Die Verbände hoffen, dass der Reformprozess baldmöglichst und rechtzeitig vor Ende der laufenden Legislaturperiode des Bundestages abgeschlossen und der massive Reformstau mit den weiteren Beschlüssen von Bundestag sowie Bundesrat nun endlich abgebaut werden können.
Die Inhalte des Verordnungsentwurfs sind geeignet, besser als bisher die Sportausübung zu sichern. Es besteht jedoch dringender Nachbesserungsbedarf, u.a. da auch im Beschluss von 30. November 2016 Geräusche von bewegungsaktiven Kindern immer noch – und anders als im Bundesimmissionsschutzgesetz – als schädliche Umwelteinwirkungen gelten und dadurch insbesondere die politisch gewollte Kooperation von Sportvereinen mit Schulen immissionsrechtlich konterkariert wird.
Der Deutsche Olympische Sportbund, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Fußball-Bund fordern daher Nachbesserungen in dreifacher Hinsicht:
1. Geräusche von Kindern und Jugendlichen auf Sportstätten sind keine schädliche Umwelteinwirkung – die seit 2011 bewährte Regelung für Spiel- und Ballspielplätze, Kindergärten u.a auf Sportanlagen übertragen
2. Einfügung eines Irrelevanzkriteriums
3. Rechtssichere Weiterentwicklung des sogenannten Altanlagenbonus für Anlagen mit Stand 2017
1. Geräusche von Kindern und Jugendlichen auf Sportstätten sind keine schädliche Umwelteinwirkung – die seit 2011 bewährte Regelung für Spiel- und Ballspielplätze, Kindergärten etc. auf Sportanlagen übertragen
Die berechtigte Forderung nach der Gleichstellung spielender Kinder auf Sportplätzen mit denen auf Spielplätzen etc. wurde bislang nicht aufgegriffen. Somit schreibt auch der vorliegende Beschluss vom 30.11.2016 die Existenz von zwei unterschiedlichen Kategorien sportaktiver Kinder fort. Demnach wären sportaktive Kinder in Kindergärten privilegiert („gute Kinder“) und sportaktive Kinder auf Sportanlagen („schlechte Kinder“) nicht privilegiert.
Im Jahr 2011 wurde durch Bundesgesetz beschlossen, dass Kinderlärm keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des Lärmschutzrechtes ist und somit auch keine erhebliche Belastung darstellt. Dieser Grundsatz muss konsequenterweise auch für Geräusche von Kindern gelten, die auf Sportanlagen aktiv sind.
Es ist ein wichtiges kinder-, sozial-, gesundheits-, präventions- und sportpolitisches Signal, auch das Sporttreiben von Kindern nicht als Lärm zu deklarieren, sondern im Gegenteil dieses zu unterstützen und zu fördern.
Die sogenannte Kinderlärmprivilegierung aus 2011 privilegiert u.a. „Einrichtungen, die auf spielerische oder körperlich- spielerische Aktivitäten von Kindern zugeschnitten sind und die wegen ihrer sozialen Funktion regelmäßig wohngebiets-nah gelegen sein müssen. Ballspielflächen für Kinder gehören hierzu.“ (Begründung des Gesetzesentwurf, Ds. 17/4836). Unter das Privileg fallen seit 2011 ferner „zunächst alle Geräuscheinwirkungen durch kindliche Laute wie Sprechen und Singen, Lachen und Weinen, Rufen und Schreien und Kreischen. Aber auch Geräuscheinwirkungen durch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen gehören hierzu, selbst wenn vielfach die eigentliche Geräuschquelle in kindgerechten Spielzeugen, Spielbällen und Spielgeräten sowie Musikinstrumenten liegt. Dies gilt auch für Geräuscheinwirkungen durch Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern, da diese Laute unmittelbar durch die Kinder und ihre Betreuung bedingt sind.“ (Begründung des Gesetzesentwurf, Ds. 17/4836). Diese Sachverhalte und Begründungen müssen gleichermaßen für Kinder auf Sportanlagen gelten.
Ein weiterer wichtiger Sachverhalt blieb bislang völlig unbeachtet: Die Sportvereine unter dem Dach des DOSB sind Deutschlands größter Partner der Ganztagsschulen. Diese Kooperation hat sich tausendfach etabliert und ist politisch gewollt. Die Nutzung einer Sportanlage durch Schulsport führt aber zu einer Verkürzung des Beurteilungs- und Mittelungszeitraums gemäß SALVO. Dadurch ergeben sich rein rechnerisch höhere Geräuschwerte, die dann häufig jenseits der SALVO-Grenzen liegen. Dies hat zur Folge, dass Sportaktivität von Kindern im Vereinssport eingeschränkt werden muss, um das kalkulatorische Überschreiten der Richtwerte zu verhindern. Das Kurzgutachten von Dipl. Ing. Jürgen Gesing vom 8. Dezember 2016 belegt im Einzelnen die erhebliche strukturelle Benachteiligung von sportaktiven Kindern auf Sportanlagen anhand von drei alltäglichen Nutzungsszenarien. Die negativen Auswirkungen der bestehenden Diskriminierung sportaktiver Kinder können durch eine verhältnismäßig einfache Maßnahme vermieden werden, indem die existierende Kinderlärmprivilegierung auf Sportanlagen übertragen und in die SALVO integriert wird. Dieser Ansatz erfährt bereits eine sehr breite partei-, fach-und organisationspolitische Unterstützung.
