Kommunale Spitzenverbände nehmen zur ersten Phase der Lärmkartierung und -aktionsplanung Stellung

Die Stellungnahme ist im Folgenden wiedergegeben:

EU-Umgebungslärmrichtlinie

Die Europäische Kommission hat in ihrem Grünbuch „Künftige Lärmschutzpolitik“ bereits darauf hingewiesen, dass die Aufstellung von Schallimmissionsplänen und Lärmminderungsplänen eines der effektivsten Instrumente zur Lärmminderung vor Ort in den Städten und Gemeinden darstellt. Derartige Pläne sollten europaweit mit dem Ziel harmonisiert werden, die Lärmbelastung insbesondere durch Verkehrslärm in den städtischen Gebieten zu senken.

Die am 18.07.2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlichte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (Richtlinie 2002/49/EG) hat diesen Grundgedanken aufgegriffen. Mit der Richtlinie soll ein gemeinsames europaweites Konzept festgelegt werden, um schädliche Auswirkungen, einschließlich Belästigung, durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mindern. Hierzu sollten schrittweise folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

-          Ermittlung von Umgebungslärm durch Lärmkarten nach europaweit einheitlichen
Bewertungsmethoden,

-          Verabschiedung von Aktionsplänen durch die Mitgliedstaaten mit dem Ziel,
Umgebungslärm zu verhindern oder zu mindern,

-          umfangreiche Informationen der Öffentlichkeit über Umgebungslärm,

Gleichzeitig soll die Richtlinie eine Grundlage für europaweite Maßnahmen zur Lärmminderung an den Lärmquellen insbesondere im Verkehrsbereich darstellen.

Lärmkarten

Bis zum 30. Juli 2007 sollten europaweit Lärmkarten für das vorangegangene Kalenderjahr für sämtliche Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern sowie für sämtliche Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 6.000.000 Kraftfahrzeugen pro Jahr, Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen pro Jahr und Großflughäfen in ihrem Hoheitsgebiet von den zuständigen Behörden ausgearbeitet werden. Bis zum 30. Juli 2005 sollten die Mitgliedstaaten der Kommission die betreffenden Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken sowie Großflughäfen melden. Spätestens bis zum 30. Juni 2012 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass für sämtliche Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken in ihrem Hoheitsgebiet Lärmkarten ausgearbeitet werden. Die Mindestanforderungen für die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten ergeben sich aus dem Anhang IV der Richtlinie. Die Lärmkarten werden in einem Zeitraum von fünf Jahren überprüft und bei Bedarf überarbeitet (vgl. Art. 7 der Richtlinie).

Aktionspläne

Bis zum 18. Juli 2008 sollten von den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten Aktionspläne ausgearbeitet werden, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen für die o. a. Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken sowie Großflughäfen in den betroffenen Gebieten (alle Ballungsräume mit mehr 250.000 Einwohnern) sowie Orte in der Nähe der o. a. Verkehrsinfrastruktur dargestellt werden. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sind die in diesen Plänen genannten Maßnahmen in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Bis zum Jahre 2013 sollen Aktionspläne insbesondere zur Durchführung vorrangiger lärmbekämpfender oder lärmverringernder Maßnahmen für alle Ballungsräume vorliegen. Auch diese Pläne sind alle fünf Jahre neu zu erstellen (vgl. Art. 8 der EU-Richtlinie).

Information der Öffentlichkeit

Die Mitgliedstaaten werden nach der EU-Richtlinie (Art. 9) dazu angehalten, die Öffentlichkeit umfangreich entsprechend den Bestimmungen der Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt aus dem Jahre 1990 über die strategischen Lärmkarten sowie die ausgearbeiteten Aktionspläne zu informieren. Danach soll die Öffentlichkeit zu Vorschlägen für Aktionspläne gehört werden, um aktiv an der Ausarbeitung und Überprüfung der Pläne mitwirken zu können (vgl. Art. 8 Abs. 7 der EU-Richtlinie).

Umsetzung in den Städten und Gemeinden

Die EU-Umgebungslärmrichtlinie ist aus kommunaler Sicht grundsätzlich zu begrüßen, da sie erstmals einen europaweiten rechtlichen Rahmen für die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm schafft.

Mit dem alten § 47 a Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) existierte seit 1990- bis zur Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie in nationales Recht - bereits in Grundzügen eine vergleichbare nationale Regelung, die letztlich dasselbe Ziel wie die Richtlinie verfolgte. Nach dieser Regelung waren die deutschen Städte und Gemeinden gesetzlich verpflichtet, Lärmminderungspläne zu erstellen. Die Verpflichtung wurde mit erheblichem Aufwand und Engagement umgesetzt. Deshalb verfügen insbesondere die Ballungsräume bereits über umfangreiche Erfahrungen der Lärmkartierung und Lärmminderungsplanung. Gleichwohl sind Maßnahmen auf kommunaler Ebene – wie bereits einleitend erwähnt – nur begrenzt geeignet, Umgebungslärm zu verhindern. Umgebungslärm beruht hauptsächlich auf Verkehrslärm. Eine nachhaltige Bekämpfung des Verkehrslärms erfordert jedoch neben einer Verschärfung der heute geltenden Grenzwerte großflächigere Lösungsansätze, etwa durch Entwicklung alternativer Verkehrskonzepte. Da abzusehen ist, dass der Warenaustausch und damit auch der Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union zunehmen, wären unionsweite Konzepte zur Bekämpfung des Umgebungslärms – so wie in Art. 1 Abs. 2 der EU-Richtlinie angesprochen – äußerst sinnvoll. Diese Konzepte müssen begleitet werden durch umfangreiche finanzielle Unterstützung durch die Europäische Union, Bund und Länder. Nur so wird eine nachhaltigere Beziehung des Umgebungslärms auch auf der kommunalen Ebene erreicht werden können.

