Anlässlich des Tages der Verkehrssicherheit mahnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund mehr verständliche Verkehrsregeln an und plädiert für den weiteren Abbau des Schilderwaldes im öffentlichen Verkehrsraum.
Mehr als 20 Mio. Verkehrsschilder säumen Deutschlands Straßen. Für neue und zusätzliche Schilder müssen die Kommunen im Jahr rund 40 Millionen Euro aufwenden. Bereits jetzt ist das kurze Intervall, immer neuer Schilder und immer detaillierterer Bestimmungen für die Menschen kaum noch zu durchblicken. Das gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Regeln, sondern birgt auch die Gefahr, dass gerade die wichtigen Regelungen (zum Beispiel die Tempo-30-Zonen vor Schulen oder Kindergärten) zu wenig beachtet werden.
Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie sollte es den Kommunen ermöglicht werden, digitale Schilderkataster einzurichten, um damit den Schilderwaldabbau voranzutreiben. Die politische Diskussion in Deutschland im Bereich der Verkehrspolitik wird zu sehr vom Grundsatz getrieben: Je mehr Regeln, desto besser. Dabei ist die Bilanz der deutschen Verkehrspolitik insgesamt durchaus positiv. Im Jahr 1970 gab es noch 21.300 verkehrsbedingte Todesfälle in Ost- und West-Deutschland; 2018 waren es 3.275 Todesfälle in der Bundesrepublik.
Natürlich müssen wir daran arbeiten, dass die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten sich weiter reduziert. Das erreichen wir allerdings nicht mit überzogenen Maßnahmen und ideologischen Konflikten. Wenn die Menschen die Regelungen nicht mehr akzeptieren oder verstehen, erreichen wir das Gegenteil. Der Kampf um den Verkehrsraum wird zu sehr ideologisch geführt.
Die Fahrradlobby fordert – auch mit dem Argument Klimaschutz – mehr Raum im öffentlichen Verkehrsbereich. Viele Fußgänger wiederum fühlen sich von den Fahrradfahrern bedrängt. Die Autofahrer fühlen sich ebenfalls benachteiligt und auch der Öffentliche Personennahverkehr fordert mit Sonderspuren zusätzliche Privilegien. Wir brauchen auch in der Verkehrspolitik mehr Miteinander und weniger Gegeneinander. Auch der ständige Ruf nach schärferen und strengeren Bußgeldvorschriften dient am Ende nicht der Sache. Die jüngste Verschärfung des Bußgeldkataloges, wonach bereits bei der erstmaligen und möglicherweise einmaligen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerorts 21 km/h, außerorts 26 km/h ein Fahrverbot verhängt wird, stößt bei vielen Menschen auf völliges Unverständnis. Man kann durchaus hinterfragen, ob es wirklich verhältnismäßig ist, wenn jemand – der vielleicht viele Jahre „punktefrei“ gefahren ist – einmalig einen solchen Verstoß begeht, schon mit einem Fahrverbot belegt werden sollte. Dabei gilt es auch zu bedenken, dass alle noch schärferen Ge- und Verbote neue Bürokratie auslösen und der Kontrollaufwand für die Städte und Gemeinden immer größer wird.
Ein Mehr an Verkehrssicherheit und ein Weniger an Verletzten und Toten im Straßenverkehr erreichen wir nicht durch immer weitere Gängelung mit neuen und schärferen Regelungen, sondern durch ein Verkehrsklima, das durch gegenseitige Rücksicht und ständiger Vorsicht geprägt ist.
Umso notwendiger, als es immer mehr unterschiedliche Verkehrsmittel (E-Scooter) gibt, die sich die begrenzte Infrastruktur teilen müssen. Hier muss das richtige Maß zwischen der Notwendigkeit gesonderter Regulierung und weniger Bürokratie im Straßenverkehr gefunden werden.
Foto: © stockphoto-graf - Fotolia.com