Ein Beitrag von: Franz-Reinhard Habbel und Daniel Wetzel
Die Zahl digitaler Plattformen zur Organisation vielfältigster Hilfemaßnahmen ist Legion;
Hunderte solcher Drehscheiben entstanden in unserem Land. Gerade junge Menschen waren es, die ihre digitale Kompetenz und ihre Fähigkeiten in die Programmierung von Apps oder Plattformen steckten. In der Stadt Witten waren es die Flüchtlinge selbst, die digitale Services für ihre Familien oder Freunden entwickelten. Flüchtlinge können sich in verschiedenen Sprachen mittels einer App informieren. Checklisten wurden veröffentlicht, Tipps für den Aufenthalt in Städten und Gemeinden gegeben. Helfer organisieren Sach-, Geld- und Zeitspenden. Unterkünfte wurden vermittelt, Veranstaltungen angekündigt und durchgeführt, Sprachkurse organisiert. Beispielhaft für viele ist die Plattform HelpTo hervorzuheben. Dabei handelt es sich um ein Portal-Angebot, dass sich auf die Bedürfnisse von kreisfreien Städten und Landkreisen spezialisiert hat. Das kostenlose Angebot nutzen inzwischen 79 kreisfreie Städte und Landkreise in elf Bundesländern. Im Fokus steht die Vermittlung von direkten Kontakten zwischen Helfenden und Hilfesuchenden über eine Schwarze-Brett-Funktion – egal ob Initiative, Ehrenamtler, Organisation oder Stadtverwaltung. Als Multi-Themen-Portal vernetzt HelpTo diverse Angebote der Integrationsunterstützung (Sachspenden, ehrenamtliches Engagement, Begegnungs- und Bildungsangebote, Informationen und Kontakte zur Arbeitsmarkt-Integration und Wohnungsvermittlung).
Mit dem Life-Cycle der Flüchtlinge ändert sich jetzt auch die Aufgabenstellung vieler Hilfsorganisationen und ziviler Gruppen
Für die Menschen, die als Flüchtling anerkannt wurden und in Deutschland bleiben, beginnt jetzt die Phase der Integration. Sie ist die eigentliche Herausforderung für Gesellschaft, Wirtschaft und Staat und erfordert einen langen Atem. Im Mittelpunkt stehen auch hier die Kommunen, denn Integration findet in den Städten und Gemeinden statt. Auch bei dieser Aufgabe wird die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielen. Was bedeutet das für die vielen Flüchtlingsportale? Werden sie weniger nachgefragt? Müssen sie ihre Aufgabenstellung ändern oder sind sie gar überflüssig geworden?
Im Sommer 2016 fand in Berlin mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums der erste digitale Flüchtlingsgipfel statt. Hier zeigte sich die Notwendigkeit einer besseren Koordination der verschiedenen Portale. So lassen sich verschiedene Leistungen in einem Portalverbund noch umfassender zur Verfügung stellen. Notwendig ist dazu eine entsprechende Koordination. Bündelung heißt das Stichwort. Inzwischen hat sich eine neue „Helfer-Allianz“ digitaler Startups gebildet, die die Kräfte in der Flüchtlingshilfe bündeln wollen um die Integration zu schaffen. Diese Helfer-Allianz setzt sich aus den drei größten Plattformen HelpTo, GoVolunteer und ichhelfejetzt zusammen. Weitere Projekte haben bereits ihr Mitwirken angekündigt, neue Mitstreiter werden gesucht.
“Viele digitale Angebote, die im vergangenen Jahr entstanden sind, gibt es inzwischen nicht mehr oder sie sind nicht mehr aktiv. Hier hat schon eine Konsolidierung stattgefunden. Durchgesetzt haben sich Projekte, die eine tatsächliche Relevanz aufweisen und den Nutzern eine Interaktion bieten. Viele bestehende Angebote, die sich gegenseitig unterstützen könnten, wissen auch nichts voneinander. Hier setzt die Helfer-Allianz an”, so Sebastian Gillwald, Projektmitarbeiter bei HelpTo.
