Eine internationale Umfrage in Privathaushalten zur Akzeptanz von elektronischen Bürgerdiensten aus dem Jahr 2012 macht deutlich, dass in Deutschland die Nutzung von E-Government-Angeboten zwar gestiegen ist, in einigen Bereichen aber weiterhin erheblicher Nachholbedarf besteht. Während in Vorreiterländern wie Schweden oder Österreich bereits 70 beziehungsweise 67 Prozent der Internetnutzer elektronische Verwaltungsverfahren verwenden, ist die E-Government-Nutzung in Deutschland um fünf Prozentpunkte auf lediglich 45 Prozent angestiegen. Dies stellte jüngst die Studie „E-Government Monitor“ fest.
Auch wenn Deutschland bei der E-Government-Nutzung zurückliegt, ist dennoch zu erkennen, dass die Bedeutung der Informationstechnologie für die Verwaltungsmodernisierung hierzulande weiter zunimmt. Dies belegt wiederum die Studie „Branchenkompass 2012 Public Services“. Durch das forsa-Institut wurden dabei im Januar und Februar dieses Jahres 100 Entscheider aus 100 großen deutschen Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zu den aktuellen Herausforderungen und den bis 2014 geplanten Maßnahmen im Bereich der elektronischen Verwaltungsmodernisierung befragt. Das Ergebnis: 87 Prozent der öffentlichen Verwaltungen investieren bis 2014 in die elektronische Vorgangsbearbeitung. 81 Prozent planen, die vorhandenen IT-Eigenentwicklungen gegen Standardsoftware auszutauschen. 42 Prozent der Verwaltungen setzen zudem bereits auf das sogenannte Mobile Government: Über Apps und andere Anwendungen für Smartphones sollen Bürger Verwaltungsleistungen und Informationen damit auch unterwegs abrufen können. Der Wille, Veränderungen den Weg zu ebnen, ist somit vorhanden.
Innerhalb der Verwaltungen nimmt die Akzeptanz von digitalen Verfahren also zu. Das Nutzungsverhalten der Bevölkerung ist im gleichen Zeitraum, wie oben beschrieben, nur wenig gestiegen. Weshalb finden die elektronischen Kommunikationsformen mit Verwaltungen bei den Bürgern nicht den gewünschten Anklang? Hierzu liefert die viel beachtete „Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“ des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) Anhaltspunkte. Die Studie verdeutlicht, dass die bisher geltende Unterteilung der Bevölkerung in 80 Prozent „Onliner“ und 20 Prozent „Offliner“ zu unscharf ist. Tatsächlich sind der Studie zufolge 27 Millionen Deutsche (39 Prozent) sogenannte „Digital Outsiders“. Sie sind demnach entweder vollständig offline oder durch negative Erfahrungen im Umgang mit dem Internet erheblich verunsichert, weshalb sie es kaum noch nutzen. Die Ergebnisse dieser repräsentativen Erhebung ofenbaren, dass doppelt so viele Menschen wie bislang angenommen nahezu vollständig ohne Internet leben. Die Gruppe der „Digital Outsiders“ wieder an das Medium Internet heranzuführen und dabei gleichzeitig die Vorteile digitaler Verwaltungsprozesse zu verdeutlichen, stellt eine wesentliche Herausforderung dar.
E-Government-Gesetz als Katalysator?
Um die Akzeptanz für digitale Verwaltungsverfahren innerhalb der Bevölkerung weiter zu erhöhen, bedarf es unter anderem klarer rechtlicher Rahmenbedingungen. Hohe Erwartungen richten sich dabei an das E-Government-Gesetz des Bundes, welches sich seit mehreren Monaten in der Feinabstimmung befindet.
Ein Haupthindernis für eine durchgängig elektronische Kommunikation mit der Verwaltung ist bisher die vielfach erforderliche Schriftform, das heißt die Plicht zum Unterschreiben eines Formulars. Dieser Zwang sei die größte Hürde bei der Digitalisierung der Ämter, so das interdisziplinäre Wissenschaftsnetzwerk für Forschung in der Verwaltung ISPAT in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Die Verwaltung verliere dadurch den Anschluss an Unternehmen und Bürger, die nutzerfreundliche, einfache Online-Services erwarten. ISPAT fordert gar, dass alle Schriftformerfordernisse nach Inkrafttreten des E-Government-Gesetzes binnen fünf Jahren auslaufen sollen.