Wir fordern also keine neuen immissionsrechtlichen Gestaltungselemente sondern lediglich die Beendigung der Diskriminierung sportaktiver Kinder auf Sportstätten bzw. im Vereinssport durch Erweiterung der bestehenden Privilegierung auf Sportanlagen.
Forderung:
Die seit 2011 bestehende Privilegierung von Kindergeräuschen ist auf Sportanlagen i.S. der SALVO zu erweitern. Hierzu bedarf es der Änderung des § 22 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG. Die Ergänzung in § 2 Abs. SALVO ist der notwendige Verweis auf § 22 Abs. 1 a BImSchG:
Änderung § 22 BImSchG, Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen, Sportanlagen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.
Ergänzung § 2 SALVO, Immissionsrichtwerte
(7) Die von der Sportanlage oder den Sportanlagen verursachten Geräuschimmissionen sind, unter Beachtung des § 22 Abs. 1a BImSchG, nach dem Anhang 1 zu dieser Verordnung zu ermitteln und zu beurteilen.
Positionen zu Geräuschen von Kindern auf Sportanlagen (Auswahl):
Ein Breites Bündnis, vom Bundesumweltministerium bis zu den Parteien, kommunalen Verbänden und Landesumweltministerien, fordert seit Langem die sogenannte Kinderlärmprivilegierung. Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass sich dieser Aspekt nicht im Beschluss des Bundeskabinetts vom 30. November 2016 wiederfindet.
Ankündigung des BMUB vom 30.10.2015:
„Wir stärken den Vereinssport von Kindern und Jugendlichen. Kinderlärm gehört zum Leben und soll deshalb auch beim Sport nicht mehr nach dem Immissionsschutzrecht beurteilt werden (ähnlich wie bei Kitas und Spielplätzen).“
BMUB, Grundlagenpapier „Neues Zusammenleben in der Stadt“, 30.10.2015:
„Wir werden erstens den Vereinssport von Kindern beim Lärmschutz privilegieren.“ … „Kinderlärm .. ist kein Lärm, der nach dem Immissionsschutzrecht beurteilt werden sollte.“
Brief der Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks an die Mitglieder der Regierungsfraktionen vom 30.11.2016:
Auch die Ausübung von Sport gehört zum Zusammenleben in der Stadt. Die Bedeutung des Sports für die Gesundheit und die soziale Integration kann gar nicht genug betont werden. Sport hat eine herausragende gesellschaftspolitische Bedeutung. Er soll wohnortnah ausgeübt werden können; ganz besonders Kinder sollen nicht bis an den Stadtrand fahren müssen, um Sport machen zu können.“
Antrag B90/Grüne, Ds. 18/4329:
„Sorge zu tragen, dass Kinderlärm, der von Sportanlagen ausgeht, rechtssicher unter die „Kinderlärm-Privilegierung“ fällt“.
