„Quo vadis, E-Government?“

Vortrag Dr. Klaus Listmann, vhs Landkreis Fulda

Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt schreitet kontinuierlich voran. Die Zahl der Onlinenutzer hat sich in Deutschland in den letzten zwölf Jahren nahezu verdreifacht. Zu Büchern und Zeitungen existieren mittlerweile vielfach virtuelle Pendants. Der klassische Brief muss sich gegen die E-Mail behaupten. Diese wiederum wird vermehrt durch rechtssichere digitale Angebote ergänzt. Auch vor Städten und Gemeinden macht der Digitalisierungstrend nicht Halt. Dennoch druckt jeder Verwaltungsmitarbeiter heute durchschnittlich noch 31 Seiten Papier am Tag. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Beides kann durch die elektronische Abwicklung von Arbeitsabläufen jedoch erheblich reduziert werden. Die Potenziale digitaler Verwaltungsstrukturen sind offensichtlich. Die Umsetzung wirft trotzdem nach wie vor einige Fragen auf. Wie gelingt eine Umstellung der Verfahren in Zeiten knapper Kassen? Welche Services kommen für meine Stadt und Gemeinde überhaupt in Frage? Welche Lösungen sind schon erfolgreich im Einsatz? 

E-Government ist hierzulande eines der zentralen Zukunftsthemen. Fragt man in Städten und Gemeinden nach, berichten die Akteure jedoch von zahlreichen Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der digitalen Verwaltung. Die überzeugenden Erfolge ließen bislang bedauerlicherweise auf sich warten, stellte die Bürgermeisterin der Stadt Oldenburg, Germaid Eilers-Dörfler, in ihrem Grußwort fest. Hindernisse wie Schriftformerfordernisse, eindeutige Identifikationsfeststellungen und Zustellungsregelungen würden eine flächendeckende Digitalisierung erschweren. Trotzdem sei sie davon überzeugt, dass die digitale Verwaltung notwendig sei, um Geschäftsprozesse schlanker und effizienter gestalten und somit zukünftige Aufgaben besser bewältigen zu können, so Eilers-Dörfler weiter.

Auch Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, der sich in seinem Vortrag schwerpunktmäßig mit der Zukunft der Verwaltungen befasste, betonte: „Drängende Herausforderungen für Städte und Gemeinden, wie der demografische Wandel oder die Energiewende, verlangen nach einem verstärkten Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien.“ In den nächsten zehn Jahren werden ein Viertel aller Mitarbeiter die öffentliche Verwaltung altersbedingt verlassen. Daher müssten zügig Veränderungen hin zu einer Verschlankung von Prozessen mit Hilfe einer Digitalisierung herbeigeführt werden. Habbel berichtete zudem über die Ergebnisse einer Studie des Instituts für E-Government an der Waseda University in Japan, die jährlich in Zusammenarbeit mit der OECD und der UNO erstellt wird. Bei diesem E-Government-Ranking stehe Deutschland 2013 auf Platz 14 von 55 bewerteten Ländern. Doch „E-Government made in Germany“ habe in den letzten Jahren schon besser dagestanden, informierte Habbel.

Dr. Sönke Schulz, Geschäftsführer des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften, stellte in seinem Impulsvortrag die Frage „Quo vadis, E-Government?“. In sechs Thesen skizzierte er die weiteren notwendigen Schritte hin zu einer digitalen Verwaltung. Schulz stellte dabei unter anderem fest, dass „die elektronische Kommunikation als gleichwertig und als Normalfall für die behördliche Kommunikation anerkannt werden muss.“ Darüber hinaus müsse es ein Ende haben, dass für den elektronischen Austausch fortwährend ein höherer Sicherheitsstandard gefordert werde als bei den herkömmlichen Verfahren. Zudem zeigte sich Schulz überzeugt, dass Deutschland eine Abkehr von den Überlegungen zum Aufbau einer eigenen behördlichen Kommunikationsinfrastruktur brauche.

Dieter Sommer, Deutsche Post AG, während der Podiumsdiskussion

Rechtssicherer Transfer erforderlich

Beim digitalen Austausch von Informationen kommt als wesentlicher Bestandteil die gleichzeitig sichere, verbindliche und vertrauliche Kommunikation zum Tragen. Bei der Digitalisierung des Schriftverkehrs sind daher spezielle elektronische Versandlösungen wie etwa der „E-Postbrief“ oder die „De-Mail“ nötig. Darüber wird das rechtssichere Senden und Empfangen von wichtigen Daten und Dokumenten, wie zum Beispiel Bauanträgen, erst möglich.

