zu stellen, sondern den kompletten Vorgang – bestenfalls bis zum Bescheid – digital zu gestalten. Denn nur die ganzheitliche Digitalisierung führe zu den gewünschten Entlastungen.
Dafür seien die infrastrukturellen Voraussetzungen wie die flächendeckende Einführung der E-Akte, eine Modernisierung der Registersysteme sowie die Überwindung von Schnittstellen bei der Datenübermittlung zu schaffen, so Handschuh. Darüber hinaus sei die Gretchenfrage zu klären: Wer kommt für die Kosten der Transformation auf, wer bezahlt die Entwicklung und die Implementierung neuer digitaler Lösungen in den Verwaltungen? Hier seien zuvorderst der Bund und die Länder am Zug.
Von Andreas Erb (a.erb@stadtvonmorgen.de)