Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Frau Kücük, war elf Jahre lang aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beim beklagten Land Nordrhein-Westfalen als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Alle Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter geschlossen, die sich vorübergehend (beispielsweise im Rahmen der Elternzeit) hatten beurlauben lassen. Das BAG hatte Zweifel, ob es mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG dahin auszulegen und anzuwenden, dass ein die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigender sachlicher Grund auch im Fall eines ständigen Vertretungsbedarfs gegeben ist, obwohl dieser Vertretungsbedarf durch eine unbefristete Einstellung des Arbeitnehmers gedeckt werden könnte, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, jeweils neu zu entscheiden, wie er auf den konkreten Ausfall von Arbeitnehmern reagiert. Das BAG fragte daher den EuGH nach der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts.
Der EuGH entschied, dass auch ein ständiger Vertretungsbedarf Befristungen rechtfertigen kann, allerdings eine Missbrauchskontrolle unter Berücksichtigung aller in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge geboten sein kann. Der vorübergehende Bedarf an Vertretungskräften kann grundsätzlich eine Befristung und auch die Verlängerung einer Befristung rechtfertigen.
Gleiches kann für einen wiederkehrenden oder sogar dauernden Vertretungsbedarf gelten. Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folgt weder, dass kein solcher sachlicher Grund gegeben ist, noch das Vorliegen eines Missbrauchs.
Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einrichtung und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert ist, ginge über mit der Richtlinie 1999/70/EG verfolgten Ziele hinaus.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, müssen die nationalen Behörden jedoch alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen.
Das Bundesarbeitsgericht muss laut Urteil nun die genaueren Umstände des Falles prüfen, um festzustellen, ob ein „sachlicher Grund“ vorlag, der der Missbrauchskontrolle standhält.
Zum Hintergrund: Nach der Richtlinie 1999/70/EG, welche eine Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge durchführt, sollten unbefristete Arbeitsverträge die Norm sein. Die Mitgliedstaaten müssen daher Maßnahmen ergreifen, um Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere die Festlegung "sachlicher Gründe", die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen können.