Flüchtlingsgipfel muss weitere Hilfen für Flüchtlinge und Kommunen auf den Weg bringen

Bundeskanzleramt, Berlin
Carl-Ernst Stahnke/pixelio.de

Nachfolgend ist das Interview im Wortlaut wiedergegeben:

Zagatta: Herr Landsberg, wieso erreichen wir Sie eigentlich in Bonn? Wieso sind Sie nicht dabei bei diesem Flüchtlingsgipfel?

Landsberg: Das ist ein Gespräch mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder. Es wird aber nächste Woche, auch zu diesem Thema, auch ein Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden im Kanzleramt geben.

Zagatta: Im Kanzleramt soll es heute ja auch vor allem um die Kostenaufteilung gehen zwischen Bund und Ländern. So haben wir das gehört. Aus Sicht der Kommunen jetzt, kann Ihnen das letztendlich nicht ziemlich egal sein, ob der Bund oder ob die Länder da zahlen für die Flüchtlinge, für deren Unterbringung?

Landsberg: Das glaube ich nicht. Wir haben ein hohes Interesse, dass die Länder auch entlastet werden, denn diese Entlastung wirkt sich auch auf die Kommunen aus. So haben wir zum Beispiel die Vorstellung, dass der Bund die Länder unterstützt beim Bau zusätzlicher Erstaufnahme-Einrichtungen. Die sind überfüllt und das führt dazu, dass sehr schnell die Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt werden und die Kommunen ihrerseits ganz kurzfristig Unterkünfte schaffen müssen, was wir teilweise kaum noch können. Insofern haben wir ein hohes Interesse, dass der Bund sich jetzt zusätzlich engagiert. Der Bund hat auch eigene Liegenschaften, Kasernen, die irgendwann verkauft werden sollen, die leer stehen. Er hat andere Grundstücke, auch die sollten genutzt werden. Dann das Thema Lockerung des Bauplanungsrecht, das ist ein Bundesrecht. Das soll geschehen, das wird hoffentlich noch im Dezember geschehen, sodass wir auch schneller bauen können. Und letztlich erhoffen wir uns natürlich eine erste Aktion von Bund und Ländern, die sagen, dieses Thema ist von so großer Bedeutung, das wird uns über Jahre beschäftigen, hier ziehen wir gemeinsam an einem Strang und helfen dort, wo es nottut.

Mehr Geld für mehr Unterkünfte

Zagatta: Wenn Sie da schneller bauen wollen, auch die Kommunen, haben Sie denn überhaupt das Geld dafür?

Landsberg: Das ist das nächste Thema. Die finanzielle Ausstattung im Flüchtlingsbereich ist nicht ausreichend. Das ist einmal. Bisher haben wir immer kurz angemietet, Hotels, Wohnungen, weil man - so war es ja auch in der Vergangenheit - davon ausgehen konnte, diese Menschen gehen bald wieder zurück. Jeder, der die Bilder aus dem Nahen und Mittleren Osten sieht, weiß: Über Jahre werden diese Menschen hier leben. Wir müssen sehen, dass sie hier arbeiten, dass sie integriert werden, ist eine völlig neue Situation. Deswegen müssen wir bauen und dafür braucht es auch Geld. Und insbesondere die Gesundheitsversorgung: Die Menschen sind schwersttraumatisiert. Das ist nicht der normale Schnupfen oder ähnliche Dinge. Zurzeit tragen das ganz überwiegend die Kommunen. Da sind wir der Ansicht, das muss über einen Gesundheitsfonds gelöst werden, und natürlich müsste der Bund sich da auch finanziell beteiligen. Denn die Entscheidung, zum Beispiel wie viele Bürgerkriegsflüchtlinge kommen zusätzlich nach Deutschland - das finden wir ja auch richtig -, die treffen nicht die Kommunen, nicht die Länder, sondern die trifft der Bund in seiner bundesstaatlichen Verantwortung, und das sollte sich dann auch finanziell wiederspiegeln.

Sie wissen auch: Es gibt ja noch Mittel aus dem Fluthilfe-Fonds, den Bund und Länder bedient haben. Daraus könnte man Mittel zunächst mal nehmen, um schnell zu helfen. Uns nützt es nichts, irgendwann 2020 die Hoffnung zu haben, es gibt mehr Geld.

Entgegenkommen erwartet

Zagatta: Das fordern Sie jetzt aber schon seit Wochen. Wie reagiert denn Herr Schäuble?

Landsberg: Inzwischen ist die Bundesregierung, ich nenne das mal, da wach geworden. Ich glaube schon, dass es ein Entgegenkommen geben wird. Das liegt natürlich auch daran, dass auch die Länder enormen Druck machen und dass die Zahlen in einer Weise steigen, wie das niemand vorhersehen konnte. Mitte des Jahres hat es geheißen, na ja, es werden so 200.000 sein. Das sind immer noch fast 80 Prozent mehr als im letzten Jahr. Inzwischen sagen die Experten, es können aber auch 240.000, 250.000 sein, und ob das im nächsten Jahr besser wird, das glaubt auch niemand so recht. Insofern ist das eine ganz andere Herausforderung, als wir bisher annehmen konnten.

