Baukultur findet in unseren Städten und Gemeinde statt

Insbesondere die Leserbriefspalten und Feuilletons unserer Zeitungen belegen es: Nicht nur die Projekte von nationalem Interesse, wie der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, die im „alten Stil“ erfolgende Wiederbebauung des Neumarktes in Dresden  oder die (Teil-) Rekonstruktion der Frankfurter Innenstadt werden engagiert mit Pro und Contra diskutiert. Noch viel mehr bewegt die Bürger der Umgang mit der gebauten Umwelt in ihrer eigenen Stadt und Gemeinde. Hier ist die unmittelbare Betroffenheit am größten. Anders als bei einem schlechten Film oder einem schlechten Buch können wir uns der gebauten Umwelt nicht entziehen. Sie wird täglich und jederzeit beim Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, in der Freizeit und sogar zu Hause in den eigenen vier Wänden erlebt. Baukultur geht daher alle an. Sie bestimmt das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Bürger mit und ist längst vom weichen zum harten Standortfaktor geworden.

Speziell der öffentliche Raum und hier die Lebendigkeit sowie Bau- und Aufenthaltsqualität öffentlicher Plätze in unseren Kommunen bilden maßgebliche Faktoren einer guten, aber leider auch nach wie vor zu häufig schlechten Baukultur. Der Cappuccino trinkt sich eben dort besser, wo auch das Auge eine qualitätsvolle Gestaltung erlebt, weil damit das Wohlbefinden steigt: Das Auge genießt mit.

Baukultur beschränkt sich nicht auf die klassische Hochbauarchitektur sowie erst recht nicht auf Leuchtturmprojekte. Sie umfasst insbesondere auch den Umgang mit der Landschaft und dem Freiraum.

Viele Städte und Gemeinden, in deren Gebiet eine massive Aufstellung von Windkraftanlagen und Überlandleitungen oder auch im Innenbereich von Mobilfunkantennen erfolgt, erfahren dies durch gehäufte Bürgerproteste. Ein immer wieder geäußerter Kritikpunkt ist die „ästhetische Umweltverschmutzung“ durch die mit den Windkraftanlagen verbundene Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes.

Wie dieses Beispiel zeigt, beinhaltet Baukultur daher stets eine starke gesellschaftliche und soziale Komponente. Baukultur kann und darf nie Selbstzweck sein. Sie ist umso besser, je mehr der Bürger sie annimmt und mit ihr „kommuniziert“. Seit langem ein positives Beispiel bildet die Reichstagskuppel in Berlin, die die Bürger jeden Tag aufs Neue in großer Zahl und mit Begeisterung „ergeht“ und damit unmittelbar erfährt. Die gleiche positive Erfahrung können Bürger beim Gang in ihre Innenstädte und Ortskerne machen. Auch hier entscheidet sich alltäglich an Hand einer gelungenen oder auch eher abstoßenden Architektur und Baukultur, ob ein Quartier von den Bewohnern, den Bürgern und auch der örtlichen Wirtschaft (Handel etc.) angenommen wird oder nicht.

Baukultur mussnicht spektakulär sein

Es wäre daher falsch, Baukultur auf die spektakulären Spitzenleistungen in unserem Land zu beschränken. Baukultur ist am intensivsten in unserer täglichen Umgebung erlebbar. Sie spiegelt sich in den Alltagsbauten und der Landschaft einer Gemeinde wieder. Maßstab ist daher nicht nur das Erscheinungsbild unserer Altstädte und das (Nicht-) Vorhandensein (überflüssiger) Reklame an den Hauswänden. Auch der Umgang mit neuen Wohn- und Gewerbegebieten sowie der Umbau und die Nutzung vorhandener Bauten und die Gestaltung öffentlicher Plätze sind hierbei entscheidend. Gerade den typischen Arbeiter- und Wohnzeugnissen des Ruhrgebiets (Zechensiedlungen etc.), die durch das Kulturhauptstadtjahr einem breiten Publikum wieder nahe gebracht werden, kommt für den Umgang mit Baukultur eine hohe Bedeutung zu. Für Nordrhein-Westfalen sind aber ebenso die ländlichen (Bau-) Strukturen im Münsterland, dem bergischen Land oder der Eifel prägend und spielen daher eine große Rolle. Qualität setzt dabei insbesondere das Eingehen auf den „genius locii“ voraus. Jeder Ort und jeder Platz hat seine eigene Geschichte und seine eigenen Wurzeln und steht auch in einem anderen Kontext zur umgebenden Bebauung. Das Schwarzwaldhaus gehört ebenso wenig ins Münsterland wie das kanadische Trapperhaus in den Schwarzwald.

Die Gewährleistung einer qualitätsvollen Gestaltung erfordert die Sensibilität für gestalterische Werte. Diese ist um so mehr zu erreichen, je mehr die Einsicht wächst, dass die örtliche Gemeinschaft selbst in eigener Verantwortung für gute Architektur und Baukultur in der Gemeinde zu sorgen hat. Speziell der alle Bürger angehende und oftmals vernachlässigte öffentliche Bereich benötigt eine gemeinsame Erarbeitung der Konzepte.

