DStGB lehnt Forderung der Gewerkschaften ab - Inforadio-Gespräch mit Dr. Gerd Landsberg
Sabine Beckmann: Keine Busse und Bahnen in Hannover, in Bayern wurde der Müll nicht abgeholt. Protestdemonstrationen in Potsdam. In der vergangenen Woche haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Kommunen und beim Bund in ganz Deutschland die Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft Ver.di hatte sie zum Warnstreik aufgerufen, um für mehr Lohn zu demonstrieren. Jetzt hier 6,5 % mehr, mindestens aber 200 Euro für die niedrigen Einkommen. Für die öffentlichen Arbeitgeber sind diese natürlich unrealistisch. Heute gehen die Tarifverhandlungen in die zweite Runde und die Frage ist jetzt: Sind Lohnerhöhungen für öffentlich Beschäftigte wirklich unrealistisch?
Am Telefon begrüße ich Gerd Landsberg, den Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Guten Morgen Herr Landsberg.
Dr. Gerd Landsberg: Guten Morgen, Frau Beckmann.
Sabine Beckmann: Bis jetzt haben die öffentlichen Arbeitgeber noch nicht einmal ein Angebot unterbreitet. Haben Sie für die heutige Sitzung eins?
Dr. Landsberg: Das muss man abwarten. Das wird sicherlich davon abhängen, wie sich die Gewerkschaften aufstellen werden.
Sabine Beckmann: Na ja, aber Sie wissen, was passiert, sollte wieder kein Angebot vorliegen, haben die Gewerkschaften damit gedroht, die Warnstreiks auszuweiten. Wird das die Verhandlungen noch weiter erschweren?
Dr. Landsberg: Das ist sicherlich möglich. Diese Warnstreiks sind aus meiner Sicht ein überflüssiges Muskelspiel zu Lasten der Bürger. Man muss natürlich auch sehen, die sind für eine Gewerkschaft relativ preiswert, haben großen Effekt und das schafft natürlich auch eine Mitgliederbindung. Das ist ein bisschen ein Ritual, wobei es natürlich schade ist, dass dieses Ritual zu einem Zeitpunkt geschieht, wo man ja noch Verhandlungstermine vereinbart hat. Und man hat jetzt schon länger gestreikt als verhandelt. Das ist eigentlich nicht der Sinn von Tarifverhandlungen.
Sabine Beckmann: Da gucken wir uns einmal an, was die Arbeitsnehmer wollen. 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt und Ver.di-Chef Frank Bsirske sagt uns jetzt noch einmal, warum das jetzt sein muss.
Frank Bsirske: Schon ein bisschen Druck auf mehrere Jahre Reallohn und Verlust im öffentlichen Dienst, das geht so nicht weiter. Das ist fatal für die Beschäftigten. Und da ist es nicht einzusehen, dass von anderer Seite erklärt wird, es ist kein Geld da. Was wir brauchen ist mal ein Ehrensold für Müllwerker, für Krankenschwestern, für Berufsfeuerwehrleute. Ich finde, die haben das verdient, die sind dran, sie sind es wert.
Sabine Beckmann: Herr Landsberg, sind die Beschäftigten im öffentlichen Dienst jetzt nicht einmal dran?
Dr. Landsberg: Wir haben ja ganz deutlich gesagt, keine Nullrunde. Das ist auch anders als in früheren Jahren. Herr Bsirske macht es sich natürlich einfach. Den Ehrensold des Bundespräsidenten mit den Verhandlungen im Tarifgefüge zu vergleichen. Das kommt vielleicht in der Öffentlichkeit gut an, hat aber überhaupt nichts miteinander zu tun. Und die genannten 6,5 Prozent, das wird ja in der Öffentlichkeit nicht deutlich, sind in Wirklichkeit 8 Prozent, weil man höchstens einen Mindestbetrag von 200 Euro, für Auszubildenden von 100 Euro, haben will und das ist jenseits von Gut und Böse. Wir haben über 130 Mrd. Euro Schulden. Die Kommunen finanzieren in großem Umfang mit Kassenkrediten das Personal. Und ich sage das deutlich: Die Beschäftigten können dafür nichts, aber die Situation ist wie sie ist und was Herr Bsirske auch da andeutet, den Vergleich zu der Privatwirtschaft, der hinkt natürlich in weiten Bereichen. Wir haben im öffentlichen Dienst einen sicheren Arbeitsplatz. Es gibt keine Kurzarbeit, es gibt kein Niedriglohn. Das ist zwar alles im Zusammenhang zu sehen. Nur eins zu eins das zu vergleichen, ist nicht richtig.
Sabine Beckmann: Ich habe mir einmal die Gehälter angesehen. Eine Krankenschwester in Berlin-Brandenburg verdient durchschnittlich 1700 Euro. Ein Feuerwehrmann 2000 Euro und die verdienen noch gut. Hören wir uns einmal diese Dame hier an vom Nahverkehr aus Hannover.
