I. Aktuelle Situation in der Stadtentwicklung: Gestalten ohne Finanzen
Die aktuellen Rahmenbedingungen für die Stadtentwicklung in Deutschland sind maßgeblich von der kommunalen Finanzsituation geprägt. Hier gilt mehr denn je der Grundsatz: Gestalten ohne Finanzen. Immer stärker wird deutlich, dass die Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit erreicht und die Handlungsspielräume der öffentlichen Hand stark eingeengt sind.
1. Staatsverschuldung 2009 der gesamten öffentlichen Hand: 1,7 Billionen Euro
Die Staatsverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden ist im Jahr 2009 auf knapp 1,7 Billionen Euro gestiegen. Allein im Jahr 2009 ist die Neuverschuldung des Bundes aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise auf einen Betrag von 100 Milliarden Euro (2010: Voraussichtlich 80 Milliarden Euro) angewachsen. Dies ist im Vergleich zum Jahr 2008, wo die Neuverschuldung noch 11,5 Milliarden Euro ausmachte, eine erhebliche Steigerung.
Die Verschuldung der öffentlichen Hände in Deutschland bedingen eine jährliche Zinslast von insgesamt 70 Milliarden Euro und damit eine erhebliche Bürde insbesondere für nachfolgende Generationen. Schon im Jahr 2009 belief sich die Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland angesichts der enormen Staatsverschuldung auf einen Betrag von über 20 000 Euro.
Der Haushaltsentwurf des Bundes für das Jahr 2010 sieht Gesamtausgaben in Höhe von 325 Milliarden Euro (2009: 303 Milliarden Euro) vor. Hiervon werden mit 176,7 Milliarden Euro immerhin 54,3 % für die soziale Sicherung ausgegeben.
Angesichts dieser erheblichen Leistungen für die soziale Sicherung in Deutschland wäre es verfehlt davon auszugehen, dass in diesem Bereich insgesamt zu wenige staatliche Leistungen gewährt werden. Allenfalls muss angesichts der nach wie vor bestehenden und auch zunehmenden sozialen Probleme die Frage gestellt und auch beantwortet werden, inwieweit die Ausgaben für soziale Leistungen in ausreichendem Maße zielgerichtet für die Hilfsempfänger eingesetzt werden.
Auf die Finanzsituation der Kommunen schlägt sich die Zunahme bei den sozialen Leistungen und Ausgaben erheblich nieder. Hier führen insbesondere immens gestiegene Beträge bei der Eingliederungshilfe für Behinderte, gestiegene Unterkunftskosten, aber auch sonstige Lasten, die Bund und Länder auf die Kommunen abwälzen, dazu, dass die kommunalen Ausgaben für die sozialen Leistungen im letzten Jahrzehnt auf mittlerweile über 40 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen sind:
Gleichzeitig steigt das Finanzierungssaldo der Kommunen insgesamt rapide. Hatten die deutschen Städte, Gemeinden und Kreise in den Jahren 2006 bis 2008 noch einen Finanzierungsüberschuss, betrug das Finanzierungssaldo im Jahr 2009 schon minus 3,5 Milliarden Euro. Für das Jahr 2010 wird insbesondere angesichts wegbrechender Steuereinnahmen speziell bei der Gewerbesteuer um bis zu minus 17 % sowie angesichts von Mindereinnahmen der Kommunen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit einem kommunalen Finanzierungssaldo von minus 12 Milliarden Euro gerechnet.
2. Kommunale Leistungen werden eingeschränkt
Die Kommunen werden daher gezwungen sein, ihre Leistungen für die Bürger sowie für die örtliche Wirtschaft weiter einzuschränken und Investitionen zurückzufahren. Grundschulen und Kultureinrichtungen werden geschlossen, in Bädern wird die Wassertemperatur reduziert und die Straßenbeleuchtung wird zum Teil nachts eingespart. Auch wenn diese Maßnahmen manch einem als hilfsloses Unterfangen vorkommen mögen, wird doch eines deutlich: Die kommunale Finanzsituation war nach dem 2. Weltkrieg noch nie so ernst wie heute. Dies schränkt zweifellos auch den Handlungsspielraum für die Stadtentwicklung ein. Dennoch gilt es für die Kommunen, nicht nur die Probleme zu erkennen, sondern auch die aktuellen Herausforderungen anzunehmen.