Erst eine sorgfältige Ortsbildanalyse auf der Grundlage der speziellen Ortsgeschichte bietet die Möglichkeit zur Entwicklung einer ortsgerechten Gestaltung. Zu den Gestaltbereichen, die einen maßgeblichen Anhaltspunkt für eine auch künftige qualitätsvolle städtebauliche Entwicklung in den Gemeinden bieten, gehören neben der Historie insbesondere die Grundstücksstruktur, die Baukörpergestaltung, die Gestaltung der Dachlandschaft, die Fassadengestaltung sowie die Gestaltung des Umfeldes.

Städte und Gemeinde tragen hohe Verantwortung

Die Städte und Gemeinde tragen für eine gute Baukultur eine große Verantwortung. Denn Baukultur wird immer vor Ort, also in den Kommunen erlebbar. Die Gemeinden sind daher für die Bürger auch in Sachen Baukultur die ersten Ansprechpartner. Ferner tragen die Städte und Gemeinden durch eine an Qualitätskriterien orientierte Stadtplanung die maßgebliche Verantwortung für die Gestaltung der bebauten Umwelt. Sie sind Träger der Bauleitplanung und für die Aufstellung sowohl von Erhaltungs- und Gestaltungs- als auch von Denkmalbereichsatzungen verantwortlich. Auch im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens müssen die hier zuständigen Kommunen für die Gewährleistung einer qualitätsvollen Gestaltung Sorge tragen.

Gerade die Qualitätsansprüche an die durch die Leipzig-Charta zu Recht herausgestellte europäische Stadt müssen auch für die Zukunft angenommen werden. Globalisierung, demografische Entwicklung, der Einfluss der Investoren auf die Städte und Gemeinden („Verkaufte Stadt“) sowie insbesondere auch die Zunahme leerstehender Wohnungen nicht nur in ostdeutschen Kommunen bergen große Herausforderungen, aber auch Chancen in sich.

Dies gilt gerade für den ländlichen Raum, der in vielen Bereichen nach wie vor vom Strukturwandel und einer zurückgehenden Landwirtschaft geprägt ist und daher für sich neue Profile entwickeln muss. Die Kommune muss alle diese Herausforderungen brennglasartig annehmen. Sie ist der Ort der Identifikation für die Bürger. In den Städten und Gemeinden muss Baukultur daher als stetiger Netzwerkprozess unter Einbindung aller Akteure, also insbesondere der Bürger, der Architekten, der Vereine und der Kultur sowie des Handels und der übrigen Wirtschaft verstanden werden: Für Baukultur tragen daher alle Verantwortung.

Gerade in Zeiten unauskömmlicher eigener kommunaler Finanzmittel dürfen die den Städten und Gemeinden vom Bund und den Ländern zur Verfügung gestellten finanziellen Fördermittel keinesfalls gekürzt werden. Die vom Bund geplante Halbierung der Städtebauförderungsmittel ab dem Jahre 2011 auf nur noch 305 Mio. Euro muss daher entschieden abgelehnt werden. Dies gilt umso mehr als dass nach wissenschaftlichen Berechnungen ein Euro an öffentlicher Förderung bis zu acht Euro an öffentlichen und privaten Folgeinvestitionen insbesondere bei Planern sowie dem örtlichen Handwerk auslösen. Neben der finanziellen Unterstützung sind auch die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten einer Kommune in den Focus zu nehmen. Eine auf Qualität ausgerichtete Bauleitplanung und die rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltungssteigerung durch Gestaltungs-, Erhaltungs- sowie Denkmalschutzsatzungen sollten dabei ebenso genutzt werden wie die Einbindung des Sachverstandes von Bürgern und Architekten in Form kommunaler Gestaltungsbeiräte.

Allerdings lässt sich das Bewusstsein von gestalterischer Qualität nicht verordnen. Die Durchführung öffentlicher Wettbewerbe sowie insbesondere die Vorbildfunktion von Bauten der Städte und Gemeinden im öffentlichen wie im privaten Bereich sind daher rechtlichen Anordnungen gegenüber stets vorzuziehen.

Entscheidend ist, dass sich über Baukultur in den Städten und Gemeinden ein konstruktiver und kreativer Dialogprozess entwickelt, der bei möglichst vielen Bürgern eine positive Betroffenheit auslöst. Dieser von der Gemeinde als verantwortlicher Akteur maßgeblich zu gestaltende Dialog kann das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines hohen baukulturellen Niveaus fördern und bündeln. Ein derartiger Prozess steigert die Identifikation mit der örtlichen Gemeinde und hat insbesondere den Vorteil, dass er all diejenigen einbindet, die Baukultur angeht.