“Es gibt Kollegen hier bei uns, die noch zur Sozialhilfe gehen, und noch einmal da etwas Geld dazu bekommen. Und ich finde, das ist nicht richtig. Für den verantwortungsvollen Job, den wir machen, jeden Tag da draußen, finde ich das schon gerecht, wenn wir auch einmal dran sind und mehr Gehalt bekommen.“
Sabine Beckmann: Kann das echt angehen, dass eine Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihr Gehalt noch aufstocken muss? Also, das müssen ja auch wieder Sie – die Kommunen – bezahlen?
Dr. Landsberg: Das müssen wir teilweise bezahlen. Wie gesagt, ich bleibe dabei. Natürlich haben auch die Beschäftigen im öffentlichen Dienst ein rechtliches Interesse am Aufschwung teilzuhaben. Aber man muss trotzdem die Kassenlage berücksichtigen. Wie gesagt. Wir sagen nicht Nullrunde, aber wir sagen, insgesamt 8 Prozent ist deutlich zu viel.
Sabine Beckmann: Na, was wäre denn Ihr Angebot.
Dr. Landsberg: Das werde ich natürlich jetzt hier nicht verraten. Das werden die Verhandlungen ergeben. Aber ….
Sabine Beckmann: … aber ich verstehe nicht, es würde die Sache doch erleichtern, wenn Sie auch einmal eines machen würden. Dann hätte man doch einmal etwas zum darüber reden.
Dr. Landsberg: Warten Sie einmal den heutigen und den morgigen Tag ab. Aber wenn Sie mit einer solchen riesigen Forderung von vorneherein überzogen werden, dann ist es berechtigt zu sagen „also auf der Basis hat es eigentlich keinen Sinn.“ Und die Situation wird von uns so gesehen. Man muss auch einmal an die Beschäftigen selber denken. Das sagt man immer so gerne, die müssen alle mehr haben. Man muss ja auch fragen, wer finanziert das am Ende und ist das im Sinne der Beschäftigten, denn der Druck auf die Städte und Gemeinden, Personal abzubauen, Dienstleistungen zu outsourcen, wie es so schön heißt, der wird ja immer größer. Das heißt, die Arbeit wird immer weiter verdichtet. Wie gesagt, wir wollen einen schnellen, vernünftigen Kompromiss, aber der wird sicherlich nicht bei 6,5 oder 8 Prozent liegen können. Und letztlich wissen das auch die Gewerkschaften.
Sabine Beckmann: Sie haben ja gesagt, Hauptargument ist, wir haben zu wenig Geld. Da sagt der Herr Bsirske knallhart, das tut ihm zwar leid, aber das kann nicht das Problem der Arbeitnehmer sein.
Dr. Landsberg: Das Problem ist, dass den Kommunen durch die Steuern in den letzten 10, 12 Jahren, 8 Mrd. Euro jährlich an Einnahmen entzogen worden sind. Und dass ihnen gleichzeitig zusätzliche Aufgaben übertragen worden sind, ohne dass entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt worden sind. Wenn diese Politik fortgesetzt wird, dann sagen die Beschäftigten demnächst, dass sie noch Geld mitbringen können, dafür, dass sie arbeiten.
Sabine Beckmann: Das kann ich mir vorstellen. Da werden Arbeitgeber und Gewerkschafter einer Meinung sein. Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, mehr Geld für Städte und Kommunen aufzutreiben.
Dr. Landsberg: Wir sagen es immer, die Kommunen sind strukturell unterfinanziert. Ansatzweise hat Herr Bsirske recht, Bund und Länder haben immer weitere Aufgaben übertragen. Wir sollen z. B. die Kinderbetreuung jetzt ausbauen. Bis 2013 sind noch 200.000 Plätze zu schaffen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass das ja nicht in der Macht der Kommunen liegt. Das muss Herr Bsirske natürlich auch anerkennen. Ich kann das Steuerrecht nicht ändern, obwohl ich das gerne würde. Und andererseits höre ich auch immer von den Gewerkschaften, dass es gar nicht genug soziale Wohltaten geben kann und die finanzieren dann natürlich auch die Kommunen.
Sabine Beckmann: Was ist denn dann die Konsequenz? Steuererhöhung?
Dr. Landsberg: Die Konsequenz ist, dass wir aus meiner Sicht eine Agenda 2020 brauchen. Dieser Staat, nicht nur die Kommunen, auch Bund und Länder, die leben über ihre Verhältnisse. Wir haben 2 Billionen Euro Schulden. Wir wissen immer was Griechenland da falsch macht, aber wir machen es ja selber falsch. Und darüber brauchen wir eine grundlegende Diskussion, die mit den Tarifverhandlungen jetzt nichts zu tun haben und die Lösung ist natürlich nur, Verbesserung der Einnahmen, Reduzierung der Ausgaben. Ich weiß, dass das schwer ist, weil jeder sagt, ja warum ich, warum denn nicht der andere, und für Politiker ist es doppelt schwer. Weil sie eigentlich davon leben, immer mehr zu versprechen. Da brauchen wir in der Tat eine Wende. Und da fände ich es toll, wenn die Gewerkschaft einmal bereit ist, dafür einzutreten.
Sabine Beckmann: Sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Heute gehen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst in die zweite Runde.