Migration

Halbzeitbilanz der EU- Migrationsagenda: Mehr Solidarität und Reform des gemeinsamen EU-Asylsystems notwendig

Die Kommission ruft alle Mitgliedstaaten auf, die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems voranzubringen und weitere Anstrengungen zur Zusammenar-beit mit den Herkunfts- und Transitländern von Migranten zu unternehmen. Der DStGB unterstützt das klare Signal der Kommission, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen als Solidargemeinschaft zu bewältigen und bei allen Mitglieds-staaten auf eine Reform einer gemeinsamen Asylpolitik zu drängen.

Die Europäische (EU) Kommission hat die Fortschritte der Europäischen Migrationsagenda seit 2015 geprüft und schlägt konkrete Schritte für die noch fehlenden Elemente zu einer gerechteren und wirksameren Asyl- und Migrationspolitik vor:

EU-Verteilungsmechanismus voranbringen – mehr Solidarität mit Italien und Griechenland

Mit bisher mehr als 29.000 umgesiedelten Menschen hat der erste groß angelegte, von der EU koordinierte Umsiedlungsmechanismus dazu beigetragen, den Druck auf die Asylsysteme Italiens und Griechenlands beträchtlich zu senken. Aktuell geht es nun vorrangig darum zu gewährleisten, dass alle noch verbleibenden in Betracht kommenden Personen, die bis zum 26. September in Griechenland und Italien angekommen sind, rasch umgesiedelt werden. Insgesamt ist im Rahmen des Systems mit der tatsächlichen Umsiedlung von rund 37 000 Menschen zu rechnen.

Der Migrationsdruck bleibt jedoch wegen des Rückstands durch die Ankünfte im Jahr 2016 und in der ersten Jahreshälfte 2017 hoch. Die Kommission ist bereit, die Mitgliedstaaten, die ihre Umsiedlungsbemühungen über das derzeitige Maß hinaus verstärken, finanziell zu unterstützen. Auch die Unterstützung durch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) und andere EU-Agenturen für Italien und Griechenland sollte weiterlaufen und gegebenenfalls intensiviert werden.

Gleichzeitig könne es nicht auf Dauer bei Ad-hoc-Maßnahmen bleiben. Deshalb fordert die Kommission den Rat und das Europäische Parlament auf, die sich derzeit bietende Gelegenheit zu nutzen und entscheidende Fortschritte bei der Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems und vor allem bei der Dublin-Verordnung zu erzielen.

Eine wirksamere Rückkehrpolitik der EU

Die Kommission schlägt vor, die Anstrengungen zur Rückführung überall zu inten-sivieren, denn die Rückkehrquoten sind nach wie vor nicht ausreichend (rund 36 Prozent im Zeitraum 2014-2015), und in nächster Zeit müssen geschätzte 1,5 Mio. Menschen aus EU-Mitgliedstaaten rückgeführt werden. Innerhalb der Europäischen Grenz- und Küstenwache wird die Rückkehr-Abteilung beträchtlich verstärkt werden um sicherzustellen, dass die Agentur einen proaktiven Ansatz zur Rückkehrsteuerung umsetzen und die EU-weite Rückkehrsteuerung voranbringen und koordinieren kann.

Die Mitgliedstaaten müssen in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Grenz- und Küstenwache und im Einklang mit der Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2017 sowie dem neuen Aktionsplan für die Rückkehr ihre Rückkehrstrategien noch wirkungsvoller gestalten. Zu diesem Zweck veröffentlicht die Kommission ein überarbeitetes Handbuch zum Thema Rückkehr, in dem all diese Empfehlungen zum Thema Rückkehr an die nationalen Behörden zusammenführt werden. Um die Zusammenarbeit bezüglich der Rückübernahme durch die Herkunftsländer zu verbessern, müssen sämtliche Anreize und Hebel auf EU- und auf nationaler Ebene genutzt werden.

Gemeinsamen Steuerung der Migrationsströme mit den Herkunfts- und Transitländern

Bei der gemeinsamen Steuerung der Migrationsströme mit den Herkunfts- und Transitländern sind seit der Einführung des Migrationspartnerschaftsrahmens vor einem Jahr beträchtliche Ergebnisse zu verzeichnen. Während die erzielten Fort-schritte verstetigt werden müssen, sind bei einer Reihe von wichtigen Themen weitere Anstrengungen erforderlich. Dazu gehört eine weitere Stärkung des EU-Treuhandfonds für Afrika, insbesondere seiner Nordafrika-Komponente, durch zu-sätzliche Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten.

Die Zahl der ankommenden Menschen und der Todesfälle auf hoher See ist zwar gesunken, doch gilt es nun, die gemeinsame Arbeit entlang der zentralen Mittelmeerroute fortzusetzen. Zu den Anstrengungen, die verstärkt werden müssen, gehört die Verbesserung der Lage von in Libyen gestrandeten Migranten, insbesondere in Auffanglagern, in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration, die Förderung sozioökonomischer Möglichkeiten für lokale Gemeinschaften, der vermehrte Einsatz für die unterstützte freiwillige Rückkehr und der Kapazitätsausbau bei den libyschen Behörden zur Kontrolle der südlichen Landesgrenzen. Zudem muss die Arbeit entlang anderer Migrationsrouten fortge-setzt werden, vor allem mit Blick darauf, dass diese Routen zunehmend miteinander verbunden werden.

