In ihrem Abschlussbericht gibt die Fachkommission der Bundesregierung, die aus 24 Mitgliedern besteht, einen Überblick über den Stand und die Zukunft der Integrationspolitik in Deutschland. Der Fokus der Beratungen der unabhängigen Kommission lag auf dem Zusammenhang von Migration und Integration sowie den Themenfeldern Sprachförderung, Arbeitsmarktintegration, Bildung, Wohnen und Gesundheit. Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Gefahren durch Rassismus, Rechtsextremismus und Terrorismus werden im Bericht adressiert. Dabei sollte die Integrationsfähigkeit nicht nur der Neuen, sondern auch der alteingesessenen Bevölkerung und von Verwaltung und Institutionen untersucht werden. Mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Integrationspolitik wurden ebenfalls beleuchtet. Der Bericht ist ein Auftrag des Koalitionsvertrages.
Der Abschlussbericht enthält 14 Kernbotschaften, die als Impulse für die künftige Integrationspolitik dienen sollen:
- Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland
- Migration bietet Chancen, wenn Integration gelingt
- Zielkonflikte zwischen Asyl- und Integrationspolitik müssen anerkannt und soweit wie möglich reduziert werden
- Integration ist eine Daueraufgabe, die alle betrifft
- Integration bedeutet Teilhabe, Repräsentanz und Anerkennung
- Aktive Unterbindung von Diskriminierung und ein respektvoller Umgang miteinander sind Voraussetzungen für Teilhabe und Teilnahme
- Gängige Begriffe müssen hinterfragt werden
- Chancengleichheit in der Bildung ist unabdingbar
- Die Fähigkeiten von Eingewanderten sollten besser genutzt, ihre Kompetenzen stärker gefördert werden
- Eine vorausschauende Einwanderungspolitik kann die Integration in den Arbeitsmarkt verbessern
- Integration erfordert eine nachhaltige Stadtentwicklungs- und eine soziale Wohnungspolitik
- Gleiche Gesundheitschancen sind eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration
- Rassismus, Hasskriminalität und Terrorismus gefährden die Substanz der Gesellschaft
- Integration ist eine Investition in die Zukunft
Schlüsselrolle der Kommunen bei der Integration
Die Kommunen spielen für die Integration vor Ort insofern eine Schlüsselrolle, als sie ihre integrationsrelevanten Handlungsstrategien in zahlreichen Politikfeldern (lokale vorschulische Erziehung, Bildung und Ausbildung, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Familie, Gesundheit, Stadtentwicklung, Kulturpolitik, Wohnungsbau und soziale Wohnraumförderung, Liegenschafts- und Bodenpolitik etc.) ausarbeiten und bündeln und zudem die Kooperation mit lokalen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Gruppen vor Ort vorantreiben können. Dabei sind es die Kommunen, die sich ganz besonders für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen.
Kommunen haben Erhebliches geleistet: Erfolge und Herausforderungen der Integration vor Ort
Die Fachkommission würdigt, was die Kommunen neben Bund, Ländern, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Sozialpartner bei der Integration der Schutzsuchenden geleistet haben und immer noch leisten. Viele Städte, Gemeinden und Landkreise haben dabei ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und konkret ausgebaut; sie sind der besonderen Beanspruchung gerade in dieser Zeit lösungsorientiert begegnet.
In vielen Bereichen zeigen sich bei der Integration von Schutzsuchenden Erfolge, die auch auf die vielfältigen Anstrengungen und Investitionen der Kommunen, der Länder, der Sozialpartner und der vielen Akteure in Zivilgesellschaft und Wirtschaft und auf bundesweite Programme zurückgeführt werden können. Dennoch bestehen weiterhin auch erhebliche Probleme: Nach wie vor ist ein großer Teil der Schutzsuchenden nicht in den Arbeitsmarkt integriert, auch die Potenziale für den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse und die Integration in das Bildungssystem sind noch längst nicht ausgeschöpft. Im Januar 2020, also vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie, waren noch rund die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung und 58 Prozent der Gesamtbevölkerung aus den wichtigsten Herkunftsländern von Asyl suchenden auf Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II angewiesen (BA-Statistikservice 2020).
Die Kommunen stehen zudem vor der besonderen Herausforderung, dass sie die Integration von kürzlich eingewanderten Schutzsuchenden und die Integration von Migrantinnen und Migranten, die schon lange in Deutschland leben, als Aufgaben zusammenführen müssen.