Die kommunalen Spitzenverbände haben in der Vergangenheit stets gegenüber dem Bund und den Ländern deutlich gemacht, dass die Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie in nationales Recht aus kommunaler Sicht nicht befriedigend gelöst worden ist. Einerseits sind die Erstellung der Lärmkarten gem. § 47 c sowie der Lärmaktionspläne gem. § 47 d BImSchG Pflichtaufgaben der Städte und Gemeinden, andererseits hat der Gesetzgeber es versäumt, die Städte mit einer entsprechenden Finanzierung für die Verwaltungsaufgaben sowie die Umsetzung der Lärmaktionspläne auszustatten. Eine effektive Lärmschutzpolitik ist gerade in den großen Städten jedoch aus stadtentwicklungspolitischer, umweltpolitischer und gesundheitspolitischer Sicht dringend notwendig. 

Lärmkartierung

Der weit überwiegende Anteil der Städte und Gemeinden hat die Lärmkartierungsarbeiten bis zum 30. Juni 2007 fristgemäß abgeschlossen. Einige Städte und Gemeinden haben jedoch erst in der zweiten Jahreshälfte 2007 die entsprechenden Arbeiten beendet. Grund für die Verspätung sind die Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren, da bekanntlich die EU-Umgebungslärmrichtlinie in Deutschland mit einem Jahr Verspätung in nationales Recht umgesetzt worden ist. Darüber hinaus waren die Städte und Gemeinden auf die Mitwirkung verschiedenster Stellen aus der Landes- und Bundesebene angewiesen, um die Eingangsdaten (u. a. Immissionsangaben für Gewerbe- und Industriegebiete, Höhe und Art von Lärmschutzmaßnahmen an den Autobahnen) für die Lärmkartierung zu erhalten.

Die Lärmkarten sind nach Fertigstellung zur Weitergabe an die EU-Kommission den Ländern vorgelegt worden.

Schwerpunkte für die Lärmaktionsplanung

Die größten Lärmverursacher in den Städten und Gemeinden sind nach wie vor der Straßen- und Schienenverkehrslärm. Die Aktionsplanung wird sich deshalb insbesondere auf diese Lärmquellen konzentrieren und den Bereichen des Stadtgebietes, in denen die Bevölkerung durch mehrere Lärmquellen betroffen ist, eine besondere Priorität einräumen. Folgende Schwerpunkte stehen hierbei im Vordergrund der Planungen:

·        verstärkte Berücksichtigung von Lärmschutz in der Bauleit- und Straßenplanung,

·        Vorschläge zur Änderung der Straßenfahrbahnen (lärmarme Beläge),

·        Vorschläge zur Förderung von Schallschutzfenstern,

·        Vorschläge zum Bau zusätzlicher Lärmschutzwände,

·        Vorschläge zur Reduzierung der Verkehrsstärke (Pkw- und Lkw-Verkehr),

·        Vorschläge zur Reduzierung der Fahrzeuggeschwindigkeit (Straßenraumumgestaltung, straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen),

·        Vorschläge zum Schutz bestimmter „lärmarmer Gebiete“ in der Kommune,

·        Vorschläge zur weiteren Förderung des Umweltverbundes aus ÖPNV, Radfahrern und Fußgängern,

·        Vorschläge zur Änderung des Vorbehaltstraßennetzes (Integration bestimmter Hauptstraßen in Tempo 30-Zonen),

·        Vorschläge zur Parkraumbewirtschaftung.

Nach Abschluss der Lärmkartierung haben die Städte und Gemeinden die Bevölkerung umfassend über die Ergebnisse informiert und die Bürger aufgefordert, Vorschläge zur Lärmminderung an die Verwaltung zu richten. Diese Anregungen sind gemeinsam mit den Stadtwerken, den Handwerkskammern, den Industrie- und Handelskammern und Umweltorganisationen diskutiert, zusammengefasst und bewertet worden. Anschließend sind die Empfehlungen für einen Lärmaktionsplan in den kommunalpolitischen Gremien diskutiert und in manchen Kommunen bereits beschlossen worden. Insgesamt ist also davon auszugehen, dass eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgt.