Monika Lazar, B90/Grüne, MdB, im Deutschen Bundestag am 15.10.2015
„Ein weiterer Punkt ist die Privilegierung von Kinderlärm. Wir erinnern uns: In der letzten Wahlperiode haben wir erst klargestellt, dass Kinder natürlich den ganzen Tag auf dem Spielplatz spielen können. Aber warum sollte das bei Sportplätzen anders sein? Wir sind uns doch alle einig: Kinder und Jugendliche brauchen Bewegung, sie sollen Sport treiben und sich austoben dürfen.“
Ulli Nissen, SPD, MdB, im Deutschen Bundestag am 15.10.2015:
„Für sinnvoll halte ich auch, das Kinderlärmprivileg, das bisher nur für Kitas und Kindergärten gilt, auf den Vereinssport auszuweiten. Sport von Kindern auf Sportplätzen sollte nicht als
Lärm gelten.“
SPD Bundestagsfraktion, AG Sport, Positionspapier, 28.9.2015:
„Sportlärm von Kindern und Jugendlichen mit Kinderlärm gleichsetzen: „… die Privilegierung des Lärms von Kindern und Jugendlichen auf Sportanlagen. Geräuscheinwirkungen durch Kinder und Jugendliche, die auf Sportanlagen aktiv sind, sollen nicht als schädliche Umwelteinwirkung eingestuft werden.“
Karsten Möhring, CDU/CSU, MdB im Deutschen Bundestag am 15.10.2015:
„Was wollen wir erreichen? Natürlich wollen wir erreichen, dass das, was wir beim Kinderlärm in Bezug auf Kitas und Spielplätze beschlossen haben, auch für Sportanlagen gilt. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.“
Michaela Engelmeier, SPD, MdB, im Deutschen Bundestag am 15.10.2015:
„Wir wollen den Sportlärm von Kindern und Jugendlichen mit Kinderlärm gleichsetzen, also den Lärm von Kindern und Jugendlichen auf Sportanlagen privilegieren. Die Geräuscheinwirkungen durch Kinder und Jugendliche, die auf Sportanlagen aktiv sind, sollen nicht als schädliche Umwelteinflüsse eingestuft werden.“
Beschluss der Sportministerkonferenz vom 10./11.11.2016:
„Die Sportministerkonferenz hält es darüber hinaus für dringend erforderlich auch die Geräusche von sportaktiven Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren auf Sportanlagen zu privilegieren. Kinderlärm gehört zum Leben. Daher hält es die SMK für unverzichtbar, dass Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre auf Sportanlagen immissionsrechtlich genauso behandelt werden wie beispielsweise auf Kinderspielplätzen oder Bolzplätzen.“
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Brief an das BMUB vom 2.6.2016:
„Weiterhin rege ich an, … die Privilegierung von Geräuscheinwirklungen von Kindern und Jugendlichen auch auf die Sportanlagen zu übertragen.“
Deutscher Städte- und Gemeindebund, Brief an die Bundesumweltministerin vom 28.11.2016:
„Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, auch auf die Geräusche von sportaktiven Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren auf Sportanlagen zu privilegieren. Sie müssen immissionsrechtlich genauso behandelt werden wie beispielsweise auf Kinderspielplätzen.“
2. Einfügung eines Irrelevanzkriteriums
Auch das sogenannte Irrelevanzkriterium, insbesondere von der kommunalen Praxis, Ländern und den Gutachtern gefordert, ist im Verordnungsentwurf vom 30. November 2016 nicht mehr enthalten und sollte (wieder) ergänzt werden.
Ein solches Kriterium ist im Immissionsrecht nicht unüblich und auch in der sogen. TA Lärm verankert, fehlt aber in der SALVO und blieb auch im Kabinettsbeschluss vom 30. November 2016 unberücksichtigt. Dies überrascht, da das BMUB selbst im Frühjahr 2016 in einem Vorentwurf zur SALVO-Änderung ein Irrelevanzkriterium eingebracht und dieses in den beiden BMUB-Anhörungen von den Landesumweltministerien (z.B. NRW) und weiteren Organisationen wie z.B. dem Deutschen Städte- und Gemeindebund gefordert wurde.
Nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm sind Anlagen auch dann genehmigungsfähig, wenn der Immissionsanteil der zu beurteilenden Anlage (Zusatzbelastung) die Immissionsrichtwerte um ein gewisses Maß (≥ 6 dB(A)) unterschreitet (sog. Irrelevanzkriterium der TA Lärm). Auch bei Messungenauigkeiten, die in Gänze nicht zu vermeiden sind, können Irrelevanz-regelungen einen Klärungsprozess bei geringfügigen Überschreitungen erheblich vereinfachen. Derartig geringe Immissionserhöhungen sind in realen Situationen üblicherweise nicht wahrnehmbar. Demnach kann eine geringfügige Überschreitung der Richtwerte hingenommen werden.
Forderung:
Einfügung der weithin akzeptierten Irrelevanzklausel – analog der Regelung der TA Lärm – in die SALVO von 1 bis 3 dB (A).
3. Rechtssichere Weiterentwicklung des sogenannten Altanlagenbonus für Anlagen mit Stand 2017
Mit den am 30. November 2016 vom Bundeskabinett beschlossenen Änderungen werden die sogenannten „alten“ Anlagen rechtlich besser abgesichert. Damit wird zwar „ein echtes Problem von Vereinen, die Änderungen an ihren Sportanlagen vornehmen wollen oder müssen (beseitigt)“ (Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, 30.11.2015) – doch bezieht sich dieser „Altanlagenbonus“ nur auf solche Anlagen, die bereits vor dem Jahr 1991 genehmigt oder zulässig errichtet worden sind. Um eine Bestandssicherung für alle bestehende Anlagen wirkungsvoll umzusetzen und hierbei auch die Infrastrukturentwicklung in den ostdeutschen Bundesländen zu berücksichtigen, ist eine Erweiterung dieser Regelung auf 2017, das Jahr des Inkrafttretens der zweiten Änderungsverordnung, notwendig.
Forderung:
Rechtssichere Weiterentwicklung des sogenannten Altanlagenbonus über die am 30.11.2016 beschlossenen Änderungen hinaus zu einem Bestandsschutz für Anlagen mit Stand 2017.
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