II. Herausforderungen in der Stadtentwicklung erkennen – Visionen entwickeln
Gerade angesichts der aufgezeigten finanziellen Rahmensituation der öffentlichen Hand insgesamt ist es primäre Aufgabe, den riesigen Schuldenberg schnellstmöglich zurückzuführen und die Handlungsfähigkeit der drei staatlichen Ebenen wieder herzustellen. Hierzu gehört auch, dass manchen überbordenden Ansprüchen, die zum Teil auch von der Politik erzeugt werden, entgegengetreten wird.
Für die Städte und Gemeinden kommt es darauf an, ihre zentralen Herausforderungen in der Stadtentwicklung zu erkennen und spezielle Visionen und Lösungsansätze zu entwickeln. Aus kommunaler Sicht lassen sich insbesondere folgende zehn Punkte nennen:
1. Globalisierung: Eigene Stärken ausbilden statt Resignation
Die Städte und Gemeinden und ihre Bürger erfahren die Auswirkungen der Globalisierung am ersten und unmittelbarsten: Arbeitsplätze werden verlagert oder fallen weg. Die Verunsicherung vor Ort und die Zukunftsangst der Bürger nehmen zu. Gerade deshalb gilt die Erkenntnis, dass es nicht zielführend wäre, etwa mit den südostasiatischen Staaten bei den einfachen Produkten im Billiglohnbereich zu konkurrieren. Vielmehr müssen Deutschland und seine Städte und Gemeinden ihre Stärken in den Zukunftsthemen aktiv gestalten: Bildung, Informationstechnologie, Klimaschutz und Energieeffizienz sowie Kreativität und Nachhaltigkeit.
Für die Städte und Gemeinden besteht die Herausforderung daher darin, ihre eigenen und unverwechselbaren Profile im Wettbewerb mit Anderen zu fördern („Stärken stärken“) und ihre jeweiligen Alleinstellungsmerkmale herauszustellen. Insbesondere die Umsetzung der vom amerikanischen Zukunftsforscher Richard Florida herausgestellten „TTT“ (Technologie, Talente, Toleranz) bieten den Boden für einen zukunftsgerechte Entwicklung. Dabei hat Deutschland mit seiner dezentralen Raum- und Siedlungsstruktur sowie mit seiner Vielfältigkeit gerade im Vergleich zu zentral ausgerichteten Staaten vorteilhafte Entwicklungschancen.
2. Demografie und Schrumpfung: Steuerung und Chancen nutzen
Auch die demografische Entwicklung in Deutschland („Wir werden weniger, älter, bunter und einsamer“) gehört bei aller Unterschiedlichkeit in den einzelnen Regionen, deren Schnittstelle sich längst nicht mehr an einer Ost-West-Grenze festmachen lässt, zu den zentralen Herausforderungen für die Städte und Gemeinden. Der Umgang hiermit entscheidet letztlich auch über den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg unserer Gesellschaft. Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft nicht nur von gegenwärtig ca. 82 Millionen Einwohnern auf ca. 75 Millionen Einwohnern bis zum Jahr 2050 (Mittlere Bevölkerungsprognose). Sie altert überdies in einem rapiden Maße. Schon heute sind 26 % der Bürger über 60 Jahre und nur 18 % unter 20 Jahre. Weiter wird schon in den nächsten drei Jahren die Zahl der über 80-Jährigen in Deutschland von gegenwärtig ca. drei Millionen auf über 3,5 Millionen Bürger steigen. Bereits im Jahr 2035 wird zudem mehr als die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Folge für die Kommunen in den zusätzlich von Abwanderung betroffenen „Schrumpfungsregionen“ ist insbesondere, dass weniger Steuerzahler auch weniger direkte Steuereinnahmen bedeuten. Weiter sind erhebliche und kostenintensive Infrastrukturanpassungen, etwa bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung, aber auch im Bereich von Schulen und Kindergärten sowie im Sozial- und Altenbereich, erforderlich.
