NDR-Info
Der Bundesrat stimmte heute für ein Gesetz der Bundesregierung, wonach man Asylbewerber aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina leichter wieder in ihre Heimatländer zurückschicken kann. Dieser Entscheidung gingen lange Verhandlungen voraus, vor allem die GRÜNEN waren gegen diese Gesetzverschärfung. Marcell Güsgen schildert, was im Einzelnen beschlossen wurde und warum der Weg dahin so schwierig war.
Marcel Güsgen
Es war keine leichte Aufgabe für Winfried Kretschmann. Draußen vor dem Bundesrat demonstrierte eine wütende Menge gegen eine Verschärfung des Asylrechts. Drinnen musste der Ministerpräsident von Baden-Württemberg erklären, warum ausgerechnet ein GRÜNEN-Politiker diese Verschärfung möglich gemacht hat. Kretschmann war für den Kompromiss, den sein Land mit der Bundesregierung ausgehandelt hat. Denn nicht alle Forderungen seien erfüllt worden. „Dennoch ist das Kompromissangebot der Bundesregierung ein substantieller Gewinn für die Praxis. Es geht darum, die Lebenssituation von Flüchtlingen bei uns im Land ganz konkret zu verbessern und den Kommunen Hilfestellung anzubieten.“ Zu den konkreten Verbesserungen gehört z. B. mehr Bewegungsfreiheit, die sogenannte Residenzpflicht, die bisher Asylbewerbern verbietet, einen bestimmten Landkreis zu verlassen, wird nach drei Monaten aufgehoben. Außerdem sollen Flüchtlinge leichter Arbeit bekommen. Das Arbeitsverbot wird auf drei Monate beschränkt. Nach 15 Monaten fällt auch die sogenannte Vorrangprüfung, nach der Jobs erst deutschen Bewerbern angeboten werden müssen. Außerdem: „Sachleistungsprinzip wird aufgehoben. In Zukunft wird es ein Vorrang für Geldleistung geben, damit allein Flüchtlinge mehr Selbstbestimmtheit…“. Und schließlich sollen die Kommunen vom Bund stärker unterstützt werden bei der Versorgung von Flüchtlingen. Kretschmann betonte: „Es war ein schwieriger Abwägungsprozess. Auch für mich persönlich war das eine sehr schwierige Entscheidung, der vielen Diskussionen und Gespräche vorausgegangen sind.“
Mit der Zustimmung für den Gesetzentwurf steht Baden-Württemberg im GRÜNEN-Lager alleine. Kein anderes rot-grün regiertes Land hat der Asylrechtsänderung zugstimmt. Dagegen stimmte Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Albig von der SPD findet das Konzept von sicheren Herkunftsländern falsch. „Es ist ein zynischer Versuch, Armutsflucht und Kriegsflüchtlinge gegeneinander auszuspielen. Man hat den Eindruck, dort bemessen Menschen, ob ein Landteil sicheres Land ist, danach, ob es für sie sicher wäre.“ Auch bei GRÜNEN-Bundespolitikern stößt Kretschmanns Alleingang auf Kritik. Die Bundestagsvizepräsidentin, Claudia Roth, reagierte entsetzt. „Das ist ein ziemlich rabenschwarzer Tag für unser Grundrecht auf Asyl, weil es weiter ausgehöhlt wird und weil die Aushöhlung, die 1993 passiert ist, ja sozusagen noch einmal gerechtfertigt wird.“ Und der Innenpolitische Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte, heute sei das Menschenrecht auf Asyl für eine Appel und ein Ei verdealt worden.
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Marcel Güsgen über die Verschärfung des Asylrechts. Städte und Gemeinden sind diejenigen, die Asylbewerber in Deutschland unterzubringen haben, so lange, bis der Asylantrag entscheiden ist und darum hatte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, vor der Abstimmung noch einmal dafür geworben, die drei Balkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsländern zu deklarieren. Ich habe ihn gefragt, warum das für ihn so wichtig ist.
Dr. Landsberg
Das ist deshalb wichtig, weil 2013 ein Sechstel aller Asylanträge aus diesen Ländern gekommen sind. Über 99 % sind abgelehnt worden. Und das zeigt, diese Menschen kommen natürlich, weil es ihnen in der Heimat schlecht geht. Aber sie sind nicht politisch verfolgt. Die Probleme, die diese Menschen haben, löst nicht das Asylrecht. Und man muss auch sehen, dass wir aus anderen Ländern, wo die Menschen wirklich verfolgt werden, einen enormen Zustrom haben. Und deswegen ist das ein ganz wichtiges Signal.
