Hier können gerade die Städte und Gemeinden einen wichtigen Beitrag leisten. Wenn es uns gelingt, jetzt kurzfristig mehr in Schulen, Rathäusern, andere Verwaltungsgebäude und Infrastruktur zu investieren, werden wir morgen, wenn die Wirtschaft wieder anspringt, noch wettbewerbsfähiger sein und besser ausgebildete Menschen haben. Zugleich können wir so einen wichtigen Beitrag für mehr Klimaschutz und für bessere, sichere Energieversorgung leisten. Die Energiekosten können so drastisch gesenkt werden.
Die Krise ist zugleich eine Chance für den notwendigen Politikwandel, für Reformen und radikalen Bürokratieabbau. Lange haben wir von der Entpolitisierung der Wirtschaft gesprochen und viele Wirtschaftsführer haben uns belehrt, dass sich die Politik aus der Wirtschaft heraushalten solle. Das hat sich jetzt geändert. Die Menschen haben erkannt, dass die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen nachhaltig gestalten muss, damit unsere soziale Marktwirtschaft zukunftsfähig ist. Die Zeit der Politikverdrossenheit ist vorbei und gerade in den Städten und Gemeinden erleben wir die Renaissance des Örtlichen und der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Städte und Gemeinden mit ihren 1,2 Millionen Beschäftigten, die erfolgreiche Sparkassenstruktur mit über 320 000 sicheren Arbeitsplätzen und die kommunalen Unternehmen mit über 220 000 Beschäftigten sind ein sicherer Anker in unruhigen Zeiten.
Das zweite Konjunkturpaket bietet die große Chance mit kommunalen Investitionen Arbeitsplätze vor Ort zu sichern und den Menschen ein Hoffnungssignal zu geben, wenn sie merken, dass in ihrem Umfeld eine neue Aufbruchstimmung und bessere Lebensbedingungen entstehen.
Mit Investitionen in die über 40 000 Schulen in kommunaler Trägerschaft in Deutschland können wir die Bildungssituation in Deutschland verbessern und gleichzeitig dem Handwerk und dem Mittelstand in der Region Aufträge erteilen. Allein im Schulbereich liegt der Investitionsbereich bis zum Jahr 2020 bei 73 Milliarden Euro. Auch die übrigen öffentlichen Gebäude, die teilweise aus den fünfziger und sechziger Jahren stammen, müssen dringend energetisch saniert werden. Der Investitionsumfang liegt hier bei etwa 20 Milliarden Euro. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat die Kommunen aufgefordert, im Rahmen ihrer eigenen Finanzkraft notwendige Investitionen vorzuziehen. Es gibt aber viele finanzschwache Kommunen, die aus eigener Kraft nicht handeln können. Für sie muss das Konjunkturpaket eine spezielle Hilfe vorsehen, denn bei ihnen ist der Bedarf am Größten. Sie müssen in die Lage versetzt werden, auch ohne einen Eigenanteil Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Entweder muss bei der Kreditfinanzierung ein Verzicht auf Tilgung und Zinsen – zumindest zeitlich beschränkt – vorgesehen werden oder noch besser wäre es, Bund und Länder würden sich darauf verständigen, diesen Städten und Gemeinden dadurch zu helfen, das ihr Anteil an der Finanzierung übernommen wird.
Das Konjunkturpaket muss schnell umgesetzt werden, damit schon in der ersten Jahreshälfte 2009 Aufträge erteilt werden können. Das setzt Veränderungen im Vergaberecht voraus. 70 Prozent aller Bauaufträge der Kommunen liegen in einer Größenordnung bis zu einer Millionen Euro. Wir schlagen deshalb vor, dass diese Aufträge ohne deutschlandweite Ausschreibung nach den Grundsätzen der eingeschränkten Vergabe durchgeführt werden können. Auch die in der EU vorgesehenen Schwellenwerte, die eine europaweite Ausschreibung vorsehen (ab 5,1 Millionen Euro) sollten deutlich erhöht werden. Das schadet nicht dem Wettbewerb und hätte einen enormen Beschleunigungseffekt. Etwaigen Bedenken kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Lockerung des Vergaberechts auf drei Jahre befristet wird.
Großes Potenzial besteht auch durch eine weitere Stärkung der Kommunalwirtschaft. Dazu gehören etwa die Errichtung von Kraftwerken mit Biomasse im ländlichen Raum und der weitere Ausbau von Breitbandnetzen. Allein dadurch könnten bis zu 250 000 neue Arbeitsplätze entstehen.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt davor, über das Investitionspaket hinaus ein kurzfristiges Konjunkturfeuerwerk zum Beispiel durch Konsumgutscheine zu zünden. Das können wir uns nicht leisten. Die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden wird zunehmen. Das ist in der Krise unvermeidlich. Gleichzeitig dürfen die immense Staatsverschuldung von 1,5 Billionen Euro und die jährlichen Zinslasten von 70 Milliarden Euro (133 000 Euro pro Minute) nicht aus dem Auge verloren werden.
Wir müssen die Krise auch nutzen, dass Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und die Perspektiven von Staatsausgaben und Staatsaufgaben neu zu ordnen. Die mit der Neuordnung der Finanzbeziehungen bereits befasste Föderalismuskommission II muss die große Chance nutzen, endlich den Grundsatz der Konnexität zu verankern. Denn dieser Grundsatz sichert das Prinzip „Wer bestellt, der bezahlt“ und trägt damit wesentlich zum Funktionsgefüge des Staates bei. Nach der Krise brauchen wir einen effektiven wettbewerbsfähigen Staat mit weniger Bürokratie und mehr Bürgernähe. Wenn wir das schaffen, haben wir die Chance der Krise genutzt.