DStGB unterstützt „Bundesstiftung Baukultur“ und Engagement der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) unterstützt daher die vom in Potsdam ansässige „Bundesstiftung Baukultur“ und sieht in ihr ein breites Bündnis zur Förderung einer bundesweit ausgerichteten qualitätsvollen Baukultur. Zu loben ist aber insbesondere das hervorragende und breit ausgerichtete Engagement der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in Sachen „Baukultur und vorbildliches Bauen.“ Seit langem ist die auf Mitwirkung angelegte Initiative der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, mit der jedes Jahr konkrete und vorbildliche Beispiele von Planungen, aber insbesondere auch von fertig gestellten öffentlichen und privaten Bauten gewürdigt und ausgezeichnet werden im Sinne einer Plattform dazu prädestiniert, gute Baukultur in Nordrhein-Westfalen voranzubringen. Eine Folge ist, dass hierdurch das Bewusstsein für den Wert einer guten gebauten Umwelt steigt und Baukultur dauerhaft als Anspruch und Ansporn für uns alle verstanden wird.

Leitlinien des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zur Stärkung der Baukultur in den Städten und Gemeinden

Der DStGB hat bereits vor Jahren die folgenden 10 Leitlinien zur Stärkung der Baukultur in den Städten und Gemeinden beschlossen:

1.    Unattraktive Städte und Gemeinden beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität der Bewohner. Sie gefährden auch ihre Funktion als Wirtschaftsstandort. Die Gewährleistung einer Baukultur auf hohem Niveau in den Städten und Gemeinden ist daher eine bedeutsame, dauerhafte und umfassende Allgemeinaufgabe, die alle angeht.

2.    Baukultur kann nicht von oben verordnet werden. Sie muss als konstruktiver und kreativer Dialogprozess in den Städten und Gemeinden unter Einbeziehung aller Verantwortlichen entwickelt werden.

3.    Die öffentlichen Bauherrn – Bund, Länder und Gemeinden – tragen mit ihrer Vorbildwirkung bei der Planung, dem Bau und der Pflege von Bauvorhaben eine besondere Verantwortung.

4.    Die aufgrund der desolaten Finanzsituation in den Kommunen stattfindenden Personaleinsparungen insbesondere in den Planungs-, Bau- und Denkmalämtern gehen zu Lasten der Baukultur. Eine rasche und die Städte und Gemeinden stärkende Gemeindefinanzreform des Bundes, die ein ausreichendes Maß an qualifiziertem Personal in den Planungs- und Bauämtern der Gemeinden sichert, ist daher zur Stärkung der Baukultur unabdingbar.

5.    Baukultur wird immer vor Ort, also in der Gemeinde erlebbar. Die Innenstädte und Ortskerne sind in jüngerer Zeit nicht zuletzt aufgrund des z. T. erheblichen Rückgangs der Wohnbevölkerung, insbesondere in den ostdeutschen Städten und Gemeinden, erheblich geschwächt worden. Die Stärkung der Innenstädte und Ortskerne und die Bildung von Wohneigentum insbesondere in innerstädtischen Altbaubeständen muss daher vorrangiges Ziel von Bund, Ländern und Gemeinden sein. Der Bund bleibt aufgefordert, zur Stärkung der Baukultur den Städten und Gemeinden auf hohem Niveau Stadterneuerungsmittel dauerhaft für die Stärkung der Innenstädte und Ortskerne zur Verfügung zu stellen.

6.    Besonderes Augenmerk gilt dem von allen Bürgern erlebbaren öffentlichen Raum. Eine hohe Gestaltqualität der öffentlichen Plätze und Räume in den Städten und Gemeinden ist in besonderer Weise geeignet, eine vitale Mischungsvielfalt zu gewährleisten und den sozialen und gesellschaftlichen Ansprüchen an Baukultur Genüge zu tun.

7.    Jedes Gebäude und jeder Platz in einer Gemeinde hat eine eigene Geschichte, eigene Wurzeln und steht in einem anderen Kontext zur umgebenden Bebauung. Qualitätsvolle Baukultur setzt daher insbesondere das Eingehen auf den „genius loci“ voraus. Das Schwarzwaldhaus gehört ebenso wenig ins Münsterland wie das kanadische Trapperhaus in den Schwarzwald.

8.    Die Gewährleistung einer qualitätsvollen Gestaltung erfordert die Sensibilität für gestalterische Werte. Diese ist um so mehr zu erreichen, je mehr die Einsicht wächst, dass die örtliche Gemeinschaft selbst in eigener Verantwortung für gute Architektur und Baukultur in der Gemeinde zu sorgen hat. Der Anspruch an eine niveauvolle Baukultur setzt daher die Einbindung aller Akteure, also insbesondere der Bürger, der Architekten, der Kultur, des Handels und der Dienstleistung, voraus.

9.    Die Durchführung öffentlicher Planungs- und Realisierungswettbewerbe sowie eine fachkundige Beratung durch Architekten sowie durch Gestaltungsbeiräte bieten beste Voraussetzungen für ein qualitätsvolles Bauen und sollten daher verstärkt genutzt werden.

10.    Die „Bundesstiftung Baukultur“ beinhaltet als Plattform eine sehr gute Möglichkeit, den öffentlichen Dialog über die Qualität des Planungs- und Bauwesens in Deutschland zusammenzuführen und damit einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Baukultur in Deutschland zu leisten.

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