Erwartungen des DStGB an die Städtebaurechtsnovelle

A. Beschluss des Präsidiums des DStGB vom 15. Juni 2010

1.     Das Präsidium erwartet, dass die geplante Novellierung des Bundesstädtebaurechts (BauGB / BauNVO) auf das unbedingt Erforderliche beschränkt wird. Neben einer engen Einbindung des DStGB bereits in die Vorarbeiten der Novelle sind die endgültig vorgesehenen Neuregelungen vorab durch ein Planspiel der Städte und Gemeinden zu erproben.

2.    Das Präsidium spricht sich dafür aus, die BauNVO zu ändern und Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten allgemein zuzulassen. Kindergeräusche sind natürliche und sozialadäquate Lebensäußerungen, die nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen gleichgestellt werden dürfen.

3.    Das Präsidium stimmt den in der Begründung im Übrigen wiedergegebenen Leitlinien des DStGB an eine Novellierung des Bundesstädtebaurechts zu.


B. Begründung

I.    Novellierung von BauGB und BauNVO

Die Bundesregierung will in dieser Legislaturperiode das BauGB und die BauNVO novellieren. Hierzu werden noch im Jahr 2010 vier sogenannte „Berliner Gespräche“ unter Einbindung der kommunalen Spitzenverbände stattfinden. In diesen unter Workshopcharakter stattfindenden Gesprächen werden folgende für die Novellierung aus Sicht der Bundesregierung relevante Themen behandelt:

1.    Klimaschutz und Förderung Erneuerbarer Energien im Städtebaurecht
2.    Änderungsbedarf bei der Baunutzungsverordnung
3.    Weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Erleichterung der Innenentwicklung
4.    Gesamtkonzept der Änderung von BauGB und BauNVO.

Die Gesprächsreihe soll mit einer Festveranstaltung „50 Jahre Bundesbaugesetz / Baugesetzbuch“ am 19. November 2010 in Berlin abgeschlossen werden. Die Diskussionsergebnisse sind Grundlage für die Bundesregierung und den Gesetzgeber im anschließenden Gesetzgebungsverfahren. Zeitlich ist geplant, das novellierte Städtebaurecht zum Ende dieser Legislaturperiode in Kraft zu setzen.

II. DStGB-Forderung: Zurückhaltung bei der Novellierung

Der DStGB erkennt zwar an, dass es einen punktuellen Änderungsbedarf im Städtebaurecht geben kann. Angesichts einer nahezu schwindelerregenden Novellierungsabfolge von acht, zum Teil sehr umfangreichen Neuregelungen, in den letzten gut 20 Jahren im Städtebaurecht muss jedoch die Praxis von „kurzatmigen Novellierungen“, die ohne Mehrwert für die Kommunen wären, verschont werden. Dies gilt umso mehr, als dass es anders als bei den letzten Novellen keinen zwingenden EU-(umwelt-) rechtlichen Anlass für notwendige Änderungen gibt. Hinzu kommt, dass gerade das BauGB mit seinem breiten Spektrum des Bauplanungsrechts, der städtebaulichen Verträge, der Stadterneuerung und der Einbeziehung privater Akteure im Allgemeinen einen ausreichenden Instrumentenkasten für die Lösung der städtebaurechtlichen Probleme bereithält. Dies betrifft im Grundsatz auch den Themenkomplex Klimaschutz und Förderung Erneuerbarer Energien, der städtebaurechtlich oftmals über Verträge zwischen der Gemeinde und dem Investor einer Lösung zugeführt werden kann. Darüber hinaus liegen gerade hier die Probleme häufig nicht im Bereich der Neuplanungen, sondern im Bestand. Konsequenz sollte daher insgesamt sein, eine etwa erforderliche Novellierung des Städtebaurechts auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen.

Jedenfalls ist es zwingend erforderlich, die im Ergebnis vorgesehenen Rechtsänderungen in einem Planspiel mit den Praxisanwendern, also den für die Planung verantwortlichen Städten und Gemeinden, zu erproben.

III. Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten allgemein zulassen

Während Kindertageseinrichtungen in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig sind, sind sie nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in reinen Wohngebieten – anders als etwa Altenpflegeheime – nur ausnahmsweise zugelassen.

Zwar haben die Städte und Gemeinden auch nach der schon heute bestehenden Rechtslage die Möglichkeit, bei einer Neu- oder Änderungsplanung auch in reinen Wohngebieten Kindertagesstätten als allgemein zulässige Vorhaben gemäß § 1 Abs. 6 BauNVO festzusetzen. Insoweit kann auch das unkomplizierte und vereinfachte Verfahren nach § 13a BauGB genutzt werden. Selbst bei bestehenden Bebauungsplänen kann im Einzelfall die Zulässigkeit von Kindertagesstätten in  reinen Wohngebieten im Wege einer Ausnahme bzw. Befreiung ermöglicht werden, so dass der zum Teil in der Öffentlichkeit entstandene Eindruck der „Kinderfeindlichkeit“ des Städtebaurechts in dieser Allgemeinheit nicht gerechtfertigt ist.

Dennoch ist es rechts- und gesellschaftspolitisch sachgerecht, die „natürlichen Geräusche“ auf Spielplätzen und in Kindertagesstätten auch baurechtlich als insgesamt sozialverträglich einzustufen und damit Kindergärten in reinen Wohngebieten allgemein zuzulassen.

