Für das Jahr 2018 ist ebenfalls ein positiver Finanzierungssaldo von rund 7,5 Milliarden Euro zu erwarten. Der Bund hat seine Unterstützung für die Kommunen, etwa bei der Entlastung von den flüchtlingsbedingten Mehrkosten, fortgesetzt und in anderen Bereichen sogar ausgeweitet. Die Arbeitslosenzahl ist so gering wie seit Jahrzehnten nicht und die Steuerreinnahmen sprudeln, wenn auch mit absehbarer Abschwächung, weiter. Doch der auf den ersten Blick so positive Schein trügt. Deutschland braucht dringend einen Modernisierungsschub. Hier sind vor allem Investitionen in die Infrastruktur und eine schnellere und umfassendere Digitalisierung der verschiedenen Sektoren notwendig, wenn wir im internationalen Vergleich nicht abgehängt werden wollen. Deutschland lebt derzeit von der Substanz, auch und vor allem in den Kommunen.
Während die Kommunen im Bundesdurchschnitt rein statistisch Finanzierungsüberschüsse verzeichnen, steigt gleichzeitig der ermittelte Investitionsrückstand im Rekordtempo. Im Jahr 2018 erreichte er mit insgesamt rund 159 Milliarden Euro einen traurigen Rekordstand. Mit fatalen Folgen: Brücken und Straßen bröckeln, Schwimmbäder und Sportstätten sind marode und die Schulen gleichen eher analogen Baracken als digitalen Kathedralen der Bildung. Notwendig ist eine Modernisierungsoffensive im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, um den Substanzverzehr aufzuhalten und den Standort Deutschland zu sichern. Das ist auch für die zukünftige Sicherung unseres Wohlstandes unverzichtbar. Dabei fehlt es nicht nur am Geld, auch wenn viele Städte und Gemeinden ihre Haushalte immer noch durch Verzicht auf notwendige Investitionen konsolidieren müssen. Mindestens ebenso entscheidend ist ein Paradigmenwechsel mit Blick auf die überbordenden Standards und bürokratischen Anforderungen. Deutschland muss schneller, besser und unbürokratischer werden. Investitionen in die kommunale Infrastruktur werden durch überbordende Standards und Regelungen verteuert, verlangsamt und mitunter sogar ganz verhindert. Gesetzgeberische Vorgaben, Vergabebestimmungen oder das Beihilferecht werden zum Flaschenhals der öffentlichen Investitionsfähigkeiten. Hier muss Deutschland ansetzen, um mehr Investitionen zu ermöglichen und den Werteverzehr im Bereich der Infrastruktur aufzuhalten und umzukehren. Mit Blick in die Zukunft bereitet die sich immer deutlicher abzeichnende Spaltung der Gesellschaft Sorgen. Trotz der bereits skizzierten guten konjunkturellen und finanziellen Lage fühlen sich die Menschen in einigen Regionen in Deutschland teilweise abgehängt. Unzureichende ÖPNV-Angebote, Lücken in der medizinischen Versorgung, große Entfernungen zum Arbeitsort und ein geringes Angebot an Bildungs- und Freizeiteinrichtungen verstärken diese Wahrnehmungen. Die teilweise einseitige Fokussierung der Politik auf die Metropolen und Ballungsräume verstellt den Blick auf die Interessen eines großen Teils der Bevölkerung. Nur ein vergleichsweise wenige Menschen möchten in einer Großstadt leben, der überwiegende Teil bevorzugt das Leben in einer Kleinstadt oder auf dem Dorf. Um diesen Interessen gerecht zu werden, ist es unabdingbar, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung Mitte des Jahres 2018 eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, bestehend aus Bundesregierung, Bundesländern und kommunalen Spitzenverbänden, eingesetzt. Die Ausgangslage ist klar: Während viele Ballungsräume in Deutschland prosperieren existieren gleichzeitig ländliche Regionen, die mit großen Strukturproblemen zu kämpfen haben. Die Konzepte, um diese Situation zu verbessern, liegen größtenteils bereits auf dem Tisch: Flächendeckende medizinische Versorgung, gute Bildungsangebote, eine Stärkung der regionalen Arbeitsmärkte, besserer ÖPNV und eine flächendeckende, leistungsstarke Breitbandversorgung – dies sind die Bausteine einer zukunftsorientierten Politik für ganz Deutschland. Gerade für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und die Stärkung der strukturschwachen Regionen gewinnt die Digitalisierung immer mehr an Bedeutung. Auch hier besteht in Deutschland gewaltiger Nachholbedarf. Für Städte und Gemeinden stellt sich mit der Umsetzung der Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes bis zum Jahr 2022 eine große Herausforderung. Insgesamt 575 Verwaltungsleistungen sollen in den kommenden Jahren digitalisiert und online verfügbar gemacht werden. Gleichzeitig müssen auch die internen Verwaltungsabläufe modernisiert und digitalisiert werden, um mehr Service für Bürger und Unternehmen zu bieten sowie Effizienzpotenziale zu heben.