Kommunen von Hasskriminalität und Radikalisierungen besonders betroffen
Die Kommission weist unter anderem darauf hin, dass über das Thema Migration und Integration auf kommunaler Ebene massive und destruktive Konflikte entbrennen können. Das Potenzial von Hass, Radikalisierungen und Rechtsextremismus und -terrorismus ist auf kommunaler Ebene besonders vorhanden. Zunehmend wird gerade im Bereich Rechtsextremismus und -terrorismus eine Strategie lokaler Aktionen verfolgt. Aggressive und gewaltorientierte Gruppierungen scheinen den propagierten „Kampf um die Straße“ zu priorisieren. Dies stellt Kommunen vor ungeahnte Probleme, zumal Rechtsextremismus und -terrorismus dabei auch die Allianz mit dem „bürgerlichen“ Rechtspopulismus suchen.
Empfehlungen an und zur Unterstützung der Kommunen bei der Integration
Einige Empfehlungen der Fachkommission sollten aus Sicht des DStGB herausgegriffen werden:
- Bei der Umsetzung von integrationspolitischen Pflicht- und Daueraufgaben im Sinne einer Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts brauchen die Kommunen mehr Kompetenzen und mehr Handlungsfähigkeit. Bund und Länder müssen sie darin stärker und vor allem dauerhaft unterstützen. Dies muss im Rahmen einer geordneten Finanzverfassung erfolgen, die Anreize für eine effiziente Nutzung knapper Ressourcen setzt. Dies erfordert „maßgeschneiderte“ und flexible Lösungen für die ganz unterschiedlichen Kommunen. In diesem Zusammenhang hält die Fachkommission es auch für sinnvoll, mittel- bis langfristig Integration stärker den Kommunen als Pflichtaufgabe zuzuweisen.
Anmerkung des DStGB: Die Forderung nach einer dauerhaften und verlässlichen Unterstützung der Kommunen durch Bund und Länder ist aus Sicht des DStGB ausdrücklich zu unterstützen. Die Kommunen benötigen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für die Integration über das Jahr 2021 hinaus (dies ist bislang nicht geregelt!), mehr Handlungsspielräume und mehr Kompetenzen bei der Integration vor Ort. Ob es sinnvoll ist, den Kommunen die Integration als Pflichtaufgabe zuzuweisen, um die notwendigen Ressourcen für diese Aufgabe zu sichern, muss ausdrücklich bezweifelt werden. Dies könnte mit erheblichen Einschränkungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts einhergehen und den Kommunen Handlungsfreiräume nehmen. Zudem setzt die Festlegung als Pflichtaufgabe voraus, dass Integration als kommunale Aufgabe klar definiert und von anderen Aufgaben abgrenzbar ist. Da die Integration eine Querschnittsaufgabe ist, die zahlreiche traditionelle kommunale Aufgabenbereiche, aber auch solche von Bund und Ländern berührt, wird dies schwer machbar sein.
- Im Hinblick auf das Problem der Hasskriminalität, Radikalisierungen und Extremismus sollte das kommunale Konfliktmanagement stärker unterstützt werden, als es bislang der Fall war. Das erfordert längerfristige Investitionen und Hilfen für Kommunen, die ein solches Management aktiv betreiben möchten. Die Kommission empfiehlt ferner, die Förderung von Forschung und Maßnahmen zur Prävention und Intervention gegen Rassismus und Extremismus vor allem auch auf kommunaler Ebene längerfristig möglich zu machen und deutlich zu erhöhen. Es sollten Präventionsmaßnahmen entwickelt werden, die sich auf die Lebensbereiche Internet, Schulen, Jugendfreizeitstätten, Sportstätten etc. richten und diese miteinbezogen werden.
- Um Konkurrenzsituationen möglichst vorzubeugen und insbesondere Kommunen darin zu unterstützen, Maßnahmen und Planungen bedarfsorientiert in die Zukunft auszurichten, braucht es eine vorausschauende Planung in den Bereichen Bildung, Arbeit und Wohnen, die sowohl verwaltungsintern als auch für die Bevölkerung transparent ist.
- Insbesondere sollte auch das Ehrenamt und bürgerschaftliche Engagements in Kommunen weiter gestärkt werden.
Anmerkung des DStGB: Die übrigen Empfehlungen der Fachkommission sind aus Sicht des DStGB zu begrüßen.