Gewalt I

Bundespräsident verurteilt bei einem Gespräch in Berlin Gewalt gegen Kommunalpolitiker

Bei dem vertraulichen Gespräch im Schloss Bellevue waren nur wenige Journalisten zugelassen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde zugesichert, dass ihre Namen nicht genannt werden, wenn sie nicht ausdrücklich mit der Nennung einverstanden sind. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister berichteten von den eigenen, zum Teil erschütternden Erlebnissen mit Beschimpfungen, Bedrohungen und Übergriffen gegen Sie, ihre Familien oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Bundespräsident wollte mit diesem Termin den unzähligen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die bereits in vergleichbaren Situationen waren, den Rücken stärken und sich ein Bild von der derzeitigen Situation machen.

Zu Beginn der Sitzung zitierte Dr. Landsberg die Ergebnisse der jüngsten Umfrage der Zeitschrift „Kommunal“ zu diesem Thema und forderte, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker besser zu schützen und die dazu notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen. Insgesamt fand das Gespräch in einer offenen Atmosphäre statt.

Nachfolgend sind einige der Aussagen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die in der Zeitschrift „Kommunal“ ohne Nennung der jeweiligen Namen zitiert sind, im Wortlaut wiedergegeben.

„Es ist ja nicht nur ein rechtsextremes Spektrum, sondern die breite gesellschaftliche Verrohung in vielen Kreisen. Das sind Menschen, oft in schwierigen Situationen bei mir in meinem kleinen Ort, die oft bei Kleinigkeiten zur Gewalt neigen. Die Polizei reagiert aber sehr reserviert, wegen einer Beleidigung kommen sie gar nicht erst raus, eine einfache Schlägerei wird ignoriert. Ganz ehrlich: Die Polizei ist auch viel zu weit weg, bräuchte im Ernstfall viel zu lange. Anders als die Großstadtbürgermeister haben wir keinerlei Schutz, wenn wir angegriffen werden.“

„Mein Gemeinderat war erschüttert, als der Innenminister vor kurzem die Zahlen vorstellte und erklärte, es gebe in Deutschland 12.000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Keiner konnte bei uns verstehen, warum zwar die Zahlen verkündet werden, nicht aber ein Konzept, was dagegen getan werden soll. Es passiert einfach nichts. Der Innenminister hat mit keinem Wort erwähnt, was aus der schlimmen Erkenntnis folgen soll. Wir fühlen uns alleingelassen.“

„Ich war „nur“ Opfer eines frustrierten Menschen, wurde leicht verletzt. Das war eine ganz andere Qualität als der Fall Lübcke und als Todeslisten, die offenbar angelegt wurden. Bei mir hat die Justiz auch immerhin gehandelt. Ich erlebe aber, dass die Justiz sehr viel zurückhaltender reagiert, wenn sich der Hass gegen Mitarbeiter in der Verwaltung richtet. Da gibt es leider große Unterschiede.“

„Wir schauen heute in unserer kleinen Verwaltung, dass nie jemand alleine da ist, dann sperren wir zur Sicherheit lieber zu. Das darf eigentlich nicht sein. Wir haben eigentlich keine Probleme mit Rechtsextremisten. Es sind Bürger, die mit einzelnen Entscheidungen, die sie meist persönlich betreffen, unzufrieden sind. Die Kommunikation wird dann immer aggressiver, es gibt diese Verrohung in der Sprache und in der Gesellschaft deutlich.“

„Eine Amtskollegin hat mir heute unter Tränen noch einmal gesagt, dass sie weniger Angst vor Tätern als vielmehr Angst vor der schweigenden Masse hat. Im Fall des Falles ist sowieso die Polizeipräsenz bei uns auf dem Land nicht gewährleistet. Wir haben in unserem kleinen Ort mehr Bankautomaten als Polizisten.“

„Zur Gemeinde kommt leider nur noch, wer ein sehr persönliches Problem hat, alle anderen bleiben stumm. Die meisten lesen auch keine Zeitung mehr, bekommen weder mit, wer sie in der Gemeinde vertritt, noch, was Ehrenamtliche und Verwaltung täglich leisten. Uns als kleine Gemeinde fehlt leider auch die Kraft, selbst über das Internet täglich umfassend zu kommunizieren.“

„Ich habe lange geschwiegen nach diversen Drohungen. Erst als es eine Morddrohung gegen einen Gemeinderat gab, habe ich auch mein Schweigen gebrochen. Dadurch sind viele Bürger aufgewacht, haben realisiert, was bei uns passiert. Seither melden sich auch andere Gemeinderäte und Bürger, die ähnliches erlebt haben. Ich möchte alle ermutigen, bei Bedrohungen in die Öffentlichkeit zu gehen, ich erwarte von der Gesellschaft, dass sie sich hinter diese Menschen stellt. Bei uns hat das funktioniert.“

Der DStGB hat in diesem Zusammenhang ein Positionspapier mit Maßnahmen und Selbsthilfen zum Schutz von Politikern erstellt, welches unten zum Download bereitsteht.

Weitere Informationen

(Fotos: © Bundesregierung / Henning Schacht)

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