Diese auch vom Bundestag und Bundesrat unterstützte Rechtsänderung ist nicht zuletzt deswegen erforderlich, weil einerseits der Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren bis zum Jahr 2013 vielerorts weitere Investitionen in Kindertagesstätten erforderlich macht; andererseits ist in vielen Kommunen feststellbar, dass die Anwohner von geplanten und vorhandenen Kinderspielplätzen und auch Kindertagesstätten zunehmend empfindlicher auf Kindergeräusche reagieren und auch in verstärktem Maße bereit sind, mit Rechtsmitteln gegen den Kinderlärm in ihrer Nachbarschaft vorzugehen. So wird aus Heidelberg berichtet, dass dort gegen alle fünf geplanten Kindertagesstätten von einzelnen Nachbarn Widerstand bzw. Klagen angekündigt seien. In diesem Zusammenhang hat jüngst auch der Landesvorsitzende der Senioren-Union NRW gefordert, Kindertagesstätten aufgrund des Lärms möglichst aus Wohngebieten herauszuhalten.

Daher würde mit einer allgemeinen Zulässigkeit von Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten ebenso wie über eine parallel notwendige Änderung der immissionsschutzrechtlichen Regelungen ein eindeutiges Signal gesetzt: Natürliche Kindergeräusche sind prinzipiell etwas anderes als der Lärm von Autos, Baggern oder Fabriken. Sie können daher nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen gleichgestellt werden. Auch kann es nur im Interesse der Gesamtbevölkerung und einer Mischnutzung in den Gemeinden liegen, dass Kinder nicht aus bestimmten Gebieten verdrängt werden, sondern Kindertagesstätten, aber auch Kinderspielplätze, grundsätzlich wohnortnah eingerichtet werden können. Der Zunahme von Gerichtsentscheidungen (siehe etwa OVG Hamburg vom Oktober 2008), die einer Nachbarklage gegen eine geplante Kindertagesstätte stattgegeben haben, muss daher auch rechtlich sowohl durch eine Änderung der BauNVO als auch der immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen entgegengetreten werden.

IV. Weitere Leitlinien des DStGB

Im Weiteren sind punktuelle Änderungen im Städtebaurecht vorzunehmen. Diese müssen dem Ziel einer Erweiterung kommunaler Handlungsmöglichkeiten dienen und aktuellen Praxiserfordernissen genügen.

Dies beinhaltet insbesondere die Forderung, den Gemeinden einen Verzicht auf die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung über die gegenwärtigen Bebauungspläne der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB (Bis zu 20 000 Quadratmetern Grundfläche) hinaus zu ermöglichen. Insoweit hat sich auch der 3. Deutsche Baugerichtstag am 07. und 08. Mai 2010 in Hamm in einem Arbeitskreis (Referenten: Professor Krautzberger, Professor Stüer, Beigeordneter Portz; Arbeitskreisleiter: Professor Dr. Dr. Durner, Universität Bonn, Stellvertreter: Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stephan Gatz) mit der Thematik befasst. Dabei hat der Baugerichtstag dem Bundesgesetzgeber mit überwiegender Zustimmung folgendes empfohlen:

„Die gegenwärtig nur bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 2 Nr. 4 BauGB bestehende Möglichkeit eines Verzichts auf den Eingriffsausgleich sollte zugleich im Sinne eines Freiraumsschutzes auf den gesamten Bereich der Innenentwicklung erweitert werden. Dabei sollte die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffregelung generell in das pflichtgemäße Ermessen der planenden Gemeinden gestellt werden.“

Mit dieser Empfehlung ist einem einstimmig Beschluss des DStGB-Ausschusses für Städtebau und Umwelt in seiner Sitzung vom 19./20. April 2010 in Hünfeld gefolgt worden.

Weitere punktuelle Novellierungserfordernisse können sich u. a. bei den Themenbereichen Städtebaurecht und Klimaschutz / Erneuerbare Energien / Wärmedämmung; Außenbereichsregelung (gewerbliche Tierhaltung / Biomasseanlagen) sowie Erleichterung der Innenentwicklung ergeben.

Auch insoweit werden die Erwartungen des DStGB darauf gerichtet sein, kommunale Handlungsspielräume zu erweitern und den konkreten Bedürfnissen der kommunalen Praxis Rechnung zu tragen.

C. Zusammenfassung

Die anstehende Novellierung des Bundesstädtebaurechts (BauGB und BauNVO) muss sich nach Auffassung des DStGB auf das unbedingt Erforderliche beschränken. Vor einer endgültigen Novellierung des Städtebaurechts ist es erforderlich, dass die vorgesehenen Neuregelungen in einem Planspiel mit den Praxisanwendern, also den für die Planung verantwortlichen Städten und Gemeinden, erprobt werden.

Der DStGB befürwortet eine Novellierung der Baunutzungsverordnung mit dem Ziel, zukünftig auch in reinen Wohngebieten Kindertagesstätten für allgemein zulässig zu erklären. Wohnortnahe Kindergeräusche sind natürlich und sozial adäquat. Keinesfalls sind sie mit dem Umweltlärm von Autos oder Industrieanlagen vergleichbar. Sie müssen daher sowohl bau- wie immissionsschutzrechtlich anders behandelt werden.

Im Weiteren ist im Zuge der Novellierung des Bundesstädtebaurechts eine Erweiterung kommunaler Handlungsspielräume erforderlich. Damit verbunden ist insbesondere der (fakultative) Verzicht der Gemeinden auf die zwingende Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zumindest im gesamten Innenbereich.

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