In einem ersten Treffen der Helfer-Allianz am 27. Juli 2016 in Berlin wurden Eckpunkte einer Zusammenarbeit ausgelotet. „Ziel der Kooperation ist, ein Angebot zu gestalten, das sich sinnvoll ergänzt und einfach zugänglich ist – um auf diese Weise noch mehr Menschen zur Mitgestaltung der Integration geflüchteter Menschen zu bewegen“, sagt Malte Bedürftig, Gründer von GoVolunteer, der auch für weitere Koordinationsfragen zur Verfügung steht. Damit folgen die Sozialunternehmer dem Auftrag des Bundesinnenministers Thomas de Maizière, der auf dem Digitalen Flüchtlingsgipfel im Juni zu mehr Koordination in der digitalen Flüchtlingshilfe aufrief.
Dies begrüßt auch Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21 e. V.: „Wenn alle an einem Strang ziehen und sich zusammentun, kann mehr erreicht werden. Daher war unser Ziel mit dem Digitalen Flüchtlingsgipfel, dass viele Initiativen und Projekte zusammenkommen, sich kennenlernen und im Idealfall kooperieren. Dass jetzt die 'Helfer-Allianz' daraus hervorgegangen ist, freut uns sehr. Das Vorhaben ist vorbildlich und sehr zu begrüßen!“
Auf lange Sicht könnte so eine gemeinsame Online-Plattform entstehen, die alle Angebote verbindet. Zur Verwirklichung werden jetzt Unterstützer, Kooperationspartner und Sponsoren gesucht.
Die Erweiterung der Flüchtlingsportale zu Integrationsportalen muss mit einer inhaltlichen Neuausrichtung einhergehen
Es gilt, Informationen und Dienstleistungen aus der Blickrichtung des Nutzers ständig nachzusteuern um sich an den dauernden Veränderungen beim Prozess der Integration anpassen zu können. Dabei ist ein zielgruppenspezifisches Vorgehen unumgänglich. Die meisten Flüchtlinge sind jung, benötigt werden derzeit rund 300.000 Plätze in den Schulen, sie haben ihre berufliche Entwicklung noch vor sich. Ein besonderes Augenmerk sollte auf das Thema Selbständigkeit gelegt werden. Wie gründe ich ein Unternehmen? Sollte ich es mit einem Start-Up versuchen? Wo finde ich weitere Kontakte oder Investoren? Integrationsportale sollten dieses Thema aktiv aufgreifen. Dabei geht es nicht darum, eigene Dienstleistungen aufzubauen, sondern in erster Linie um Vernetzung zum Beispiel zu Gründer-Netzwerken und Plattformen. Integrationsportale sind Drehschreiben in die Lebens,- Bildungs- und Arbeitswelt. Sie müssen durch soziale Netzwerke und Communities flankiert werden. Die Sicherstellung von offener Kommunikation ist ein wichtiges Merkmal.
Für die Macher von HelpTo steht bereits fest, dass sie bei der Weiterentwicklung der eigenen Plattform mit den Partnern der Helfer-Allianz zusammenarbeiten werden: “In einem ersten Schritt wurde eine stärkere Zusammenarbeit und ein Austausch vereinbart. Dies soll auch in technischer Hinsicht angegangen werden. Dabei muss aber überlegt werden: Kann man das realisieren und welche Ressourcen muss man dafür einsetzen? Hier sind wir letztendlich auch auf die Hilfe von Unterstützern angewiesen, die unsere Arbeit finanziell unterstützen. Nicht alles ist rein ehrenamtlich leistbar”, sagt Sebastian Gillwald von HelpTo.
Letztlich wird es eine Transformation von den Flüchtlings-Nothilfe-Plattformen hin zu Unterstützungsplattformen für Integration kommen. Das Wesen der Integrationsportale wird sein, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Institutionen. Dabei bilden sie ein neues Netzwerk der Akteure aus Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Ihre Stärke liegt in der Lokalität und damit Nähe. Gleichwohl bilden sie die Schnittstelle zu globalem Wissen. Offenheit und Partizipation sind grundlegende Prinzipien von Integrationsportalen. Im Kern geht es um Unterstützung des Einzelnen, um Bildung, Emanzipation, Entwicklung und Diversity. Kurz um: Empowerment auf der Basis von Respekt, Achtsamkeit und Toleranz.
Integrationsportale sind die Vorstufe von Empowerment-Portalen für die gesamte Gesellschaft. Sie sind Instrumente des Dialogs und Diskurs in einer Welt, in der Realität und Virtualität weiter zusammenwachsen.
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