Die kommunale Position war bisher bereits mehrfach vorgetragen worden, unter anderem gegenüber der BMAS-Führung sowie gegenüber den Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktionen und den Ministerpräsidenten (zuletzt DStGB-Aktuell 3112-02). Mit der jüngsten Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände wurden folgende Erfahrungen der kommunalen Praxis sowie kommunale Positionen zum AÜG erneut beim Bund eingebracht:
„Die in der ab 01.12.2011 geltenden AÜG-Novelle eingeführte Erlaubnispflicht für eine Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen einer ‚wirtschaftlichen Tätigkeit‘ des Arbeitgebers hat in der Praxis der Kommunen zu einem hohen Mehraufwand geführt. Die Arbeitnehmerüberlassung ist hiernach auch dann erlaubnispflichtig geworden, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber von der im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst hierzu bestimmten Option der Abordnung, Zuweisung oder Personalgestellung von Beschäftigten Gebrauch macht und es sich dabei nicht um hoheitliche Tätigkeiten im klassischen Sinne handelt. Gleiches gilt, wenn im Rahmen interkommunaler Zusammenarbeit Beschäftigte einer Kommune Aufgaben einer anderen Kommune mit wahrnehmen, soweit dies nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages erfolgt bzw. keine nur ‚vorübergehende‘ Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Vor der Novellierung war die ‚Gewerbsmäßigkeit‘ der Arbeitnehmerüberlassung das Kriterium für die Erlaubnispflichtigkeit gemäß AÜG. ‚Gewerbsmäßigkeit‘ setzt eine Gewinnerzielungsabsicht voraus, weshalb die in der kommunalen Praxis oft vorkommenden Fälle der Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung bis 01.12.2011 keine Erlaubnispflicht begründeten. Dass dies nun anders ist, hat in der kommunalen Praxis zu Unverständnis und anhaltendem Ärger geführt.
Auf Unverständnis treffen die als zu bürokratisch empfundene Ausweitung des Antrags- und Erlaubnisverfahrens ebenso wie für die damit verbundenen Kosten.
Über den Bürokratieaufwand des Antragsverfahrens liegen uns aus den Bundesländern unterschiedliche Berichte über die vorzulegenden Unterlagen vor. Beispielsweise ist in einzelnen Bundesländern laut Antragsformular auch ein Führungszeugnis des jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten (Oberbürgermeister, Landrat, Bürgermeister) vorzulegen. In anderen Antragsvordrucken werden auch von Kommunen Auszüge aus dem Gewerbezentralregister verlangt und Bescheinigungen der Krankenkassen und Berufsgenossenschaften gefordert, aus denen sich ergibt, dass die Kommune nicht vorsätzlich Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen hat.
Abgesehen vom Bürokratieaufwand fallen im Zuge des Antrags- und Erlaubnisverfahrens Kosten in einer Höhe von insgesamt 4.250 Euro bis zu einer unbefristeten Erlaubnis an (für eine dreimal einjährig befristete Erlaubnis und die anschließend unbefristete Erlaubnis). Für die Teilüberlassung eines kommunalen Arbeitnehmers für wenige Stunden pro Woche ein derart aufwendiges Verfahren mit erheblichen Gebühren in Kauf nehmen zu müssen, ist völlig unverhältnismäßig.
Die Unverhältnismäßigkeit der Erlaubnispflicht im kommunalen Bereich wird noch deutlicher, wenn man den AÜG-Gesetzeszweck betrachtet. Das AÜG dient dem sozialpolitischen Bemühen, die Substitution von Stammarbeitsplätzen in Entleihbetrieben zu verhindern. Dauerhafte Leiharbeit soll kontrolliert werden, um die Ausbreitung von sozial ungesicherten ‚Zeitarbeitskarrieren‘ zu verhindern. Dieser Gesetzeszweck erfordert aber im kommunalen öffentlichen Dienst keineswegs den mit dem Erlaubnisverfahren verbundenen Aufwand, da die rechtliche, tarifliche und soziale Situation der dort Beschäftigten durch die Personalleihe in keiner Weise gefährdet wird. Denn auch nach einer Arbeitnehmerüberlassung kommt für den Betreffenden aufgrund arbeitgeberseitiger Tarifbindung öffentliches Tarifrecht auch hinsichtlich der Beschäftigung beim anderen Arbeitgeber sicher zur Anwendung. Deshalb wird das Antrags- und Erlaubnisverfahren im kommunalen Bereich als ein völlig überflüssiges, bürokratisches Hemmnis wahrgenommen.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat in der Vergangenheit mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Sammlungen von Praxisbeispielsfällen zusammengestellt und diese mehrfach, u.a. in abgestimmten VKA-Schreiben dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales übersandt bzw. dort vorgetragen. Auf diese Beispielsfallsammlungen verweisen wir an dieser Stelle.