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Aber Flüchtlingsorganisation gehen ja schon davon aus, dass zumindest bestimmte Minderheiten in diesen Ländern durchaus Diskriminierungen unterworfen sind.
Dr. Landsberg
Diskriminierungen gibt es sicherlich. Aber noch einmal die Zahl: Über 99 % der Anträge werden abgelehnt. Genauer gesagt: noch nicht einmal 0,3 % der Betroffenen haben erfolgreich in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Und die bloße Benachteiligung, die findet unstreitig statt, ist aber kein Asylgrund und deswegen glaube ich, müssten wir den Menschen aus diesen Ländern anders helfen. Wir müssen die Lebensbedingungen dort verbessern. Das ist auch eine Aufgabe der EU. Aber das lösen wir nicht damit, dass wir sie als Asylbewerber hier nach Deutschland holen.
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Daraus höre ich, dass Sie diese Gesetzesnovelle begrüßen, die da nun heute vom Bundesrat auf den Weg geschickt worden ist. In diesem neuen Gesetz soll ja auch die sogenannte Residenzpflicht der Asylbewerber fallen, das heißt, sie können also in eine andere Gemeinde umziehen. Vorstellbar ist ja, dass es für einzelne Kommunen eine Erleichterung dann ist. Aber insgesamt hört sich jetzt das ja doch an wie eine Nullrechnung.
Dr. Landsberg
Das würde ich jetzt nicht so sehen. Diese Residenzpflicht gilt übrigens erst ab dem vierten Monat. Das heißt, der Ablauf stellt sich wie folgt dar: Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland, sind in der Regel drei Monate in einem Aufnahmelager, das sind diese zentralen Einrichtungen, die die Länder vorhalten. Und dann bekommen sie ein Angebot, wo sie hingehen können. Gleichzeitig, und das gehört mit dazu und das ist aus meiner Sicht wichtig, dürfen sie ab dem vierten Monat arbeiten. Es gibt auch bei Mangelberufen – Akademikern, Ärzte, Pflegern – keine Vorrangprüfung, die es bisher gab, nach dem Motto, wir schauen erst einmal, ob für diesen Arbeitsplatz nicht vielleicht ein Deutscher in Betracht kommt. Insofern kann das sogar eine deutliche Entlastung für die Städte und Gemeinden sein. Sind die Leute qualifiziert, werden sie relativ schnell eine Arbeit finden. Dann zahlen sie in das Sozialsystem. Viele kommen natürlich auch hierher, weil sie Verwandte haben. Syrer, die schon 10, 20 Jahre in Deutschland sind. Dann können sie dort hingehen, auch da sind sie leichter zu integrieren. Ich glaube, dass das ein richtiger Ansatz ist.
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Wie kommen denn die Kommunen zurzeit überhaupt zu Recht mit den Asylbewerbern. Also, jedem Bewerber steht ja eine Unterkunft zu, bis sein Antrag zu Ende geprüft ist und dann hört man ja von Containerdörfern, von Wohnschiffen, von Nachbarn die auf die Barrikaden gehen. Wie schlimm ist die Situation wirklich aus Ihrer Sicht?
Dr. Landsberg
Also die Städte und Gemeinden sind teilweise überfordert. Wir wissen, dass wir diese Aufgabe haben. Aber es ist teilweise schwer, das liegt einfach an den Zahlen. Wir werden dieses Jahr über 200.000 bzw. 220.000 Asylanträge haben, dann kommen die sogenannten Kontingentflüchtlinge dazu. Das sind die Gruppen aus Syrien und Irak, bei denen die Innenminister sagen, die nehmen wir zusätzlich. Und die müssen in der Tat untergebracht werden. Das ist schwierig und das ist vor allen Dingen deshalb schwierig, weil das häufig sehr kurzfristig läuft. Das heißt, eine Stadt bekommt von der zentralen Aufnahmeeinrichtung, die eben auch voll ist, die Nachricht, nächste Woche bekommt ihr 300 oder 400 Flüchtlinge. Das ist für uns ein Problem. Deswegen sagen wir, es muss mehr zentrale Aufnahmeeinrichtungen geben, damit wir besser planen können. Und da gibt es einen weiteren Punkt. Der ist ebenfalls als Antrag heute im Bundesrat auch beschlossen worden, dass man das Baurecht ändert, dass man z. B. im Gewerbegebiet oder im Mischgebiet unter dem Aspekt Gemeinwohl auch menschenwürdige Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen kann, auch das haben wir begrüßt.
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Gerd Landsberg war das, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes und damit endet unser Blickpunkt für heute.