Was wir angesichts der demografischen Entwicklung daher brauchen ist eine umfassende Politik, die nicht nur einzelne Sparten, wie die Senioren- oder Familienpolitik, beinhaltet. Gerade in der Bildungspolitik müssen wir vielmehr die demografische Entwicklung auch als Chance und Herausforderung nutzen: Weniger Schüler können und müssen zukünftig bei gleicher Lehrerzahl in kleineren Klassen besser betreut werden. Auch eine aktive Seniorenpolitik muss das hohe Potential älterer Menschen und deren Erfahrungen verstärkt nutzen. Dies bedingt auch, dass zum Beispiel nicht nur der 60-Jährige, sondern auch der 70-Jährige, der heute nicht selten noch Abenteuerurlaube macht, mit seinen Erfahrungen in den Städten und Gemeinden für ein bürgerschaftliches Engagement unverzichtbar sein kann.
Auch im Bereich der Stadtentwicklung ist trotz anhaltender Schrumpfung der Bevölkerung durch Kommunen eine gezielte Steuerung, etwa hin zu einer verstärkten Innenentwicklung machbar: Beispiele sind die Wächterhäuser in Leipzig, wo Bürger leerstehende sowie hochwertige und renovierte Innenstadthäuser (Altbauten) bei Zahlung der Heiz- und Energiekosten nutzen können, um sie dem Verfall zu entziehen. Beispielhaft ist auch das in Görlitz stattfindende „Probewohnen“. Hier wird Bewohnern, die bisher zum Teil in Plattenbauten am Rande der Stadt wohnten für einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit gegeben, in renovierte Häuser der historischen Altstadt zu ziehen, um nach dieser „Schnupperzeit“ ggf. gänzlich zum Umzug bewegt zu werden. Beide Modelle sind Wege hin zu einer nachhaltigen Innenentwicklung („Kompakte Stadt“) unserer Städte und Gemeinden.
3. Klima- und Ressourcenschutz: „Global denken – lokal handeln“
Eine weitere zentrale Herausforderung der Kommunen beinhaltet der Klima- und Ressourcenschutz. Die Kommunen sind als bürgernächste Ebene am besten in der Lage, das Postulat „Global denken - lokal handeln“ zu erfüllen. Als für die Bauleitplanung Verantwortliche, etwa im Bereich der Anlagen für erneuerbare Energien, als Energielieferant (Stadtwerke), als Verbraucher (ca. 40 000 Schulen und 50 000 Kindergärten) sowie als Vorbild und Berater für Bürger und Wirtschaft sind die Städte und Gemeinden in einer zentralen Rolle.
Die zukünftige Energiepolitik sowie die Energieeinsparung ist längst nicht mehr nur reine Umweltpolitik, sondern mehr und mehr auch Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bereits heute arbeiten allein im Bereich der Erneuerbaren Energien in Deutschland ca. 300 000 Personen. Auch als Standortfaktor für Städte und Gemeinden wird eine umweltgerechte, klimafreundliche und ressourcensparende Gemeinde immer bedeutsamer. Die Nutzung Erneuerbarer Energien, eine dezentrale Versorgung (Kraft-Wärme-Koppelung etc.), geringe Lärm- und Luftbeeinträchtigungen oder auch die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme werden damit immer mehr zum Maßstab für Lebensqualität sowie zum Leitbild von Städten und Gemeinden werden.
4. Sozialen Zusammenhang stärken
Eine der großen Herausforderungen für die Städte und Gemeinden ist die Stärkung des sozialen Zusammenhangs und die Verhinderung einer zunehmenden Segregation zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Hier gilt es insbesondere, Familien, Kinder und Alleinstehende aktiv und tatsächlich zu fördern und speziell an der Bildung, der Kultur und dem gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.