Legale Einreisemöglichkeiten verbessern


Die Kommission empfiehlt ein neues EU-Neuansiedlungsprogramm, um in den kommenden zwei Jahren mindestens 50.000 der Menschen, die internationalen­Schutzes besonders dringend bedürfen, nach Europa zu bringen. Dies ist Teil der Bemühungen der Kommission, jenen Menschen, die sich kriminellen Menschenschmugglernetzen anvertrauen und damit ihr Leben riskieren, praktikable, sichere und legale Alternativen anzubieten. Das neue System wird bis Oktober 2019 einge-führt werden und auf den derzeitigen erfolgreichen Neuansiedlungsmechanismen aufbauen, die nun – nachdem mehr als 23 000 Menschen durch sie in der EU ein neues Zuhause gefunden haben – auslaufen.

Die Kommission hat 500 Mio. Euro zur Unterstützung der Neuansiedlungsbemühungen der Mitgliedstaaten bereitgestellt. Die Neuansiedlung aus der Türkei und dem Nahen Osten muss fortgesetzt werden. Zugleich sollte aber die Neuansiedlung gefährdeter Menschen aus Nordafrika und vom Horn von Afrika stärker in den Fokus rücken, vor allem aus Libyen, Ägypten, Niger, Sudan, Tschad und Äthiopien. Dies wird zur weiteren Stabilisierung der Migrationsströme entlang der zentralen Mittelmeerroute beitragen und insbesondere dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) helfen, einen Mechanismus für die Notevakuie-rung aus Libyen einzuführen. Die Empfehlung folgt der am 4. Juli 2017 begonnene Runde von Neuansiedlungszusagen und ergänzt diese; die Runde ergab bislang 14.000 Zusagen durch elf Mitgliedstaaten. Die Empfehlung soll den Zeitraum bis zu dem Moment überbrücken, in dem der neue dauerhafte EU-Neuansiedlungsrahmen, den die Kommission im Juli 2016 vorgeschlagen hat, angenommen wird.

Um den irregulären Zustrom in eine bedarfsorientierte Wirtschaftsmigration in die EU-Mitgliedstaaten umzuwandeln, schlägt die Kommission vor, Pilotprojekte für die legale Migration mit Drittländern zu koordinieren und finanziell zu unterstützen. Das Europäische Parlament und der Rat sollten sich zudem schnell über den Vorschlag der Kommission für eine überarbeitete Blaue Karte EU einigen und ihn annehmen. Der Vorschlag wird es der EU erleichtern, hoch qualifizierte Fachkräfte anzuwerben und zu halten­, und sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten sich darauf verlassen können, dass ihnen im Bedarfsfall die benötigte Zahl von Beschäftigten zur Verfü-gung steht. Die gemeinsame Visumpolitik der EU ist ebenfalls ein entscheidendes Instrument für Mobilität, das insbesondere Tourismus und Geschäftsreisen erleich-tert – sie ist aber auch essenziell, um Sicherheitsrisiken oder das Risiko irregulärer Migration zu verhindern. Die Kommission wird ausloten, ob die derzeitige Visumpo-litik noch den aktuellen und künftigen Herausforderungen entspricht, und abwä-gen, ob eine Anpassung erforderlich ist.

Hintergrund

Bei Amtsantritt übertrug Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Kommis-sar Dimitris Avramopoulos die Verantwortung für den Bereich Migration. Juncker beauftragte ihn, in Zusammenarbeit mit den anderen Kommissaren eine neue Migrationspolitik auszuarbeiten, die zu den zehn Prioritäten der politischen Leitlinien der Juncker-Kommission gehört. Koordiniert wird die Zusammenarbeit vom Ersten Vizepräsidenten Frans Timmermans. Am 13. Mai 2015 schlug die EU-Kommission in der Europäischen Migrationsagenda eine weitreichende Strategie vor, um zum einen die unmittelbare Krise zu bewältigen und zum anderen der EU die erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben, um mittel- und langfristig durch die Migra-tion entstandene Herausforderungen in den Bereichen irreguläre Migration, Grenzen, Asyl und legale Zuwanderung zu bewältigen.

Anmerkung

Die Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge der EU-Kommission für eine Europäische Asyl- und Migrationspolitik entsprechen wesentlichen Positionierungen und Forderungen des DStGB im Hinblick auf eine gemeinsame und solidarische europäische Strategie in der Flüchtlingspolitik. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, sich angesichts der Dimension der Zuwanderung und Migration in Städten, Gemeinden und Regionen in Europa endlich auf eine Neuausrichtung der europä-ischen Asylpolitik zu einigen und die Empfehlungen umzusetzen!

Aus kommunaler Sicht muss die Dublin-III-VO weiterentwickelt und die Verteilung der Flüchtlinge mit einem Asylanspruch europaweit fair nach festen Quoten organi-siert werden. Anerkannte Flüchtlinge müssen darauf verpflichtet werden, ihr Asylrecht alleine in diesem zugewiesenen Staat in Anspruch zu nehmen. Bis ein solche EU-Beschluss steht, müssen die Länder, die momentan die Hauptlast bei der Flüchtlingsaufnahme und -integration zu tragen haben, zumindest finanziell stärker von der EU unterstützt werden. Nur so kann die Integration in Europa gelingen und die darin liegenden Chancen ausgeschöpft werden.

International muss sich Deutschland gemeinsam mit den anderen EU-Staaten für die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien in Krisenregionen einsetzen und die Umsetzung vereinbarter Ziele kontrollieren. Auch müssen die weiteren Fluchtursachen bekämpft werden. Dazu ist es nötig, die von den Krisen betroffenen Regionen nachhaltig zu stabilisieren, wirtschaftlich zu stärken und die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Die Flüchtlingslager außerhalb der EU brauchen weiter schnelle und nachhaltige Unterstützung, vor allem zur Sicher-stellung ausreichender Ernährung, menschenwürdiger Unterkünfte und Bildungsperspektiven.

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