Zagatta: Herr Landsberg, Sie haben es vorhin selbst angesprochen: In ganz Deutschland stehen ja Kasernen nahezu leer und werden jetzt auch für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Ist das sinnvoll, so eine Umgebung?

Landsberg: Es ist sicherlich keine Dauerlösung. Die beste Lösung für die Betroffenen ist eine dezentrale Unterbringung in kleinen Gruppen. Nur wenn Sie plötzlich tausend Flüchtlinge in einem Ort haben, dann brauchen Sie solche Einrichtungen, jedenfalls für eine Übergangszeit. Das ist sicherlich keine Dauerlösung, das wollen wir auch nicht, aber zunächst mal ist ja wichtig, dass die Menschen eine vernünftige Unterkunft haben, ein Dach überm Kopf und möglichst nicht nur ein Zeltdach, anständig versorgt werden, auch medizinisch betreut werden. Das als erster Einstieg ist sicherlich sinnvoll, aber es ist nicht die Lösung. Wir brauchen im Prinzip ein Bauprogramm mit viel kleineren Einheiten. Dann ist auch die Akzeptanz in der Bevölkerung bei uns natürlich viel größer.

Vorerst wohl Container-Lösung

Zagatta: Jetzt steht aber der Winter bevor. Wie sieht es in der Praxis aus? Wie wird das jetzt ablaufen? Läuft das jetzt auf den Bau von Container-Siedlungen hinaus - anders wird es wahrscheinlich gar nicht gehen -, oder wie werden die Kommunen in den nächsten Wochen mit diesem Problem umgehen können?

Landsberg: Es gibt viele Maßnahmen. Es werden Hotels, die teilweise leer stehen, gepachtet oder teilweise auch gekauft, umgestaltet. Es werden Wohnungen angemietet. Man tut, was man kann. Man weiß natürlich, dass der Winter kommt und dass eine Zeltlösung nicht in Betracht kommt. Ferienheime werden teilweise gemietet. Bauen dauert. So ganz schnell kriegt man das nicht hin. Insofern wird es häufig auch zunächst mal die Container-Lösung sein müssen, wobei nicht jeder Container schlecht ist. Das muss man auch mal fairerweise sagen.

Zagatta: Nun sagen Experten, Länder wie Jordanien oder, sagen wir, die Türkei nehmen Millionen von Flüchtlingen auf. Wieso tut sich ein relativ reiches Land wie Deutschland damit so schwer?

Landsberg: Diesen Vergleich, den höre ich auch immer. Das kann man einfach nicht vergleichen. Der Standard der Unterbringung in den Flüchtlingslagern in Jordanien, das sind im Prinzip nichts anderes als riesige Flächen, da stehen Zelte, da gibt es ein bisschen Wasser, ein bisschen zu Essen. Das ist sicherlich nicht der Standard, den wir unseren Flüchtlingen zumuten wollen und sollen. Insofern kann man das nicht vergleichen. Das sind andere Systeme.

Bevölkerung auf Flüchtlinge vorbereiten

Zagatta: Auch nicht die Mentalität grundsätzlich? Sind in Deutschland die Menschen, wenn sie Flüchtlinge direkt in ihre Umgebung bekommen, dazu bereit, das dann auch immer noch gut zu finden?

Landsberg: Unsere Erfahrung ist ganz überwiegend, wenn man den Menschen klar macht, warum kommen diese Menschen, unter welchen furchtbaren Umständen haben sie sich in das schöne Deutschland gerettet, dass die Menschen sehr wohl bereit sind, sich sogar zu engagieren, nicht nur zu sagen, das ist gut, dass die hier sind, sondern zu helfen. Es gibt sehr viel ehrenamtliches Engagement. Deswegen sagen wir, auch das müssen wir stärken. Wir müssen den Leuten auch die Möglichkeit geben, mit diesen Menschen zu reden, zumal, wenn die, wie wir es ja jetzt auch schon haben, häufig sehr schnell in Arbeit kommen. Es gibt Ärzte, Krankenschwestern aus Syrien, wir sind doch froh, wenn die hier sind. Es ist ja nicht so, dass die alle jahrelang nicht arbeiten können, nicht arbeiten wollen. Das muss man allerdings kommunizieren und man muss auch in der Kommune die Menschen darauf vorbereiten und nicht sagen, so, über Nacht sind hier plötzlich tausend Menschen, und wir wissen gar nicht, wo die herkommen und warum die hier herkommen, ist also auch ein bisschen Kommunikationsarbeit. Aber in der Masse der Städte läuft das gut. Und wenn Sie mal die Zahl sich anschauen: Wir sind jetzt etwa bei 180.000 zusätzlichen Anträgen. Da sind natürlich die Negativerscheinungen, die in den Medien groß laufen, doch wirklich die ganz deutliche Ausnahme. Aber wir müssen daran weiter arbeiten!

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