Urteil

OLG München: Kirchenasyl schützt grundsätzlich nicht vor Strafverfolgung wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland

Zwar bestätigte das Gericht den Freispruch für einen Asylbewerber durch die Vorinstanz. Jedoch lasse nicht der Verzicht auf eine zwangsweise Durchsetzung der Abschiebeanordnung in Räumlichkeiten der Kirchen, sondern nur die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die bereits rechtskräftige Abschiebeanordnung während des Aufenthalts des Nigerianers im Kirchenasyl erneut zu überprüfen, die Strafbarkeit entfallen. Der Eintritt in ein Kirchenasyl begründe weder einen Anspruch des im Kirchenasyl befindlichen Ausländers auf Erteilung einer Duldung noch könne dieser sonstige ihm zustehende besondere Rechte, z.B. auf Aussetzung der Abschiebung, daraus ableiten. Kirchenasyl verbiete dem Staat kein Handeln.

In dem Strafverfahren hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts München die Revision der Staatsanwaltschaft Landshut gegen ein Urteil des Amtsgerichts Freising verworfen und den Freispruch des angeklagten Nigerianers zwar bestätigt (Urt. v. 03.05.2018, Az. 4 OLG 13 Ss 54/18).

Der Senat führte jedoch aus, dass der Angeklagte sich nur deshalb nicht wegen eines illegalen Aufenthalts strafbar gemacht habe, weil das BAMF in eine erneute sachliche Einzelfallprüfung der bereits rechtskräftigen Abschiebeanordnung eingetreten sei. Nur die neuerliche, auf einer Vereinbarung des BAMF mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche vom 24. Februar 2015 beruhende sachliche Einzelfallprüfung nach Aufnahme in das Kirchenasyl, begründe einen Anspruch des Angeklagten auf Erteilung einer Duldung. Daraus ergebe sich ein rechtliches Abschiebungshindernis, solange die Einzelfallprüfung anhalte. Dies stehe einer Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG für den Zeitraum der nochmaligen Sachprüfung entgegen.

Zugleich wies der Senat darauf hin, dass die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Freising nicht bedeute, dass der Senat den Aufenthalt im Kirchenasyl oder die Gewährung von Kirchenasyl grundsätzlich für straffrei hält. Der Senat machte deutlich, dass das Kirchenasyl kein in der geltenden Rechtsordnung anerkanntes Rechtsinstitut ist. Kirchenasyl verbiete dem Staat daher kein Handeln und zwinge ihn auch nicht zum Dulden. Der Eintritt in ein Kirchenasyl begründe deshalb auch weder einen Anspruch des im Kirchenasyl befindlichen Ausländers auf Erteilung einer Duldung noch könne dieser sonstige ihm zustehende besondere Rechte, z.B. auf Aussetzung der Abschiebung daraus ableiten.

Dies bedeute jedoch nicht, dass der Senat den Aufenthalt im Kirchenasyl oder die Gewährung von Kirchenasyl grundsätzlich für straffrei hält.

Hintergrund:

Der geflüchtete Nigerianer war im November 2014 von Italien nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde 2016 abgelehnt. Zugleich ordnete das BAMF die Abschiebung des Mannes nach Italien an. Der Angeklagte begab sich im Juli 2016 in die Pfarrei Sankt Jakob in Freising und blieb dort bis zum 19. Oktober 2016 im Kirchenasyl. Der Pfarrer von Sankt Jakob zeigte die Aufnahme des Angeklagten im Kirchenasyl der Ausländerbehörde beim Landratsamt Freising und beim BAMF an. Das Amtsgericht Freising entschied daraufhin, dass sich ein abgelehnter Asylbewerber im Kirchenasyl nicht des illegalen Aufenthalts strafbar macht und sprach den Angeklagten frei. Der Aufenthalt im Kirchenasyl sei ein inlandsbezogenes Abschiebehindernis, das einen Duldungsanspruch begründe. Die Staatsanwaltschaft beantragte gegen den Freisinger Entscheid Revision und wollte damit den juristischen Streit obergerichtlich klären lassen.

Im vergangenen Jahr hatten sich in Bayern 357 Menschen im Kirchenasyl aufgehalten, darunter 189 in katholischen Pfarreien. Bundesweit befinden sich nach Schätzungen des BAMF derzeit 710 Menschen in Kirchenasyl.

Anmerkung des DStGB

Aus Sicht des DStGB ist die Klarstellung des OLG München zu begrüßen. Ziel muss es jedoch sein, dass der Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen im Kirchenasyl und ganz grundsätzlich im Hinblick auf die Beurteilung von Abschiebehindernissen in den Ländern einheitlich erfolgt. Dies gilt im Hinblick auf die Rückführungspraxis aller rund 230.000 ausreisepflichtigen Geflüchteten mit und ohne Duldung in Deutschland. Zudem müssen Einzelfallentscheidungen nach der Vereinbarung des BAMF mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche zügig bearbeitet werden, um schnellstmöglich Klarheit über den Schutzstatus zu erhalten. Asyl- und Gerichtsverfahren müssen insgesamt dringend beschleunigt werden. Zudem müssen Abschiebehindernisse beseitigt und Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern geschlossen werden.

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