Die Erfahrungen der Städte und Gemeinden mit den Lärmminderungsplänen nach § 47 a BImSchG haben gezeigt, das diese nur als mehrjähriger, integrierter Prozess gelingen und Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden kann. Umfassende und nachhaltige Aktionspläne müssen konkrete aufeinander abgestimmte Maßnahmen enthalten, die sowohl politisch als auch praktisch umgesetzt werden können. Hierzu ist politische Überzeugungsarbeit zu leisten und gleichzeitig der Nachweis der Wirksamkeit durch entsprechende Detailuntersuchungen und Modellstudien zu führen. Darüber hinaus sind die Maßnahmen zwischen den Städten und Gemeinden als Trägern der Planungshoheit, den Verursachern der Geräuschbelastung bzw. den Trägern der Baulast im Falle von Verkehrswegen sowie den Behörden, deren Zuständigkeit von den jeweiligen Maßnahmen berührt wird, abzustimmen. Diese Abstimmungen sind im Regelfall äußerst umfangreich. Die Frist zur Erstellung der Aktionspläne hätte deshalb deutlich verlängert werden müssen.

Finanzierungsvolumen für eine wirksame Lärmsanierung in den Städten und Gemeinden

Eine umfassende und dringend notwendige Lärmsanierung wird von den Kommunen nachdrücklich unterstützt. Allerdings sind die Städte und Gemeinden mit der Finanzierung entsprechender Maßnahmen überfordert. Die bisherigen Maßnahmen des Bundes zur Lärmsanierung an Schienenwegen und an Bundesfernstraßen werden begrüßt. Allerdings muss betont werden, dass diese Maßnahmen allein bei weitem nicht ausreichen, um die Bürger vor gesundheitsschädlichen Lärmbelastungen zu schützen. Aktuell ist davon auszugehen, dass zwischen 5 bis 30 % der Bevölkerung in den Großstädten einer starken (Verkehrs-)Lärmbelastung ausgesetzt sind. Nach den Rückmeldungen der Städte und Gemeinden ist von einem bundesweiten Finanzierungsvolumen von rund 2 Milliarden Euro allein für eine wirksame Lärmsanierung an Straßen in kommunaler Trägerschaft auszugehen. 

Ursprünglich war im vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie eine Finanzierung der Lärmkartierung bzw. der Umsetzung von Maßnahmen aus den Lärmaktionsplänen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) vorgesehen. Im Vermittlungsausschuss wurde diese Regelung jedoch seinerzeit gestrichen. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern ein „Lärmsanierungsprogramm für Straßen in kommunaler Trägerschaft“ auflegt. Ohne Finanzhilfen des Bundes und der Länder werden die Kommunen die Aktionspläne nicht wirksam umsetzen können. Dies hätte im Ergebnis die fatale Konsequenz, dass durch einen enormen Verwaltungs-, Zeit- und Finanzaufwand die bestehenden Lärmprobleme zwar besser verwaltet, aber nicht gelöst werden können. Ein solches Ergebnis würde die Politikverdrossenheit der Bürger weiter verstärken.

Angesichts der Diskussionen um das Konjunkturpaket II wurden die Überlegungen zur Verabschiedung eines „Lärmsanierungsprogramms für Straßen in kommunaler Trägerschaft“ zunächst nicht weiterverfolgt. Allerdings sieht das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz – ZuInvG) im Bereich des Investitionsschwerpunkts Infrastruktur die Förderung von Lärmschutzmaßnahmen an kommunalen Straßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ZuInvG) für die Jahre 2009 und 2010 vor. Somit bietet das Konjunkturpaket II die Möglichkeit, einige wichtige Maßnahmen im Bereich des Lärmschutzes durchzuführen. Es muss jedoch betont werden, dass diese Infrastrukturmittel auf zwei Jahre begrenzt sind. Darüber hinaus werden sie nicht reichen, um alle im Rahmen der Lärmaktionsplanung identifizierten Lärmprobleme zu beseitigen. Gerade die städtischen Ballungsräume haben auf Grund ihrer hohen Einwohner- und Verkehrsdichte den größten Lärmsanierungsbedarf in Deutschland. Deshalb ist es dringend erforderlich, über das Konjunkturpaket II hinaus ein längerfristiges Lärmsanierungsprogramm für Straßen in kommunaler Trägerschaft aufzulegen.

(Dr. Simon Burger)

Hilfe zur Barrierefreiheit

  • Allgemein

    Wir sind bemüht, unsere Webseiten barrierefrei zugänglich zu gestalten. Details hierzu finden Sie in unserer Erklärung zur Barrierefreiheit. Verbesserungsvorschläge können Sie uns über unser Feedback-Formular Barriere melden zukommen lassen.

  • Schriftgröße

    Um die Schriftgröße anzupassen, verwenden Sie bitte folgende Tastenkombinationen:

    Größer

    Strg
    +

    Kleiner

    Strg
  • Tastaturnavigation

    Verwenden Sie TAB und SHIFT + TAB, um durch nächste / vorherige Links, Formularelemente und Schaltflächen zu navigieren.

    Verwenden Sie ENTER, um Links zu öffnen und mit Elementen zu interagieren.