Dieter Sommer, Vertriebsdirektor für den öffentlichen Sektor bei der Deutschen Post AG, skizzierte, welche Bedingungen auf dem Weg in eine digitale Welt zu erfüllen seien. Sowohl der Veränderung des Konsumentenverhaltens als auch den Anforderungen der Verwaltung müssten dabei Rechnung getragen werden. Drei Viertel der Menschen seien heute online unterwegs und etwa 90 Prozent nutzen die E-Mail-Kommunikation. Die Hälfte sei in den sozialen Medien aktiv. Dennoch wiesen Studienergebnisse darauf hin, dass die Gesellschaft auf dem Gebiet der Nutzung elektronischer Medien derzeit gespalten sei. Auf der einen Seite stünden die „Digital Natives“, die sich sicher online bewegten sowie die „Digital Immigrants“, welche den Umgang mit dem Netz gelernt hätten und es dort nutzen würden, wo es für sie sinnvoll sei oder sich Zeit sparen ließe. Dieses jedoch nicht ohne eine gewisse Skepsis bei Transaktionen im Netz, die aus einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis herrühre. „Auf der anderen Seite haben wir eine größere Gruppe, die sich nicht mit Onlinemedien auseinandersetzt – sei es aus einem demografischen Faktor oder aus einem sozialen Hintergrund heraus“, so Sommer weiter. Auch diese Gruppe müsse in Städten und Gemeinden selbstverständlich erreichbar bleiben. Diese Erkenntnisse habe das Unternehmen dazu bewogen, keine Entweder-Oder-Strategie zu fahren, sondern beide Lebenswelten zu bedienen und eine ‚hybride‘ Kommunikation zu ermöglichen. Vorteil der E-Post sei dabei, dass der Workflow einer Verwaltungsdienstleistung den erwähnten Kunden- beziehungsweise Bürgerbedürfnissen Rechnung tragen würde. Man beschränke sich derzeit nicht alleine auf einen vollständig digitalisierten Prozess, sondern biete mit der Hybridlösung auch weiterhin den physischen Kanal an. Ziel sei es aber, in Zukunft einen medienbruchfreien digitalen Zugangsweg in die Verwaltung zu etablieren, sagte Sommer.

Akzeptanz schaffen

Projekte, in denen Szenarien der digitalen Verwaltung bereits heute Realität sind, zeigen, wie mit der Implementierung neuer Verfahren begonnen werden kann und welche Herausforderungen dabei bestehen. Dr. Klaus Listmann, Studienleiter der Volkshochschule des Landkreises Fulda, stellte den Verwaltungsfachleuten seine Erfahrungen mit dem Einsatz des E-Postbrief dar. Als erste deutsche Volkshochschule wickelt sie einen Teil ihres Briefverkehrs über die neue Versandlösung ab. Die Weiterbildungsinstitution, die immerhin 20 000 Teilnehmer pro Jahr verzeichnet, verschickt seitdem Anmeldebestätigungen, Zeugnisse und Rechnungen über den neuen Service. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr zufrieden mit der Neuerung“, versicherte Listmann, „denn die gewonnene Zeit kann in die Beratung der Kunden investiert werden.“

Partho Banerjea, Leiter des Fachdienstes Strategische Steuerung und Entwicklung der Gemeinde Neu Wulmstorf, referierte im Anschluss zu der Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) in seiner Kommune. Seit Anfang 2012 ist dort die elektronische Akte im Regelbetrieb und umfasst inzwischen die gesamte Verwaltung. Mittlerweile arbeiten alle drei existierenden Fachbereiche erfolgreich mit dem System. Der interne Workflow wird somit zunehmend papierlos gestaltet. Die Arbeitsabläufe seien infolge der Umstellung erheblich effizienter, erklärte Banerjea. Das DMS ist die Basis für die elektronische Vorgangsbearbeitung der Gemeindeverwaltung. Die elektronische Mitzeichnung, der digitale Posteingang und die Mailarchivierung erfolgen an 85 Arbeitsplätzen bereits direkt in der E-Akte. Ausschlaggebend für den erfolgreichen Einsatz sei die durchweg sehr gute Akzeptanz bei den Beschäftigten. Entscheidend hierfür sei wiederum, dass die Spitze der Verwaltung als Vorreiter fungiere und gerade Bürgermeister Wolf-Egbert Rosenzweig den digitalen Trend vorlebe, sagte Banerjea.

Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Dieter Sommer, Partho Banerjea, Franz-Reinhard Habbel, Ulrich Mahner, Thorsten Bullerdiek, Dr. Sönke E. Schulz und Dr. Klaus Listmann

In der abschließenden Podiumsdiskussion war man sich weithin darüber einig, dass das Ziel einer Verwaltungsmodernisierung auf digitalem Wege sein müsse, von „elektronisch nach elektronisch“ zu kommunizieren.

Der Referatsleiter für IT und Soziales des Niedersächsischen Städtetages, Ulrich Mahner, äußerte in diesem Zusammenhang sein Bedauern darüber, dass es bisher in der Geschichte des E-Government nicht gelungen sei, eine Basisinfrastruktur für die elektronische Kommunikation zu etablieren. Angefangen von der Schaffung einer elektronischen Signatur bis hin zu den Regelungen des sich in der Abstimmung befindlichen E-Government-Gesetzes seien bisher keine wirklichen Lösungen in Sicht. Trotzdem, so Mahner, würden die kommunalen Spitzenverbände weiter versuchen, in Gesprächen mit Bund, Ländern und Kommunen einer Lösung dieses zentralen Problems näher zu kommen.

Ziel des E-Government-Gesetzes ist es, die elektronische Kommunikation sowohl zwischen Bürger und Verwaltung, als auch innerhalb der Verwaltung durch eine einheitliche rechtliche Grundlage zu erleichtern und zu verbessern. Vor allen Dingen sollen die Schriftformerfordernisse geregelt und reduziert werden. Derzeit sei man zuversichtlich, dass das Gesetz wie geplant noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme des Bundesinnenministeriums. 

Thorsten Bullerdiek, Sprecher und Beigeordneter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, wies in der Podiumsdiskussion auf die Schwierigkeiten bei der Abstimmung zwischen Land und Kommunen in Bezug auf die Gewerbeanmeldung hin. Es sei erst nach zahlreichen Gesprächen gelungen, sich dahingehend zu einigen, dass eine Zustellung auch per E-Mail an die zuständige Stelle des Landes Niedersachsen übermittelt werden könne. Dieser Prozess zeige einerseits, welche Schwierigkeiten einer Digitalisierung im Weg stehen und andererseits, dass diese in kooperativer Weise auch überwunden werden können.

Marianne Rohde vom Niedersächsischen Innenministerium bekräftigte, dass der Wunsch zur Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und den kommunalen Datenzentralen von Seiten der Landesregierung sehr hoch sei. Es existiere bereits ein Projekt zur Zusammenarbeit im IT-Bereich, das sich mit den Projektteilen Rechenzentrumsdienstleistungen, Zusammenarbeit im Cyber-Sicherheitsbereich sowie Fachanwendungen und IT-Services beschäftige. Eine dieses Projekt begleitende Initiative befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Bereiche. Insbesondere gilt es dabei auf die Regelungen im Vergaberecht, dem Steuerrecht und dem Kommunalrecht zu achten. Hierbei gebe es, wenn nötig, durchaus die Bereitschaft dazu, niedersächsisches Recht den Gegebenheiten anzupassen. Im kommenden Herbst werde es dazu erste Ergebnisse geben, versprach Rohde.

Fest stehe, so resümierte Habbel, dass Verwaltungen sich nicht über Nacht digitalisieren ließen. Aber bereits heute müssten weitere Schritte für den Weg hin zur virtuellen Verwaltung eingeleitet werden. Dabei dürfe jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass es letztlich die Bürger und Verwaltungsmitarbeiter seien, die sich den Veränderungen anpassen müssten. „Ein erfolgreicher Veränderungsprozess spielt sich zunächst einmal im Wesentlichen in den Köpfen der Beteiligten ab und setzt voraus, dass sich diese darauf einlassen“, so Habbel zum Abschluss der Tagung. Ein erfolgreiches ‚Change-Management‘ sei somit einer der ersten und wichtigsten Schritte, um alle Akteure im Prozess der Digitalisierung ‚mitzunehmen‘.

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