Die Erwartungen der Geflüchteten haben sich jedoch nur teilweise erfüllt. Die Integration von Kindern und Jugendlichen läuft besonders gut. Geflüchtete und Aufnahmegesellschaft nähern sich immer mehr an. Die Sorgen in der Bevölkerung über Zuwanderung gehen seit 2016 schrittweise zurück. Allerdings wachsen die Sorgen Geflüchteter vor Fremdenfeindlichkeit. Gleichzeitig haben diese zur öffentlichen Verwaltung, dem Rechtssystem und der Polizei ein hohes Maß an Vertrauen. Aus Sicht des DStGB sind die Ergebnisse des DIW zu begrüßen. Die Integration von Geflüchteten in Kommunen verläuft in vielen Fällen erfolgreich. Langfristige Herausforderungen bleiben jedoch vor allem die Arbeitsmarktintegration, die sich durch die Corona-Pandemie weiter verzögert und die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten.
Die Ergebnisse des DIW lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bildungsniveau der Geflüchteten aus deutscher Perspektive und im Verhältnis zum jeweiligen Herkunftsland
Die Auswertungen des DIW bestätigen, dass Geflüchtete zumindest aus deutscher Perspektive im Vergleich zu den meisten anderen Migrantengruppen über eine eher geringere formale Bildung verfügen. 35 Prozent haben keine Schule besucht oder höchstens eine Bildung auf Grundschulniveau erreicht. Dieser Anteil beläuft sich bei den übrigen MigrantInnen bei 10 Prozent. Lediglich 21 Prozent der Geflüchteten verfügen über einen (Fach-)Hochschulabschluss. Die Anerkennung von Abschlüssen dauere jedoch lange. Misst man den Bildungsstand anhand des jeweiligen Herkunftslandes, sind die meisten Geflüchteten jedoch gleich oder höher gebildet als die Hälfte ihrer Herkunftsgesellschaft. Dies gilt vor allem für Menschen aus Syrien, unter denen 75 Prozent zur gebildeteren Hälfte der syrischen Bevölkerung gehören. Dies kann sich positiv auf den Integrationserfolg in Deutschland auswirken.
Erwartungen der Schutzsuchenden an die Aufnahme in den Arbeitsmarkt und tatsächliche Erwerbsbeteiligung
Die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten hat im Jahr 2016 ange-nommen, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Beschäftigung in den kommenden zwei Jahren zu finden. Bei 54 Prozent haben sich die Erwartungen erfüllt. Etwa 35 Prozent hatten im Jahr 2016 jedoch hohe Erwartungen und konnten sich diese nicht erfüllen. Während 34 Prozent der männlichen Geflüchteten im Jahr 2016 angaben, auf jeden Fall einen Arbeitsplatz im Jahr 2018 zu haben, gaben dies nur 23 Prozent der weiblichen Geflüchteten an. Die Ergebnisse legen nahe, dass sowohl strukturelle Bedingungen als auch individuelle Merkmale, wie beispielsweise fehlende Kinderbetreuung oder die psychische Gesundheit Geflüchteter, die Aufnahme einer Beschäftigung erschwert haben. Bessere Schulbildung und bessere psychische Gesundheit wirken sich positiv auf die Beschäftigungserwartungen der Geflüchteten aus.
Was die tatsächliche Integration in den Arbeitsmarkt betrifft, zeigt ein länderübergreifender Vergleich, dass Geflüchtete in den ersten zehn Jahren nach der Ankunft deutlich geringere Beschäftigungsraten und Löhne haben als andere Migrantengruppen. Die Erwerbsbeteiligung Geflüchteter in Deutschland ist geringer als bei anderen ZuwanderInnen, sie ist über die Jahre jedoch kontinuierlich gestiegen. Lag die Erwerbsbeteiligung von Geflüchteten im Jahr 2016 bei durchschnittlich 14 Prozent, stieg dieser Wert im Jahr 2018 um 29 Prozentpunkte auf durchschnittlich 43 Prozent.
Schulische und außerschulische Integration geflüchteter Kinder und Jugendliche
Die Integration von Zwölf-, 14- und 17-Jährigen, die mit Familienange-hörigen nach Deutschland gekommen sind, ist grundsätzlich auf einem guten Weg. Die meisten Kinder und Jugendlichen fühlen sich ihrer Schule zugehörig. Mehr als die Hälfte besuchen eine Ganztagsschule und Hortangebote. Die Identifikation mit der Schule sei sogar stärker als bei einheimischen Kindern. Nahezu alle reden mit ihren Freundinnen und Freunden Deutsch. Dadurch wird ihnen der ganztägige Kontakt mit Gleichaltrigen, die schon länger in Deutschland leben, ermöglicht. Vielen Schulen ist es demnach gelungen, neu zugewanderte Kinder und Jugendliche so in den Schulalltag zu integrieren, dass ein Großteil sich in der Schule wohl fühlt und dort gute soziale Kontakte knüpfen kann. Geflüchtete sind zu einem bemerkenswert hohen Anteil in Jugendgruppen. Ebenso geben sie genauso häufig an, sozial engagiert zu sein wie andere Gleichaltrige. Die vergleichsweise geringe Beteiligung geflüchteter Kinder und Jugendlicher an Schul-AGs zeigt jedoch, dass das Potential noch nicht ausgeschöpft ist. Auch bei außerschulischen Aktivitäten besteht weiteres Potential. So könnten etwa Sportvereine noch aktiver um eine Teilnahme geflüchteter Kinder und Jugendlicher werben.