Eine Förderung der gegenseitigen Solidarität, etwa durch Mehr-Generationen-Wohnen und durch die Übernahme von Patenschaften, ist insoweit vordringlich. In diesem Zusammenhang ist es auch wesentlich, die Transparenz kommunaler Entscheidungen zu erhöhen und die Bürger durch umfassende Informationen, etwa über erforderliche Ausgaben und hieraus resultierende Belastungen, an der Entwicklung in den Kommunen aktiv mitbestimmen und teilhaben zu lassen.
5. Zivilgesellschaft aktivieren – Bürgerkommune fördern
Bei aller Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit innerhalb der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Deutschlands muss ein Grundsatz gelten: Ein Zusammenleben der Zivilgesellschaft insgesamt muss sich als Grundlage an den Werten „gegenseitige Toleranz, Gemeinwohlorientierung, Respekt und auch Kooperationsfähigkeit“ orientieren. Dies bedingt, dass die Werte unserer Verfassung von allen geachtet und beachtet werden. Umgekehrt kommt die Politik und auch die Verwaltung in den Städten und Gemeinden nicht umhin, sich für neue Dialogformen zu öffnen. Insbesondere müssen die Bürger nicht nur über die klassischen Einrichtungen Kommune und Schulen, sondern auch über Unternehmen, Vereine, Kultureinrichtungen etc. aktiviert werden. Hier gilt es, die verschiedenen Akteure auf kommunaler Ebene zu vernetzten und bei Beachtung des Grundsatzes „Fördern und Fordern“ zu einer starken Zivilgesellschaft beizutragen.
6. Innenstädte und Ortskerne stärken
Innenstädte und Ortskerne sind der Schlüsselfaktor für die Stadtentwicklung. Insbesondere in den Zentren unserer Städte und Gemeinden spiegelt sich brennglasartig die soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Entwicklung unserer Gesellschaft wieder. Der gesamten Politik muss es daher ein Kernanliegen sein, speziell die Innenstädte und Ortskerne zu stärken. Diese sind Identifikationsfaktoren für die Bürger in unseren Gemeinden. Die gravierenden Umstrukturierungsprozesse in unseren Ortskernen und Innenstädten, die sich beispielhaft an der häufig problematischen Situation eines – fehlenden – verbrauchernahen Einzelhandels festmachen, gefährden unsere Zentren in zunehmendem Maße. Die Stärkung der Innenstädte und Ortskerne muss daher ressortübergreifend stattfinden und alle Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) sowie die private Wirtschaft erfassen. Sie muss zu einem Kernanliegen der Politik und der gesamten Gesellschaft werden.
Die Stärkung des Wohnens in den Ortskernen und Innenstädten, insbesondere für Familien mit Kindern, und die Gewährleistung einer hohen Lebensqualität ist dabei eine zentrale kommunale Zukunftsaufgabe. Hierzu gehört ganz entscheidend ein vitaler Nutzungsmix. Gerade junge Familien, aber auch ältere Menschen, profitieren von der Nähe des Einzelhandels sowie von wichtigen Infrastruktureinrichtungen im Schul-, Gesundheits-, Sozial-, Bildungs-, Freizeit- und Kulturbereich. Notwendig für eine verstärkte Ansiedlung dieser Bevölkerungsgruppe in unseren Ortskernen ist jedoch, dass für diesen Personenkreis das Wohnen sowohl preislich als auch qualitativ nachfragegerecht ausgestaltet wird.
Die Expansion von neuen Verkaufsflächen im Einzelhandel von elf Millionen Quadratmetern noch im Jahr 1950 auf heute ca. 130 Millionen Quadratmeter, nicht selten auf der „Grünen Wiese“ und an nicht integrierten Standorten, hat oftmals zu Leerständen und einem anhaltenden Abwärtstrend in unseren Innenstädten und Ortskernen geführt. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch eine zunehmende Filialisierung. Im Vollzug nicht selten unzureichende Vorgaben der Regionalplanung sowie ein Defizit an interkommunal verbindlichen Einzelhandelskonzepten treten oftmals hinzu. Eine zunehmende Kannibalisierung im Bereich des Einzelhandels und eine Verödung der Ortskerne sowie vermehrt monostrukturierte und zumindest in ihren Fußgängerzonen und Innenbereichen vom Ortsbild her „austauschbare“ Städte und Gemeinden sind die Folge.