Bei der Einführung und Umsetzung des E-Government-Gesetzes lohnt sich erneut ein Blick zu den europäischen Nachbarn: Österreich belegt in E-Government-Vergleichsstudien wiederholt einen Spitzenplatz und hat in diesem Bereich als erstes Land in Europa ein umfassendes rechtliches Rahmenwerk geschaffen. Gabriele Heinisch- Hosek, österreichische Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst, benennt gegenüber der Fachzeitschrift „kommune21“ klar die Erfolgsfaktoren: „Österreich hat relativ früh begonnen, das Thema ganzheitlich zu betrachten.“ Ein partnerschaftlicher Ansatz und eine intensive Zusammenarbeit über alle Gebietskörperschaften hinweg seien bei der Umsetzung eines rechtlichen Rahmens entscheidend gewesen, ergänzt Heinisch-Hosek. So haben gerade die umfassende strategische Vorgehensweise und die Orientierung am Servicegedanken maßgeblich dazu beigetragen, dass das Land schon früh eine Spitzenposition erreicht hat und diese nachhaltig sichern konnte. Der kooperative Ansatz der Alpenrepublik kann hierzulande wertvolle Impulse für eine möglichst schnelle und gleichzeitig sinnvolle Implementierung rechtlicher Rahmenbedingungen liefern.
Städte und Gemeinde in Schlüsselposition
Insbesondere Städten und Gemeinden kommt bei der Einführung digitaler Verwaltungsverfahren eine entscheidende Rolle zu. Die Verarbeitung von Daten ist insbesondere in Kommunen enorm. Die meisten Kontakte zwischen Bürgern und Verwaltung werden auf kommunaler Ebene abgewickelt. Dabei findet die Kommunikation in beide Richtungen statt und ist Basis für etliche Dienstleistungen. Ein einfacher und unkomplizierter Austausch zwischen Bürger und Kommune ist daher von großer Bedeutung.
Bei digitalem Austausch von Informationen kommt als wesentlicher Baustein die gleichzeitig sichere, verbindliche und vertrauliche Kommunikation zum Tragen. Ein einfacher Informationsaustausch, der nicht rechtsverbindlich ist, findet dabei auch heute schon vielfach per E-Mail oder mit anderen digitalen Informationsmedien stat. Rechtsverbindlich können auf diesem Wege Informationen bisher allerdings nur schwer ausgetauscht werden. Mit dem „E-Postbrief “ begegnet beispielsweise die Deutsche Post AG diesem Mangel. Mit ihm bietet sie einen rechtssicheren Datenaustausch an.