Soziale Integration von Geflüchteten
Die Ergebnisse des Berichts zeigen, dass sich Geflüchtete und Aufnahmegesellschaft immer mehr annähern. Die Sorgen in der Bevölkerung über Zuwanderung gehen seit 2016 zurück. Folgen der Fluchtzuwanderung werden in ländlichen Räumen skeptischer bewertet als in städtischen. Allerdings wachsen die Sorgen Geflüchteter mit Blick auf Fremdenfeindlichkeit. Mehr als jeder Dritte der erwachsenen Geflüchteten berichtet im Jahr 2018, dass er oder sie „einige“ (26 %) oder „große Sorgen“ (12 %) aufgrund von Fremdenfeindlichkeit hat. Gleichzeitig haben die Geflüchteten zur öffentlichen Verwaltung, dem Rechtssystem und der Polizei grundsätzlich ein hohes Maß an Vertrauen. Allerdings zeigt sich bei der öffentlichen Verwaltung ein differenzierteres Bild – hier attestiert nur jeder Dritte großes Vertrauen. Bislang hat nur etwa die Hälfte der Geflüchteten regelmäßig Kontakt zu Deutschen. Gerade unter geflüchteten Frauen ist der Austausch mit Deutschen noch gering.
Datengrundlage für die vier DIW-Berichte sind repräsentative, wiederholte Befragungen des Sozioökonomischen Panels (SOEP), insbesondere der IAB-SOEP-Migrationsstichproben und der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten, von denen die meisten 2015 zugewandert sind. Sie wurden ergänzt durch Befragungen der Gesamtbevölkerung. Die Ergebnisse beruhen auf Daten für die Jahre 2016 bis 2018.
Anmerkung des DStGB
Die Ergebnisse des DIW zeigen, dass die Integration von Geflüchteten seit dem Jahr 2015 insgesamt auf einem guten Weg ist. Dies ist nicht zuletzt auf die Kraftanstrengungen der Kommunen und der Bürger*innen vor Ort zurückzuführen. Gleichzeitig machen die Ergebnisse deutlich, dass die Integration eine Marathonaufgabeist, die Jahre andauern und immense finanzielle Anstrengungen erfordern wird. Die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt bleibt eine besondere und langfristige Herausforderung. Vielen fehlt es bereits an den sprachlichen Voraussetzungen und beruflichen Qualifikationen. Die Situation wird durch die Corona-Pandemie noch verschärft. Die zuletzt hohe Nachfrage nach Arbeitssuchenden trübt sich insgesamt stark ein und viele der Hilfsjobs werden gekündigt. Hier muss noch stärker auf eine frühzeitige Integration aus einer Hand gesetzt werden: Sprachförderung, Ausbildung und Qualifizierung. Dabei müssen Sprach- und Berufsangebote flächendeckend auch in ländlichen Regionen verfügbar und die Mobilität gewährleistet sein. Im Hinblick auf die Integration von Frauen müssen Beratungs- und Teilhabeangebote ausgeweitet und vor allem geeignete Angebote für die Kinderbetreuung geschaffen werden. Hier geben die Länder und zum Teil der Bund den Rahmen vor. Diese müssen die Kommunen dabei unterstützen, entsprechende Angebote machen zu können. Aber auch die Wirtschaft ist gefordert, sich - auch in ihrem eigenen Interesse – noch stärker für die Eingliederung Geflüchteter in den Arbeitsmarkt einzusetzen.
Die Gesellschaft spaltet sich zunehmend, was die Akzeptanz gegenüber Geflüchteten betrifft. Es wird lautstark Protest erhoben und rechts-nationale Parteien und Gruppierungen erhalten Zuwachs, die nicht selten in Hass gegenüber den Geflüchteten, aber auch gegenüber Kommunalpolitikern*innen umschlagen. Dies ist nicht akzeptabel und muss konsequent geahndet werden. Gleichzeitig müssen Probleme auch ehrlich benannt werden. Dazu gehört, dass es im Sinne einer Null-Toleranz-Politik Konsequenzen haben muss, wenn Geflüchtete straffällig werden und Regelungen und Grundwerte nicht respektieren. Darüber hinaus müssen Geflüchtete, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden. Die Bestrebungen, vollziehbar Ausreisepflichtige konsequent zurückzuführen, bestehende Abschiebehindernisse zu beseitigen und entsprechende Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern abzuschließen, müssen intensiviert werden.
Aus kommunaler Sicht müssen „gute“ Integrationsbedingungen sowohl in städtischen Gebieten als auch in ländlichen Regionen geschaffen werden.Es gibt erfolgreiche und weniger erfolgreiche Beispiele bei der Integration von Geflüchteten sowohl in städtischen als ländlichen Regionen. Dies hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem geht es umgute Lebensbedingungen sowohl für Einheimische als auch für Zugewanderte und zwar in ganz Deutschland.
Erfreulich ist auch, dass das Vertrauen der Geflüchteten in staatliche Institutionen hoch ist. Das Vertrauen in die Verwaltung könnte beispielsweise durch mehr Angebote im Bereich der interkulturellen Kompetenz gestärkt und zielgerichteter auf die Bedürfnisse von Geflüchteten abgestimmt werden, um bestehende Hürden und Vorbehalte von beiden Seiten zu beseitigen.
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