Der Siebte Altenbericht beschreibt zutreffend die besondere Rolle der Kommunen für die Sicherung und Ausgestaltung der Daseinsvorsorge. Sie sind im Rahmen des verfassungsrechtlich verankerten Selbstverwaltungsrechts aufgerufen, die soziale Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger bedarfsorientiert zu gestalten. Bezogen auf das Thema Demenz fällt ihnen die Aufgabe zu, die Verfügbarkeit eines differenzierten Hilfesystems aus offenen, ambulanten, (teil-)stationären sowie komplementären Altenhilfe-, Pflege- und sozialen Angeboten einschließlich der sozialen Teilhabe in der örtlichen Gemeinschaft zu ermöglichen. Hieraus ergeben sich für die Kommunen vor allem folgende Aufgaben:
- das Thema Demenz enttabuisieren, für die Thematik sensibilisieren und Solidarität vor Ort schaffen;
- dafür Sorge tragen, dass erforderliche Hilfen bereitgestellt werden;
- örtliche Unterstützungspotenziale entwickeln, organisieren und fördern;
- Infrastrukturen, Serviceleistungen und Angebote inklusiv gestalten.
Diesen sozialen, politischen, ökonomischen und humanitären Herausforderungen kann nur begegnet werden, wenn in den Städten und Gemeinden Formen einer gemeinsamen zivilgesellschaftlichen Verantwortungsübernahme entwickelt und gelebt werde. Bürgerinnen und Bürger, politische Entscheidungsträger sowie andere lokale Akteure müssen neue Netze des Kontakts und der Unterstützung in ihrem Gemeinwesen identifizieren und knüpfen, um eine wirkliche Verbesserung der Situation von Menschen mit Demenz zu ermöglichen. Mit Netzwerken auf kommunaler und wohnortnaher Ebene kann erfahrungsgemäß die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen am besten gewährleistet werden.
Die Kommunen müssen und sollen nicht alle Aufgaben selbst erfüllen. Aber sie haben die Aufgabe, dies zu ermöglichen und die genannten Akteure zu vernetzen. Dabei sollten sie die Betroffenen zu Beteiligten machen. Wie sollen vor Ort bedarfsgerechte Angebote entwickelt werden, wenn dies ohne die Betroffenen geschieht, die Expertinnen und Experten in eigener Sache sind? Von der Großstadt mit ihren Quartieren bis hin zu den ländlichen Räumen sind individuelle Handlungskonzepte gefordert. Vor besonderen Herausforderungen stehen die dünn besiedelten und strukturschwachen ländlichen Räume, aber auch die prekären urbanen Gebiete. Die Divergenz zwischen den Kommunen nimmt derzeit zu und nicht ab. Hier sind Bundes- und Landespolitik gefordert, die Rahmenbedingungen für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland entsprechend der Forderungen im Siebten Altenbericht zu schaffen.
Aber auch die Kommunen selbst sind gefordert. Die Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit und des Zusammenspiels von Landkreisen und insbesondere kleinen kreisangehörigen Gemeinden werden noch nicht überall hinreichend genutzt. Notwendig ist eine integrierte und intergenerative Stadtentwicklungsplanung, die in den Quartieren und Gemeinden die unterschiedlichen Handlungsfelder, zum Beispiel Wohnen, Mobilität, Nahversorgung, Gesundheit, Pflege, Sport, Freizeit und Kultur und soziale Teilhabe für alle Generationen und für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zusammenführt.
Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen:
- Um nachhaltige Strukturen zu ermöglichen, brauchen die Kommunen zum einen einen größeren Einfluss bei der Ausgestaltung von Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, zum anderen müssen die finanziellen Handlungsspielräume gewährleistet werden. Befristete Projektfinanzierungen können zwar Anregungen geben, sie können aber einen dauerhaften und verlässlichen Finanzierungsrahmen nicht ersetzen. Die Sozialausgaben der Kommunen steigen weiter ungebremst an, neue milliardenschwere Rechtsansprüche stehen im Raum. Die Kommunen können ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn Bund und Länder ihnen eine ausreichende Finanzausstattung zur Verfügung stellen. Ansonsten wird die Heterogenität weiter zunehmen zulasten der Einwohnerinnen und Einwohner.
- Die unterschiedlichen Herausforderungen in den Kommunen erfordern ein flexibel gestaltetes Leistungsrecht. Nicht die Fördersystematik darf die Handlungsoptionen vorgeben, sondern der tatsächliche Bedarf vor Ort. Versäulungen müssen nicht nur in den Kommunen, sondern auch in den Förderstrukturen und in den Sozialgesetzbüchern vermieden werden
Der besonderen Bedeutung der Kommunen mit Blick auf das Thema Demenz wurde in den vergangen Jahren durch Programme und Initiativen wie die „Demenzfreundlichen Kommunen“ und „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ Rechnung zu tragen versucht. Ergebnis sind unter anderem eine Handreichung „Leben mit Demenz in der Kommune – vernetztes Handeln vor Ort“, die Informationen sowie zahlreiche Verweise und Links auf Projekte, Studien, Konzepte und Internetseiten zu den unterschiedlichen Aspekten im Zusammenhang mit dem Thema Demenz enthält. Mit dem Schwerpunkt will der DStGB auf die wachsende Bedeutung des Themas Demenz hinweisen und auch die Arbeit der in diesem Jahr beginnenden Nationalen Demenzstrategie begleiten.
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