Finanzierung

Tourismusfinanzierung: Gebührenerhebung für touristische Infrastruktur am Strand zulässig

In der Presse wurde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2017 über die Gebührenerhebung und Einzäunung des Meeresstrandes in der Gemeinde Wangerland als Urteil gegen die Erhebung von Strandnutzungsgebühren dargestellt. Tatsächlich ist die Erhebung von Gebühren aber zulässig, soweit damit eine Infrastruktur finanziert wird, die eine touristische Nutzung ermöglicht und verbessert. Soweit der Strand nicht von der Badeinfrastruktur geprägt ist, muss allerdings auch eine unentgeltliche Nutzung des Meeresstrandes möglich sein.

In der Gemeinde Wangerland wurde beinahe der gesamte Meeresstrand zu einem kommunalen Strandbad erklärt. Damit wurde er zu einer kommunalen Einrichtung, für deren Benutzung eine Gebühr erhoben wurde. Eine Benutzung zu anderen Zwecken, wie z.B. Spazierengehen am Strand aber auch das Baden ohne die Nutzung von Badeinfrastruktur selbst auf Abschnitten, die nicht von Badeinfrastruktur geprägt sind, wurde damit unzulässig. Hierin sieht das Bundesverwaltungsgericht eine unzulässige Beschränkung der grundgesetzlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit.

Wir veröffentlichen daher nachfolgend die Pressemitteilung Nr. 60/2017 des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil mit dem AktenzeichenBVerwG 10 C 7.16 vom 13. September 2017:

„Die Kläger machen das Recht auf ganzjährig unentgeltlichen Zugang zu den 9 km langen Meeresstränden im Gemeindegebiet geltend. Eine Eigengesellschaft der Gemeinde hatte nahezu 90 % der Strandfläche vom Land Niedersachsen gepachtet, eingezäunt und in bestimmten Abschnitten mit Rettungsstationen, Sanitärgebäuden, Kiosken und Kinderspielgeräten ausgestattet, um sie während der Badesaison als kostenpflichtige Strandbäder zu betreiben. Die Kläger beriefen sich dagegen auf den gewohnheitsrechtlichen Gemeingebrauch am Küstengewässer und am Meeresstrand sowie auf § 59 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), der jedermann das Recht gibt, die freie Landschaft auf Straßen und Wegen und ungenutzten Grundflächen unentgeltlich zu betreten. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat die Klagen abgewiesen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die Revision der Kläger hatte teilweise Erfolg.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der frühere landesgewohnheitsrechtliche Gemeingebrauch am gesamten Meeresstrand sei 1981 durch Landesgesetz aufgehoben worden, war im Revisionsverfahren nicht zu prüfen. Dort ist nicht die Richtigkeit der Auslegung von Landesrecht zu kontrollieren, sondern nur, ob das Berufungsurteil Bundesrecht verletzt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht bejaht. Das Berufungsurteil verletzt das Grundrecht der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und widerspricht § 59 BNatSchG.

Aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt ein Recht zur Abwehr rechtswidriger Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit. Art. 2 Abs. 1 GG verpflichtet nicht nur die beklagte Gemeinde, sondern auch deren Eigengesellschaft. Der unentgeltliche Zutritt zum Strand durfte den Klägern nicht schon wegen der Bewirtschaftung der Pachtflächen als Strandbad verweigert werden. Der Betrieb dieser kommunalen Einrichtung ist rechtswidrig, weil eine wirksame Widmung fehlt. Sie kann auch durch die Pachtverträge nicht ersetzt werden. Außerdem schränkt die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Strandes - und nicht nur der für den derzeitigen Badebetrieb benötigten Flächen - die allgemeine Handlungsfreiheit unverhältnismäßig ein.

Daraus folgt allerdings kein Recht der Kläger auf freien Zugang zu sämtlichen Strandflächen. § 59 Abs. 1 BNatSchG beschränkt das Recht zum unentgeltlichen Betreten fremder Grundstücke in der freien Landschaft verfassungskonform auf Straßen und Wege und ungenutzte Grundflächen, sofern das Landesrecht keine weitergehenden Rechte vorsieht. Der Strand ist Teil der freien Landschaft auch, soweit er - wie in Hooksiel - im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme künstlich angelegt wurde. Eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung liegt nicht schon in der Umzäunung des Strandes oder in Maßnahmen, die den bisherigen Zustand erhalten, etwa im Aufspülen von Sand oder in der Strandreinigung. Die Ausstattung des Strandes mit Infrastruktureinrichtungen für den Badebetrieb und der Betrieb des Strandbades selbst stellen eine Nutzung dar, sofern sie sich nicht darin erschöpfen, das nach dem Gesetz unentgeltlich zu gewährende Betreten zum Spazierengehen und Baden zu kommerzialisieren. Das Recht zum unentgeltlichen Betreten erstreckt sich daher hier nicht auf Teilflächen, die durch mehrere, miteinander in funktionalem Zusammenhang stehende Einrichtungen des Badebetriebs geprägt sind. Auf die Rechtmäßigkeit des Strandbadbetriebs kommt es für die Begrenzung des Betretensrechts nach § 59 Abs. 1 BNatSchG nicht an. Diese Vorschrift soll eine Beeinträchtigung der tatsächlichen Nutzung fremder Grundstücke verhindern und ist darauf angelegt, dass jeder den Umfang zulässigen Betretens nach eigenem Augenschein und nicht erst nach rechtlicher Prüfung beurteilen kann.“


Einschätzung des DStGB

Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass Gemeinden, die die touristische Nutzung des Meeresstrandes durch die Bereitstellung touristischer Infrastruktur, die vorliegend den Badebetrieb aufwertet, ermöglichen, hierfür auch eine Gebühr erheben können. Die Voraussetzung für die Gebührenerhebung ist allerdings, dass die touristische Infrastruktur eine eigene Qualität der Nutzung ermöglicht, die über die allgemeine Nutzung der freien Landschaft hinausgeht.

Die Gemeinden müssen nun prüfen, ob die bisherige Praxis vor Ort den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen entsprechende Gebührenordnungen geändert werden. Damit können Einnahmerückgänge verbunden sein. Gegebenenfalls ist eine Neubewertung der anderen touristischen Abgaben wie Kur- und/oder Fremdenverkehrsbeiträge zu prüfen.

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