Der Koalitionsausschuss und das Bundeskabinett haben sich darauf verständigt, noch in diesem Jahr den Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz vorzulegen und im nächsten Jahr zu verabschieden. Das wird in Teilen von Politik und Öffentlichkeit mit der großen Erwartung verbunden, dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Migrationsbewegungen zu beeinflussen, indem man Perspektiven schafft. Dabei wird häufig übersehen, dass es in Deutschland bereits gesetzliche Regelung für die Zuwanderung von Nicht-EU-Ausländern gibt, die im Bereich der Arbeitsmigration in den letzten Jahren zudem deutlich liberalisiert wurden. Nach Ansicht der OECD gehört Deutschland mittlerweile sogar zu den liberalsten Ländern im OECD-Raum der 36 wirtschaftsstarken Mitgliedsländer.
Möglichkeiten der Fachkräftezuwanderung
Personen mit einer (als gleichwertig anerkannten) Berufsausbildung können nach Deutschland kommen, wenn sie besonders gut qualifiziert sind und nur für einen der 61 sogenannten Mangelberufe in Frage kommen, wie zum Beispiel für Gesundheits- und Pflegeberufe. Zusätzlich gibt es Sonderregelungen für den erleichterten Zuzug von Hochschulabsolventen (kein konkretes Arbeitsplatzangebot erforderlich), ausländischen Auszubildenden und Studenten sowie Spitzenkräfte von Wissenschaft und Wirtschaft. Auch ausländische Studenten mit deutschem Hochschulabschluss sind privilegiert (Anspruch auf Erteilung einer Blue Card). Im Jahre 2017 erhielten 107 642 Drittstaatenangehörige einen entsprechenden Aufenthaltstitel im Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit in Deutschland.
Natürlich ist es richtig, dass man mit dem Einwanderungsgesetz die bestehenden Regelungen entbürokratisieren, die Verfahren vereinfachen, auf die Liste der Mangelberufe verzichten und dem Ganzen politische Attraktivität verleihen will. Den Fachkräftemangel in Deutschland wird das neue Gesetz jedoch nicht beheben, sondern allenfalls abmildern können. Selbst eine Verdopplung der Anzahl von Erwerbstätigen aus Drittstaaten könnte unseren Fachkräftebedarf nicht annähernd befriedigen.
Bekämpfung des Fachkräftemangels: Nationale und europäische Maßnahmen
Notwendig ist ein abgestuftes Vorgehen. Die Qualifizierung von Fachkräften in Deutschland, der Spracherwerb von Flüchtlingen mit Bleiberecht sowie die Gewinnung von Arbeitskräften innerhalb der EU sollten in einem ersten Schritt erfolgen:
(1) Gewinnung von Fachkräften in Deutschland massiv ausbauen: Ausbildungsquoten und Bildungsabschlüsse weiter erhöhen, Vermittlung von Erwerbslosen und Ausbildungssuchenden verbessern, stärkere Berufstätigkeit von Frauen und Älteren sowie Chancen der Digitalisierung nutzen
(2) Flüchtlinge besser qualifizieren: Spracherwerb und Berufsqualifikation von Anfang an kombinieren; berufliche Qualifikationen aus den Herkunftsländern stärker berücksichtigen und zu gleichwertigen Qualifikationen ertüchtigen
(3) Positives Zeichen für europäischen Integrationsprozess setzen: Schaffung von Beratungs- und Kompetenzzentren dort, wo in der EU eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht, könnte die Vermittlung freier Arbeitskräfte und offener Stellen deutlich erhöhen
Keinen generellen Spurwechsel
Einen generellen Spurwechsel aus dem Asylverfahren in die Arbeitsmigration ist abzulehnen. Eine solche Regelung könnte einen Pull-Faktor für Flüchtlinge und Schlepper bedeuten. Die gefundene Einigung, abgelehnten Asylbewerbern, die aus von diesen nicht zu vertretenden Gründen nicht abgeschoben werden können, integriert sind und arbeiten, einen dauerhaften Aufenthalt zu gewähren, ist ein praktikabler Kompromiss. Dies darf aber nicht zum Regelfall werden.
Kritisch sieht der DStGB, zukünftig Drittstaatenangehörigen die Möglichkeit eines befristeten Aufenthalts zur Arbeitsplatzsuche einzuräumen. Dies sollte ebenso wie das Erlernen der deutschen Sprache aus dem Ausland her erfolgen. Ein Abweichen von diesem Grundsatz darf es nur in sehr begrenzten Fällen geben, es darf zu keiner Einwanderung in die Sozialsysteme kommen.
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