Ziel muss es daher sein, unsere Innenstädte und Ortskerne mit ihren jeweiligen Versorgungsfunktionen zu sichern und durch eine gute Parkraumbewirtschaftung sowie eine verkehrliche (ÖPNV-)Anbindung wettbewerbsfähig speziell gegenüber der „Grünen Wiese“ zu machen. Die Erstellung von verbindlichen (interkommunalen) Einzelhandels- und Zentrenkonzepte mit speziellen Sortimentsvorgaben ist dabei eine wesentliche Grundlage.
Zusätzlich muss das städtebaurechtliche Instrumentarium, insbesondere des § 11 Abs. 3 der BauNVO, genutzt werden, um Handelsansiedlungen im Sinne einer positiven Entwicklung der Städte und Gemeinden zu steuern. Im Sinne einer breiten „Einzelhandelsstrategie“ empfiehlt es sich dabei für Städte und Gemeinden, gemeinsame Zielvereinbarungen mit dem Handel (Flächenmanagement/Citymarketing/Gestaltung etc.) und den Bürgern zur Stärkung der Innenstädte und Ortskerne und damit zur Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung nicht nur zu entwickeln (Leitbild etc.), sondern auch umzusetzen. Ganz speziell ist auch der Einzelhandel selbst gefordert („Der Einzelhandel heißt Einzelhandel, weil er einzeln handelt“), durch gemeinsam von allen getragene sowie durch vollzugsorientierte Konzepte und durch eine bessere Kundenorientierung zur Attraktivitätssteigerung der Innenstädte und Ortskerne beizutragen.
7. Baukultur fördern – Das Auge genießt mit
Der lange Zeit in unseren Städten und Gemeinden vernachlässigte und nicht ausreichend wahrgenommene Standortfaktor einer qualitätsvollen Baukultur sowie die Steigerung der Qualität von öffentlichen Plätzen haben als Merkmal für eine positive Stadtentwicklung in jüngerer Zeit erheblich an Stellenwert gewonnen. Die Diskussion über die – städtebauliche und architektonische – Schönheit einer Stadt und Gemeinde ist zunehmend aus dem reinen Blickwinkel der Fachleute herausgewachsen und bewegt die Bürger mehr denn je. Als Beispiel für diese Diskussion und den Umgang damit steht die intensiv diskutierte Frage des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses sowie der Schlösser in Potsdam und Hannover. Auch die in Frankfurt/Main in der Bevölkerung erörterte „Wiederherstellung“ nicht mehr vorhandener Bauten in der Innenstadt gehört in diesen Zusammenhang.
Hinter all diesen Bestrebungen ist ebenso wie bei der Wiederbebauung des Neumarkts in Dresden mit der neu aufgebauten Frauenkirche auch die Sehnsucht vieler Bürger nach der „Schönen Stadt“ zu erkennen. Sicherlich kann der in Dresden beschrittene Weg des Wiederaufbaus eines ganzen Stadtviertels in der Innenstadt kein allgemein gültiges Beispiel für andere Städte und Gemeinden sein. Hierfür sind Traditionen und die örtlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Kommunen zu unterschiedlich. Auch dürfen Innenstädte und Ortskerne nicht ausschließlich zum historischen Museum für Touristen werden.
Entscheidend ist aber stets, dass die Städte und Gemeinden ihr eigenes baukulturelles Profil erkennen und stärken. Dieses Profil muss einerseits durch moderne und qualitätsvolle Bauten ergänzt werden. Andererseits ist es unabdingbar, dass die Städte und Gemeinden ihre erhaltenswerten Bauten, Plätze sowie ihren Denkmalbestand vor Beeinträchtigungen schützen und ihr spezifisches baukulturelles Erbe bewahren und weiter entwickeln.