Heinz-Hermann Herbers, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb Brief öffentlicher Sektor bei der Deutschen Post, erklärte im Rahmen der DStGB-Lounge in Zirndorf: „Der E-Postbrief ist eine Verknüpfung von elektronischer und physischer Kommunikation, das heißt, es gibt eine hybride Lösung.“ Damit kann von Anfang an jeder erreicht werden, unabhängig davon, ob er über einen elektronischen Zugang verfügt. Die Fortführung physischer Kommunikation ergänzt mit elektronischen Verfahren bietet den Vorteil, dass bereits jetzt digitale Verfahren in den Verwaltungsprozess integriert werden können, ohne sofort ganzheitlich digitale Lösungen zu implementieren. Darüber kann die Digitalisierung der Verwaltung schriftweise erfolgen. Vollelektronische Prozesse böten wiederum den Vorteil, dass Kommunen bis zu 70 Prozent an Kosten einsparen könnten, erklärte Herbers. Dies betreffe nicht nur große, sondern auch kleinere Kommunen. Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des DStGB, betonte: „Ich sehe den E-Postbrief als einen Meilenstein der elektronischen Kommunikation, weil wir damit Daten rechtssicher austauschen können. Der Vertrauensschutz ist für uns eine Herausforderung. Wir glauben, dass solche Dienste gut geeignet sind, die Verwaltungen weiter in moderne bürgernahe Institutionen zu transformieren.“
Vollständige Digitalisierung von Prozessen
Die mit der elektronischen Verwaltungsmodernisierung verbundenen Vorteile sind Zeitersparnis, Effizienzgewinn und Kostenreduktion. Professor Dr. Jürgen Stember, Dekan des Fachbereichs Verwaltungswissenschaften Hochschule Harz, betonte im Rahmen der DStGB-Lounge, dass es bei der Modernisierung der Verwaltung künftig verstärkt darum gehen müsse, wie das Prozessmanagement im Einzelnen gestaltet werden kann. Entscheidend sei „die Entrümpelung von Prozessen“. Demnach müsse hinterfragt werden, welche Strukturen und Abläufe für die Verwaltung essentiell seien und welche hinfällig. Auch Habbel erklärte in diesem Zusammenhang, dass es zentral sei, jeweils zu untersuchen, welche Verwaltungsabläufe optimiert werden könnten und welche überflüssig seien. Verantwortliche Akteure im öffentlichen Sektor haben jedenfalls erkannt wie wichtig die Arbeit an der Erneuerung von Prozessen in den kommenden Jahren sein wird. Dies zeigen unter anderem zwei Beispiele für Initiativen, die sich derzeit eingehend mit diesem Thema beschäftigen.
Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister Vitako hat eine sogenannte Positivliste erstellt, die exemplarisch zwanzig kommunale Prozesse hinsichtlich der Möglichkeit einer durchgängigen elektronischen Abwicklung untersucht. Von den zwanzig untersuchten Prozessen eignet sich nur einer nicht für die elektronische Abwicklung: Die Beantragung eines neuen Personalausweises ist explizit an die persönliche Vorsprache bei der zuständigen Behörde gebunden und kann durch keine elektronische Form ersetzt werden. Knapp die Hälfte der untersuchten Prozesse könnte nach Analyse der Expertengruppe hingegen sofort vollständig elektronisch umgesetzt werden, beispielsweise die An-, Um- oder Abmeldung eines Gewerbes, Auskünfte aus dem Gewerberegister oder Anwohnerparkausweise.
Das von Wissenschatlern der Humboldt- Universität Berlin und des Hasso- Platner-Instituts in Potsdam initiierte Forschungsprojekt „Nationale Prozessbibliothek“ hat ein anderes Ziel. Es wird ein umfassendes Archiv aller nationalen Verwaltungsprozesse erstellt, um so das vorhandene Prozesswissen weiter nutzen zu können. Gesammelt werden sämtliche Prozesse aller Verwaltungsebenen. Dazu zählen sowohl verwaltungsinterne als auch externe Prozesse zum Umgang mit Bürgern oder Unternehmen. Dabei verfolgt das Projekt einen ‚offenen Ansatz’. Nicht die Standardisierung der Prozesse ist beabsichtigt, sondern der Erhalt und die Dokumentation der Vielfalt.
Ausblick: Quo vadis?
Auch wenn die Digitalisierung der Verwaltung dazu führt, dass immer mehr Prozesse nur noch elektronisch ablaufen, bedeutet dies im Umkehrschluss keinesfalls, dass die Verwaltung als solche in Zukunft nicht mehr existieren wird. „Rathäuser wird es immer geben. Menschen brauchen weiterhin sichtbare Anlaufpunkte und Institutionen, die Identität vermitteln. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere zeigt die virtuelle Verwaltung, die wiederum zu einer weitgehenden Dematerialisierung der Verwaltungsprozesse führt“, äußerte sich Habbel. Noch stecke die elektronische Kommunikation zwischen Bürger und Stadt in den Anfängen. Das werde sich aber in den nächsten Jahren ändern. „Der Weg für Veränderungen ist bereits geebnet“, so Habbel.
(Sandra Strang und Erik Sieb)