Der NKR lobt, dass durch die Corona-Pandemie ein digitaler Ideen- und Mentalitätsschub durch viele Verwaltungen gegangen sei. Zwar sind auch zahlreiche Schwachstellen zu Tage getreten, doch hätte die Pandemie deutlich gezeigt, was digital alles in kürzester Zeit bewerkstelligt werden könnte. Der NKR verweist hier unter anderem auf den Hackathon #WirVSVirus, die Corona-Warn-App oder auch die OZG-Expresslabore für Verdienstausfallentschädigungen.
Im Rahmen des Konjunkturpaketes hat die Bundesregierung weitere 3,3 Milliarden Euro für die OZG-Umsetzung und Registermodernisierung bereitgestellt. Mit diesen Mitteln sowie mit dem OZG-Prozess sind große Hoffnungen für die digitale Verwaltung in Deutschland verbunden.
Der Monitor des Normenkontrollrates hat in seinem aktuellen Bericht den aktuellen OZG Prozess analysiert und einige Kernbotschaften formuliert:
1. Es wird Transparenz über den Umsetzungsstand des OZG benötigt und das Ziel darf nicht aus den Augen verloren werden.
Der Normenkontrollrat kritisiert, dass es aufgrund unterschiedlicher Informationsseiten, für Kommunen nicht möglich ist, sich an einer Stelle zu informieren. Für die kommunale Ebene ist es derzeit nicht möglich abzuschätzen, welche Lösungen aus dem OZG-Digitalisierungslaboren wann und wie zur Verfügung stehen, wie sie sich am besten auf eine Übernahme dieser Services einstellen können oder in welchen Punkten es sich lohnt eigene Angebote zu entwickeln. Gelobt wird, dass dieses Problem erkannt wurde und dass bis Ende des Jahres das Monitoring-Dashboard zur Verfügung stehen soll.
Besorgt reagiert der NKR auf Äußerungen, dass nicht einmal OZG-Leistungen der beiden höchsten Prioritäten eins und zwei bis 2023 flächendeckend zur Verfügung stehen könnten. Aus der Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU, die eine Umsetzung von digitalen Leistungen bis Ende 2023 festlegt, befürchtet der NKR, dass Bürger*innen ihre Rechte auf eine Onlineverwaltung womöglich gerichtlich einklagen könnten oder die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten könnte.
2. Die Milliarden des Konjunkturpaketes können helfen, lösen aber nicht alle Probleme. Komplexitäten müssen reduziert und wettbewerbsfreundlich standardisiert werden.
Die zusätzlichen Milliarden des Konjunkturpaketes können Investitionsentscheidungen erleichtern und besonders finanzschwache OZG-Projekte unterstützen. Jedoch seien besondere Schwachpunkte im derzeitigen Prozess Ressourcenknappheit auf Verwaltungs- und Herstellerseite. Hier wäre es von Vorteil, die Komplexität des OZG-Prozesses zu reduzieren. Besonders die Maßgabe des Koalitionsausschusses, die drei Milliarden nur dort einzusetzen, wo Lösungen gemeinschaftlich oder zentral entwickelt werden (Einer-für-Alle), ist zwar mit der Hoffnung nach mehr Schnelligkeit verbunden, jedoch bürgt dieser Ansatz auch einige Fallstricke. Derartige Lösungen sind nur überall einsetzbar, wenn sie mit der lokalen Systemlandschaft und den Fachverfahren kompatible sind und sich auch dem wandelnden Bedarf vor Ort anpassen können. Den Ansatz Einige-für-Viele halten die Verfasser für zielführender.
Um einen besseren Wettbewerb bei Produkten und keine einseitige Abhängigkeiten von großen IT-Firmen hervorzurufen, plädiert der NKR für ein stärkeres Maß an Standardisierungen, Modularisierungen und der Verwendung offener Schnittstellen. Der bereits veröffentlichte Servicestandard für die OZG-Umsetzung enthält bereits viele Empfehlungen für diesen Bereich. Der NKR plädiert dafür, diesen weiter zu operationalisieren. Dies könnte den Mittelstand stärken und auch das Angebot durch Start-Ups erhöhen.
3. Die Vollzugs- und Digitaltauglichkeit von Gesetze muss verbessert und mit einem Digital-TÜV systematisch kontrolliert werden.
Als positives Beispiel für eine höhere Praktikabilität von Gesetzen kann die Umstellung der KFZ-Onlineverfahren zur Corona-Zeit in Bayern von Identifizierung mit elektronischem Personalausweis und Lesegerät (oder passendem Smartphone) auf Benutzername und Passwort aufgeführt werden. Im Ergebnis stieg dadurch die Nutzung der KFZ-Onlineservices in Bayern um das Neunzehnfache. Derartige Vereinfachungen sollten bundesweit möglich sein und das nicht nur zur Krisenzeit.
Gesetze sollten auf ihre Praktikabilität und digitale Umsetzbarkeit viel stärker geprüft und danach angepasst werden. Ein Digital-TÜV nach dänischem Vorbild sollte zur Lösung dieses Problems zeitnah eingeführt werden.
Bewertung durch den DStGB:
Auch die vierte Auflage des Berichts des Normenkontrollrates zur digitalen Verwaltung zeigt, dass in Deutschland massiver Nachholbedarf besteht. Die Platzierung im europäischen Vergleich macht deutlich, dass viele andere Staaten deutlich besser aufgestellt sind. Die aufgezeigten Defizite bei der Umsetzung des OZG sind besonders im Bereich der Kommunikation über die Vorhaben und den Stand der Fortschritte signifikant. Mehr Transparenz und bessere Kommunikation gegenüber den Kommunen, die den Löwenanteil der Leistungen umsetzen sollen, sind dringend erforderlich. Das Ausmaß des durch das OZG ausgelösten Umbaus der Prozesse und Abläufe ist immens, besonders wenn nicht nur die Schnittstellen im „Front-End“ in den Blick genommen werden, sondern durchgehend digitale Prozesse angestrebt werden. Dies erfordert aktives Veränderungsmanagement und eine gute Prozessbegleitung und setzt eine nachvollziehbare und transparente Vorgehensweise zwingend voraus. Hier ist der Bund und die für die Umsetzung verantwortliche FITKO dringend gefordert.
Es bleibt abzuwarten, ob die nun durch das Konjunkturpaket zusätzlich verfügbaren Finanzmittel zu einer Verbesserung der Situation und zu einer Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung beitragen werden. Dazu müssen die Gelder vor allem dort eingesetzt werden, wo auch die Umsetzung des OZG erfolgt – auf der kommunalen Ebene.
Um einen möglichst hohen Nutzen zu erzielen und möglichst rasch sichtbare Fortschritte zu erreichen sollte sich die Umsetzung des OZG prioritär auf die Verwaltungsleistungen konzentrieren, die auch besonders nachgefragt werden. Auf diese Weise wird das gigantische Umbauprojekt OZG handhabbarer und der Nutzen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen schnell sichtbar.
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