Entsprechend der Koalitionsvereinbarung macht sich die Bundesregierung auf den Weg, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich zu verankern. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt davor, den Bürgerinnen und Bürgern Versprechungen zu machen, die aktuell nicht erfüllt werden können. Das gesellschaftspolitische Ziel, auch in der Grundschule eine Ganztagsbetreuung anzubieten, ist unstreitig. Entscheidend ist aber die Frage, ab wann, wo und wie dieses tatsächlich umgesetzt werden kann.
Das ist zum einen eine Finanzierungsfrage. Notwendig sind enorme Investitionskosten (Schätzungen liegen bei rund 7,5 Milliarden Euro), aber auch die zusätzlichen Betriebskosten erfordern jährlich Milliardenbeträge. Das darf man nicht einfach den Kommunen aufbürden. Wir erwarten eine klare und belastbare Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, dass sie die Investitions- und Betriebskosten übernehmen.
Auch dann wäre allerdings bedauerlicherweise die Personalfrage noch nicht geklärt. Es fehlt flächendeckend an geeignetem Personal. Hinzukommt, dass die Situation bei der Ganztagsbetreuung von Bundesland zu Bundesland völlig unterschiedlich ist. Deswegen scheint es bedenklich, alle gleichmäßig und gleichzeitig zur Erfüllung eines Rechtsanspruchs zu verpflichten. So lag im Jahr 2019 die Ganztagsbetreuung in Hamburg schon bei 92 Prozent, während Baden-Württemberg mit 22 Prozent, Schleswig-Holstein mit 31 Prozent und Bayern mit 39 Prozent eine viel ungünstigere Ausgangsposition haben.
Aus diesem Grund plädieren wir für eine Öffnungsklausel zu Gunsten der Länder. Selbst wenn man an dem stufenweisen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung festhält, sollten die Länder berechtigt sein, aus finanziellen, organisatorischen oder personellen Gründen den verbindlichen Rechtsanspruch zeitlich zu verschieben oder temporär auszusetzen. Auch regionalen Besonderheiten müsste Rechnung getragen werden können. Ein Rechtsanspruch nützt am Ende auch den Eltern nichts, wenn die tatsächliche Infrastruktur nicht zur Verfügung gestellt werden kann.
Das Ziel der Ganztagsbetreuung in der Grundschule ist richtig, die Umsetzung muss aber der Wirklichkeit Rechnung tragen. Sonst stehen am Ende nur Verdruss und Rechtsstreitigkeiten, aber keine bessere Kinderbetreuung in der Grundschule.
(Ein Statement von DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg)
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