VGH: Status Serbiens als sicherer Herkunftsstaat verfassungs- und europarechtskonform

Der Entscheidung des VGH Mannheim vom 24.06.2015 (Az.: A 6 S 1259/14) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist serbischer Staatsangehöriger und gehört dem Volk der Roma an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Beklagte) lehnte seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich sowie Abschiebungsverbote nach dem Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Serbien an. Dagegen erhob der Kläger Klage. Das VG ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung an und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil ihm in Serbien eine an seine Rasse anknüpfende Verfolgung drohe. Auf Antrag der Beklagten ließ der VGH die Berufung zu. Während des Berufungsverfahrens trat das Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitszugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31.10.2014 in Kraft, wonach die Republik Serbien ein sicherer Herkunftsstaat ist.

Der VGH gab der Berufung der Beklagten statt. Der Kläger habe nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und die Vermutung, dass ein Asylsuchender aus einem solchen Staat nicht politisch verfolgt werde, nicht widerlegt habe.

Die Einstufung der Republik Serbien als sicherer Herkunftsstaat ist nach Ansicht des VGH verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe zahlreiche Erkenntnismittel ausgewertet und bewertet, insbesondere (Lage-)Berichte des Auswärtigen Amtes, eine EASO-Untersuchung zu Asylanträgen aus den westlichen Balkanstaaten vom November 2013 sowie Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen, vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen und internationaler Organisationen. Zudem habe er die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat in anderen EU-Staaten und in der Schweiz in den Blick genommen. Im Gesetzgebungsverfahren seien Gutachten mehrerer Sachverständiger eingeholt und in einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses ausführlich erörtert worden. Dieses Vorgehen sei, auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz, verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die von ihm ermittelten Tatsachen auch tragfähig beurteilt.

Laut VGH sind Roma in Serbien entgegen der Ansicht des VG keiner asylerheblichen staatlichen oder quasi-staatlichen Verfolgung auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit ausgesetzt. Das entspreche gefestigter und nahezu einhelliger Rechtsprechung. Das VG stütze seine gegenteilige Ansicht lediglich auf die Aussage einer Zeugin in einem anderen Verfahren des VG. Die Angaben der Zeugin würden aber nicht durch Beispielsfälle konkretisiert. Auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder eine Reihe zum Teil auch gewalttätiger Übergriffe Dritter auf Roma gegeben habe, die die Polizei nicht immer mit der gebotenen Konsequenz verfolgt habe, sei nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht davon auszugehen, dass der serbische Staat zur Schutzgewährung grundsätzlich nicht willens oder nicht in der Lage sei. Auch unter diesen Gesichtspunkten sei die Bestimmung Serbiens als sicheres Herkunftsland nicht zu beanstanden.

Der VGH sieht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der serbische Staat in die nach dem Protokoll Nr. 4 zur Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Ausreisefreiheit von Angehörigen der Roma asylrelevant eingreift oder Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland strafrechtlich verfolgt und verurteilt. Insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte für die vom VG nicht weiter begründete Annahme, dass sich insoweit Strafvorschriften speziell gegen Roma richteten und diskriminierend seien. Schließlich sei die Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat auch im Blick auf die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen und ihre Anwendung auf serbische Staatsangehörige, insbesondere Roma, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dass die - auch in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten wie Belgien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und Großbritannien geltende - Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat gegen EU-Recht verstoße, habe der Kläger nicht geltend gemacht. Dafür sei nach den Maßstäben einschlägiger EU-Richtlinien auch nichts ersichtlich, so der VGH. Dem Kläger sei schließlich auch kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Abschiebungshindernisse oder Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei ebenfalls rechtmäßig.

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