Deutschland erlebt einen Shutdown, den sich noch vor wenigen Wochen niemand vorstellen konnte. Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben stehen nahezu still. Bund, Länder und Kommunen arbeiten im Hochbetrieb rund um die Uhr, um die Krise zu meistern. Die in der Vergangenheit häufig geäußerte Kritik „zu langsam, zu umständlich, nicht praktikabel“ ist verstummt. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister treffen sich täglich mit ihren Krisenstäben unter Beratung der Wissenschaft, um die optimalen Lösungen für ihre Städte und Gemeinden zu entwickeln.
In der jetzigen Krise erkennen die Menschen überraschend den hohen Wert von verantwortungsvoll handelnden Politikerinnen und Politikern sowie unseren Verwaltungen. Darin liegt eine große Chance, gerade für die Kommunen. Die Städte, Gemeinde und Kreise stehen an der vordersten Front im Kampf gegen die Pandemie. Das Vertrauen der Menschen wächst, der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe sind überall erkennbar. Wenn es darauf ankommt, stehen wir zusammen. Das sind gute Signale und eine Chance für die Zeit nach der Krise.
Nun muss eine durchdachte und behutsame Exit-Strategie organisatorisch vorbereitet werden. Der teilweise geäußerte Appell, man dürfe über den Ausstieg aus dem Shutdown noch nicht einmal diskutieren, ist fraglich. In einer Demokratie darf auch in der Krise über alles diskutiert und nachgedacht werden, denn die Menschen sind nicht die Untertanen des Staates. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass zurzeit noch niemand sagen kann, wann der richtige Zeitpunkt für Lockerungen gegeben sein wird. Andererseits wissen alle, dass weder die Gesellschaft, noch die Wirtschaft einen langfristigen Stillstand durchhalten können.
Wir müssen mit der nötigen Behutsamkeit den Exit organisatorisch klug vorbereiten. Es wird sicherlich nicht kurzfristig einen Zeitpunkt geben, von dem aus alles wie früher ist. Die besonderen Abstands- und Hygieneregeln werden uns noch lange begleiten. Für die Kommunen stehen insbesondere folgende Fragen im Vordergrund:
In Planspielen muss simuliert werden – und da benötigen Städte und Gemeinden auch die Beratung des Robert-Koch-Institutes – ob es zum Beispiel Sinn machen kann, Kinder/Schüler hälftig vor- bzw. nachmittags oder auch hälftig im 14-Tage-Wechsel zu betreuen. Das hängt natürlich stark mit dem Aufbau einer echten flächendeckenden Test-Infrastruktur zusammen. Die brauchen wir auf jeden Fall, um nach der Aufhebung des Shutdown das Virus unter Kontrolle zu halten. Dazu gehört ein bundesweit einheitliches Test- und Meldesystem. Zudem müssen die Testkapazitäten deutlich ausgebaut werden, damit 80 bis 100 Prozent der Kontaktpersonen von Infizierten innerhalb eines Tages gefunden und getestet werden können. Die Überlegungen der Bundesregierung, die Tests bis Ende Mai auf 500.000 pro Tag hochzufahren – derzeit sind es etwa 60.000 – sind richtig.
Auch die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte, freiwillige App kann dazu beitragen, Transparenz zu schaffen und potentielle Infektionsketten schnell und effektiv zu durchbrechen.
Sobald ausreichend Schutzmasken vorhanden sind, kann auch ein vorsorgliches Schutzmaskengebot jedenfalls in Geschäften, Behörden und ÖPNV richtig sein.
Auch wenn man sich voraussichtlich bei den Lockerungen um einheitliche Grundsätze in Deutschland bemühen wird, darf es regionale Besonderheiten geben. Auch der Föderalismus hat sich in der Krise bewährt: Die Situation in den Bundesländern und Regionen ist sehr unterschiedlich, weshalb auch die Lockerungsanforderungen dementsprechend Rechnung tragen müssen.
Auch bei der Frage, welche Geschäftsarten zu welchem Zeitpunkt unter welchen Voraussetzungen wiedereröffnet werden können, sollten die Auswertungen der bisherigen Regelungen beachtet werden. So ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum nicht ein Buch- oder Blumenladen unter den gleichen Abstands- und Hygieneregeln wiedereröffnen sollte, wie sie jetzt schon für Bäckereien oder Apotheken gelten.
Zunehmend wird es auch eine wichtige Rolle spielen, welche Einschränkungen für Personen noch gelten müssen, die die Krankheit überwunden und somit Antikörper entwickelt haben. Warum sollte ein Ein-Mann-Betrieb nicht wieder öffnen können, wenn der Inhaber gesundet ist, nachweislich niemand mehr anstecken kann und auch nicht als Überträger in Betracht kommt? Denn nicht nur die Zahlen der Infizierten steigt, sondern auch die Zahl der Genesenen.
Unverzichtbar ist es natürlich – und das gilt auch für die Kommunen vor Ort – den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder zu vermitteln, warum wird wann welche Maßnahme ergriffen. Wir brauchen weiterhin die Akzeptanz und Zustimmung der Bevölkerung, um erfolgreich durch die Krise zu kommen.
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