Allerdings möchten wir besonders hervorheben, dass durch die AÜG-Antrags- und Erlaubnisverfahren die im Hinblick auf die demografische Entwicklung künftig noch weiter zu intensivierende interkommunale Zusammenarbeit erheblich belastet wird. Gerade die vielen Fälle wenig formalisierter Zusammenarbeit sind davon betroffen, weil hier die Personalleihe grundsätzlich ein gut geeignetes Mittel ist. Beispielsweise arbeiten aufgrund der knappen Finanzmittel rechtlich selbstständige Ortsgemeinden bei der kommunalen Aufgabenerfüllung oft eng zusammen. Die Ortsgemeinden haben jeweils zumeist nur wenige Gemeindearbeiter beschäftigt. Sind größere Projekte zu erledigen, oder steht in einer Ortsgemeinde technisches Gerät zur Verfügung, über welches die andere Ortsgemeinde nicht verfügt, erfolgt wechselseitige Mitarbeit. Vor allem in den demografischen Schrumpfungsregionen wird man immer öfter auf derartige Hilfen durch Nachbargemeinden angewiesen sein.
Auch innerhalb von Kommunen kommt es häufig zu Arbeitnehmerüberlassungen: Ein Beispiel wäre, wenn ein städtischer Angestellter zeitweilig für die Stadtwerke GmbH derselben Stadt tätig wird. Ein anderes Beispiel wäre, dass ein beim städtischen Krankenhaus oder bei einem Krankenhaus des Landkreises beschäftigter Arzt (z.B. Kinderarzt oder Psychiater) stundenweise für das Gesundheitsamt derselben Stadt
oder desselben Landkreises tätig wird.
Angesichts der mehrfach erfolgten, ausführlichen und plastischen Schilderungen der Problematik anhand von Beispielen aus der kommunalen Praxis fordert die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände alle beim Bund Verantwortlichen auf, sich ernsthaft mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
Keinesfalls reicht der Hinweis darauf aus, dass die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit für die Arbeitnehmerüberlassung nun mal darauf abstelle, ob die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der ‚wirt¬schaftlichen Tätigkeit‘ des Arbeitgebers erfolgt (Art. 1 Abs. 2 der EU-Leiharbeitsrichtlinie). Denn die EU-Leiharbeitsrichtlinie steht einer Herausnahme von Fallgestaltungen des kommunalen Bereiches aus dem AÜG-Anwendungsbereich nicht entgegen: Nach Art. 1 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit fallen öffentliche Arbeitgeber nicht unter den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, da es sich in der Regel bei diesen Arbeitgebern nicht um Leiharbeitsunternehmen handelt. Bei ‚Leiharbeitsunternehmen‘ handelt es sich nach Art. 3 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit ‚um eine natürliche oder juristische Person, die nach einzelstaatlichem Recht mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge schließt oder Beschäftigungsverhältnisse eingeht, um sie entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit sie dort unter deren Aufsicht und Leitung vorübergehend arbeiten‘. Eine Erlaubnispflicht ist daher für öffentliche, insbesondere kommunale Arbeitgeber nach EU-Recht keineswegs zwingend.
Vor diesem Hintergrund treten wir als Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände für eine erneute Änderung im Recht der Arbeitnehmerüberlassung ein, die im Bereich des öffentlichen Dienstes die fatalen Folgen des ‚Ersten Gesetzes zur Änderung Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung‘ vom 28.04.2011 lindert. Da der Gesetzeszweck, Arbeitnehmer vor sozial und rechtlich unakzeptablen Beschäftigungsverhältnissen zu schützen, im Falle von Angehörigen des öffentlichen Dienstes generell keine komplizierten und teuren Genehmigungsverfahren erfordert, muss es genügen, diesen Personenkreis von der Genehmigungspflicht freizustellen bzw. eine pauschale Genehmigung für die Überlassung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gesetzlich vorzusehen.“