Die Stellungnahme lautet wie folgt:
Die Bundesregierung muss auf der Grundlage des Art. 260 Abs. 1 AEUV zeitnah die rechtlich erforderlichen Schlussfolgerungen aus der EuGH-Entscheidung ziehen. Insbesondere Kommunen benötigen schnell Rechtssicherheit. Inhaltlich betrifft dies die Anpassung der Mindest- und Höchstsatzregelung in § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 5 HOAI. Aber auch § 7 Abs. 3 HOAI über die in Ausnahmefällen möglichen Unterschreitungen der in der HOAI festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarungen sowie die Regelung in § 7 Abs. 4 HOAI zur Überschreitung der in der HOAI festgesetzten Höchstsätze im Ausnahmefall erfordern eine Anpassung. Ebenso nehmen die §§ 44 Abs. 7, 52 Abs. 5 sowie 56 Abs. 6 HOAI auf die Mindestsatzregelung Bezug, so dass auch hier Klarstellungen erforderlich sind.
Mit Blick auf die bislang geführte Diskussion zur Anpassung der HOAI ist aus kommunaler Sicht folgendes festzuhalten:
Keine Änderung berufsrechtlicher Regelungen
Eine Änderung berufsrechtlicher Regelungen und eine damit verbundene Beschränkung der Erbringung von Planungsleistungen ausschließlich durch Architekten und Ingenieure halten wir weder für zielführend noch für durchsetzbar. Denn diese berufsrechtlichen Beschränkungen müssten sich ebenfalls am EU-Recht und der Nichtdiskriminierung anderer Bewerber (Dienstleistungsfreiheit), aber auch an Art. 12 GG (Freiheit der Berufsausübung) messen lassen. Hinzu kommt, dass derartige Regelungen vielfach im Landesrecht normiert sind. Notwendige zügige Änderungen wären daher ausgeschlossen.
Angemessenheitsprüfung bereits im Vergaberecht vorgegeben
Eine seitens der Architekten- und Ingenieurverbände geforderte Implementierung einer Angemessenheitsklausel in die HOAI wird seitens der kommunalen Spitzenverbände abgelehnt. Keinesfalls akzeptabel ist der von der Bundesarchitektenkammer in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellte Vorschlag, wonach bei Rechtsstreitigkeiten über die Angemessenheit des Honorars der angerufene Spruchkörper ein Gutachten der Architektenkammer, der Ingenieurkammer oder eines öffentlich bestellten Sachverständigen einzuholen hat. Das zwingend von öffentlichen Auftraggebern zu beachtende Vergaberecht sieht bereits heute bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen vor, dass einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen ist (z. B. § 77 Abs. 2 VgV). Insofern bedarf es keiner weitergehenden „Angemessenheits“-Regelung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die kommunalen Auftraggeber die sich neu ergebenden Gestaltungsspielräume verantwortungsvoll nutzen. Ungewöhnlich niedrige Angebote werden und müssen die öffentlichen Auftraggeber nicht nur aus rechtlichen Gründen (s. §§ 60 VgV, 44 UVgO), sondern bereits im Eigeninteresse ausschließen.
Mittelsätze nicht als Regelsätze werten
In diesem Zusammenhang ist die Forderung, dass dann, wenn kein Honorar vereinbart wurde (Rückfalloption), zukünftig die HOAI-Mittelsätze als Regelsätze zu werten sind, ebenfalls abzulehnen! Als Ausfallregelung für den Fall, dass keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, kann u.E. allenfalls der Mindestsatz in Bezug genommen werden. Nur das entspräche dem Charakter einer Auffangregelung. Hinzu kommt, dass das Ergebnis öffentlicher Vergaben meist deutlich näher beim Mindestsatz als beim Mittelsatz liegt. Die Bezugnahme auf den Mittelsatz wäre auch deshalb nicht sachgerecht und ließe erhebliche Verteuerungen befürchten. Eine Festlegung auf den Mittelsatz würde den bewusst vom Gesetzgeber geschaffenen Gestaltungs- und Bewertungsspielraum der öffentlichen Auftraggeber unzulässig einschränken. Ziel öffentlicher Auftraggeber wird es auch zukünftig sein, weiter eine hohe Qualität des Planens und Bauens sicherzustellen. Insoweit dürfen die durch das EuGH-Urteil für die öffentlichen Auftraggeber sich ergebenden neuen Gestaltungsspielräume nicht durch die „rechtliche Hintertür“ einer einengenden neuen HOAI zunichte gemacht werden. Dies wäre der Fall, wenn die HOAI-Mittelsätze als Regelsätze in der HOAI festgeschrieben würden. Das Vergaberecht bietet öffentlichen Auftraggebern und damit auch den Städten, Landkreisen und Gemeinden schon heute genügend Möglichkeiten, bei der Beauftragung von Architekten- und Ingenieurleistungen qualitativ hochwertige Planungsleistungen zu erhalten. Diese gilt es zu nutzen, ohne den Inhalt des EuGH-Urteils zu konterkarieren.
Kommunale Gestaltungsspielräume erhalten – Rechtssichere Regelung nötig
Vor dem Hintergrund der vorgenannten Hinweise könnte eine mögliche Lösung für die Praxis unter Bezugnahme auf den Mindestsatz in einer Anlehnung an die Steuerberatungsvergütungsverordnung (StBVV) gesehen werden, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass es sich bei der StBVV unseres Erachtens – anders als bei Planungsleistungen – um eine kohärente Regelung handelt, die nur für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, nicht aber für andere Berufsgruppen gilt.
Dort ist in § 2 bestimmt:
„Ist in dieser Verordnung über die Gebühren für eine Berufstätigkeit des Steuerberaters nichts bestimmt, so sind die Gebühren in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung zu bemessen.“
In § 4 Abs. 1 S. 1 StBVV heißt es darüber hinaus:
„Aus einer Vereinbarung kann der Steuerberater eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur fordern, wenn die Erklärung des Auftraggebers in Textform abgegeben ist.“
Bei einer entsprechenden Übernahme der vorgenannten Regelungen in die HOAI ist streng darauf zu achten, aber auch zu gewährleisten, dass nicht „durch die Hintertür“ wieder Mindest- und Höchstsätze verbindlich eingeführt werden. Dies ist nach dem EuGH-Urteil strikt untersagt.
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