8. Innovationen in den Kommunen vorantreiben
Die Herausforderungen in der Stadtentwicklung setzen voraus, dass in den Kommunen die notwendigen Innovationen und Technologien zur Verfügung stehen und auch angewandt werden können. Dies bedingt gerade für den ländlichen Raum einen flächendeckenden Ausbau des Breitbandes. Darüber hinaus wird es in Zukunft darauf ankommen, verstärkt innovative Technologien mit der Stadtentwicklung und der Stadtplanung zu verzahnen. Hierbei kommt insbesondere der Elektromobilität und dem Ausbau Erneuerbarer Energien eine zentrale Bedeutung zu. Wenn die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge – am besten betrieben aus Erneuerbaren Energien – auf die Straße bringen will, geht dies nur in enger Abstimmung und im Rahmen der kommunalen Stadtentwicklung und Stadtplanung.
9. Stadtentwicklung als Gesamtgesellschaftsaufgabe stärken
Stadtentwicklung kann nur dann in Zukunft erfolgreich sein, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen verstanden und auch umgesetzt wird. Hier sind die Städtebauförderungsprogramme (Stadtumbau, Soziale Stadt etc.) von Bund, Ländern und Kommunen mit ihrem integrierten Ansatz, ihrem Gebietsbezug, der Bürgereinbindung und der Bündelung der Mittel ein ebenso gutes Beispiel wie im tatsächlichen Bereich die Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen für eine nationale Stadtentwicklungspolitik.
Im Bereich der Städtebauförderung wird es aber zukünftig angesichts der Begrenzung der Mittel und der Befristung und Überprüfung der Finanzhilfen (siehe Art. 104b GG) nicht nur zu einer größeren Projektorientierung kommen. Auch sind wegen der in den Kommunen immer weniger vorhandenen Möglichkeit zur Bereitstellung des kommunalen Eigenanteils neue und innovative sowie flexible Finanzierungsmodelle, auch über eine verstärkte Einbindung privater Finanzierungsfonds, erforderlich.
10. Städtebaurecht zurückhaltend fortentwickeln
Die anstehende Novellierung des Städtebaurechts (BauGB und BauNVO) sollte aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ergebnisoffen und zurückhaltend erfolgen. Der städtebaurechtliche Instrumentenkasten mit seinen aus differenzierten Möglichkeiten ist sowohl im Baugesetzbuch als auch in der Baunutzungsverordnung in breiter Form vorhanden. Auch ist der Klimaschutz bereits heute durch die kommunale Bauleitplanung weitgehend steuerbar. Insoweit kommt es hier ohnehin primär darauf an, nicht zu sehr die (wenigen) Neubaugebiete, sondern den Bestand in den Focus zu nehmen. Ob im Bereich der Themen „Städtebaurecht und Einzelhandel, Innenentwicklung sowie Erneuerbare Energien“ daher größere Novellierungen erforderlich sind, muss fachlich gemeinsam mit den Kommunen genau geprüft werden.
III. Fazit
Die Herausforderungen für die Städte und Gemeinden an die zukünftige Stadtentwicklung sind vielfältig. Sie lassen sich vor dem Hintergrund der aufgezeigten Problemfelder nur bewältigen, wenn die Städte und Gemeinden wieder in die Lage versetzt werden, aktiv gestalten zu können. Dies bedingt vorrangig, dass speziell der Bund und die Länder für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen Sorge tragen und insbesondere eine Reduzierung der kommunalen Kosten im Sozialbereich bewirken. Insgesamt sind neben den Kommunen selbst sowohl die EU-Politik als auch der Bund und die Bundesländer zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen aufgefordert, die Kommunen zu unterstützen. Die Europäische Union muss daher ebenso wie Bund und Länder im Interesse der Kommunen und deren großen Bedeutung für die Gesamtentwicklung in unserer Gesellschaft den Schlussappell der „Leipzig Charta“ ernst nehmen und auch umsetzen. Dieser lautet:
„Europa und Deutschland brauchen starke Städte und Gemeinden!“