Digitalisierung in Kommunen bedeutet allerdings mehr als E-Government und digitale Verwaltung. Digitale Lösungen können dazu beitragen, hochwertige Bildungsangebote ortsunabhängig verfügbar zu machen und die teilweise bestehenden Engpässe in der medizinischen Versorgung zu verringern. Die Digitalisierung des Verkehrssektors kann die Parkplatzsuche vereinfachen, die Verkehrsströme besser lenken und Verfügbarkeit und Service von ÖPNV-Angeboten steigern. Zudem können dezentrale Wirtschafts- und Wertschöpfungsstrukturen und Telearbeitsplätze den Zuzugsdruck auf die Ballungsräume verringern und die Attraktivität der ländlichen Regionen steigern. Auf diese Weise können digitale Lösungen auch einen Beitrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse leisten. Um die Digitalisierung voranzubringen braucht es einen Prozess des Umdenkens in der Politik. Es reicht nicht, analoge Verfahren digital abzubilden. Prozesse, Strukturen und Wertschöpfungsketten müssen in der digitalen Welt neu gedacht und neu konzipiert werden. Dazu brauchen vor allem die Kommunen Unterstützung bei der Entwicklung von Strategien und der Gewinnung von Kompetenzen. Dies wird eine der entscheidenden Aufgaben für die Politik in den kommenden Jahren sein. Mit Blick auf die politische Kultur in Deutschland wird es in den kommenden Jahren notwendig sein, zu Realismus und Sachpolitik zurückzukehren. Dies betrifft weniger die Kommunen als die Bundespolitik und die Diskussionen in den Medien und den sozialen Netzwerken. Wir erleben in der jüngsten Zeit trotz insgesamt positiver Rahmenbedingungen eine Abkehr von der Sachpolitik und eine Hinwendung zu einer regelrechten „Empörpolitik“. Dies schlägt sich auch auf die Wahrnehmung und das Handeln vieler Menschen nieder. Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen in den sozialen Netzwerken – auch gegen Kommunalpolitiker – nehmen zu und können in Einzelfällen in körperlichen Übergriff en eskalieren. Notwendig ist eine Rückkehr zu mehr Sachlichkeit und zu mehr Realismus. Deutschland zählt nach wie vor zu den wohlhabendsten und sichersten Ländern weltweit. Dies muss den Menschen stärker als bisher vermittelt werden, um das subjektive Sicherheitsempfinden zu verbessern. Zu mehr Realismus in der Politik gehört aber auch, nicht immer neue staatliche Leistungen zu versprechen und eine „Vollkasko-Mentalität“ in der Bevölkerung zu generieren. Jeder Euro, der vom Staat ausgegeben wird, muss erst einmal über Steuereinnahmen erwirtschaftet werden. Können durch die Politik gemachte Versprechen nicht gehalten werden, wird dies Frust und Politikverdrossenheit auslösen– mit den bereits beschriebenen Folgen für das gesellschaftliche Klima und die politische Kultur.
Im Jahr 2019 wird sich der Blick auch auf den 26. Mai richten. An diesem Tag wird das Europäische Parlament neu gewählt. Gleichzeitig finden in mehr als der Hälfte der Bundesländer Kommunalwahlen statt. Der 26. Mai wird vielfach als Schicksalstag für Europa bezeichnet. Aus kommunaler Sicht wird es an diesem Tag darum gehen, den europäischen Gedanken zu erhalten und den Populisten eine klare Absage zu erteilen. Gerade die Kommunen haben den europäischen Gedanken stets gelebt und aktiv mit Leben gefüllt. Mit Blick auf die bevorstehende Wahl ist es auch Aufgabe der Städte und Gemeinden, herauszustellen, welch überragende Rolle die Europäische Gemeinschaft für die Sicherung des Friedens leistet und geleistet hat. Europa wird nur als gemeinsamer Wirtschafts- und Werteraum eine Chance haben, zwischen den Machtblöcken USA und China zu bestehen. Daher werden sich die Kommunen in Deutschland mit aller Kraft für den europäischen Gedanken einsetzen. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, dass die EU mehr Reformwillen als in den vergangenen Jahren zeigt. Nach dem Grundsatz „Global denken, lokal handeln“ erwarten die Städte und Gemeinden eine konsequentere Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips. Was vor Ort entschieden werden kann, sollte auch dort entschieden werden. Zudem ist es notwendig, dass die EU das immense Potenzial der Kommunen für den europäischen Integrationsprozess noch stärker als bisher nutzt. Gerade Städtepartnerschaften machen den europäischen Gedanken erlebbar und steigern die Akzeptanz für den Staatenverbund. Europa durchlebt derzeit eine kritische Phase und wird von vielen populistischen Stimmen zu Unrecht in Frage gestellt. Umso wichtiger ist es, jetzt die pro-europäischen Kräfte zu bündeln und entschieden für das gemeinsame Projekt einzutreten. Die Kommunen in Deutschland werden ihren Beitrag dazu leisten.
(Die gesamte DStGB-Dokumentation kann unten als PDF-Dokument heruntergeladen werden).