Über Marketing Mitglieder für Freiwillige Feuerwehren gewinnen

Gabi Schönemann/pixelio.de
Gabi Schönemann/pixelio.de

Eine online verbreitete und wirkungsvoll formulierte Werbung für die Mitarbeit vor Ort hebt das Feuerwehrimage auch anderswo. In dem am 26.01. erschienen Artikel von Uwe Roth heißt es:

„Retten, Löschen, Bergen – und Marketing.
Letzteres gewinnt bei den Freiwilligen Feuerwehren an Wert. In zehn Jahren verloren sie knapp 50.000 Aktive. Potenzial sieht man in den Jugendfeuerwehren.
Trendelburg liegt in Nordhessen etwas nördlich von Kassel. Die 5.400-Einwohner-Stadt wirbt mit einer bei Touristen recht beliebten Märchenburg, mit günstigen Baulandpreisen und mit Deutschlands erfolgreichster Jugendfeuerwehr. Die Jugendfeuerwehr im Ortsteil Deisel (etwa 1.100 Einwohner) hat 13 Mitglieder. Ihren außerordentlichen Bekanntheitsgrad verdankt die kleine Truppe nicht etwa einem spektakulären Einsatz, sondern einer besonders engagierten Jugendwartin sowie dem Internet mit seinen sozialen Medien. Desiree Partosch ist 25 Jahre alt, arbeitet im Hauptberuf in der öffentlichen Verwaltung und hat in ihrem Freiwilligenjob bei der Jugendfeuerwehr ein Näschen für erfolgreiche Marketingaktionen bewiesen.

Protest gegen Sauf-Spiele im Internet
Idiotische Spielchen im Internet, insbesondere auf Facebook-Seiten, bei denen sich Jugendliche gegenseitig zum Saufen animieren, hätten sie zunehmend genervt, berichtet die junge Frau. Das Ganze funktioniert einem Kettenbrief ähnlich: Ein Freiwilliger trinkt ein Bier auf ex, stellt das Video online und nominiert drei weitere Personen. Kommen diese der Aufforderung nicht nach, müssen sie dem Nominator einen Kasten Bier spendieren oder sich einer oftmals nicht ungefährlichen Mutprobe stellen. „Alles ziemlich sinnlos“, stellt sie dazu lapidar fest. Und ihr kam die Idee einer Gegenkampagne, die dem gleichen Muster der Nominierung folgt, aber einen rein sportlichen Charakter hat: Fünf C-Schläuche müssen auf insgesamt 100 Meter ausgerollt und montiert werden, das in möglichst kurzer Zeit. Desiree Partosch machte mit ihrer Truppe den Anfang, ließ die Aktion filmen und forderte am Schluss zwei Jugendfeuerwehren auf, es ihnen gleichzutun.

Laufen statt saufen
Das Video, das sie auf der Facebook-Seite der Jugendfeuerwehr Deisel postete, ist filmtechnisch von nicht besonderer Qualität. Es ist verwackelt, leicht unscharf, und außer lauten Windgeräuschen ist kaum etwas zu verstehen. Aber das Geniale der Jugendfeuerwehr-Aktion ist weniger der Film als der Titel: „Laufen statt saufen“. Der machte zuerst die lokalen Medien auf das Video aufmerksam und dann die regionalen. Das Motto der Jugendfeuerwehr „Laufen statt saufen“ verbreitete sich im Land wie ein Lauffeuer. 120.000-mal wurde das Video angeklickt. Bislang haben sich knapp 300 Jugendfeuerwehren bundesweit an der Aktion beteiligt und ebenfalls ein Video von ihrem C-Schlauch-Lauf eingestellt.

Imagegewinn für die Feuerwehr
Die Aktion hat der Jugendfeuerwehr Deisel zwar keine neuen Mitglieder gebracht, 13 seien bei der Ortsgröße auch genug, sagt die Jugendwartin, aber die Jugendfeuerwehr insgesamt hat von einem Imagegewinn profitiert. Und das wurde mit einigen Ehrungen belohnt: Im April kürte das hessische Innenministerium den Feuerwehrnachwuchs aus Deisel zur Feuerwehr des Monats, im Juli folgte eine Ehrenmedaille, im November zuerst der hessische Feuerwehrpreis und dann der Feuerwehr-Oscar, der Conrad-Dietrich-Magirus-Preis, zum Feuerwehrteam des Jahres 2014 in der Kategorie soziales Engagement. Neben einer Statue, die dem Oscar tatsächlich ähnlich sieht, gehört zur Auszeichnung eine New-York-Reise mit einem Besuch der bekanntesten Feuerwehrwache der Welt, des FDNY.
Solche Erfolge freuen auch die Erwachsenen-Wehren. Denn am Ende wollen sie vom Engagement des Feuerwehrnachwuchses profitieren und den Bestand der Einsatzkräfte sichern. 2013 waren noch eine Million und achttausend Menschen in den Freiwilligen Feuerwehren aktiv. Aber: „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann wir nicht mehr siebenstellige Mitgliederzahlen haben werden“, warnte Hans-Peter Kröger, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, beim jüngsten Verbandstag in Lippstadt (Landkreis Soest/Nordrhein-Westfalen).
Knapp 50.000 Aktive sind es mittlerweile weniger als noch vor zehn Jahren. „Erfreulich ist, dass gegenüber 2012 wieder fast ein Prozent mehr weibliche Mitglieder für den Einsatzdienst gewonnen werden konnten“, betonte Kröger und fuhr fort: „Ob Jugend, Frauen oder auch ältere Feuerwehrkameraden im rückwärtigen Bereich – wir müssen uns in Zukunft noch besser um Gruppen mit Potenzial kümmern.“ Darüber hinaus müsse die Organisation vielfältiger werden, forderte er. Größte Rekrutierungsquelle für die nächste Feuerwehrgeneration sieht der Feuerwehrpräsident in den Jugendfeuerwehren.

In 25 Jahren wird es brenzlig – spätestens
In der Stadt Böblingen, etwas westlich von der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart, hat man sich diesen Warnruf bereits vor zwei Jahren zu Herzen genommen und eine strategisch organisierte Werbeoffensive eingeleitet. Gerd Zimmermann leitet den Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Freiwilligen Feuerwehr. Seine berufliche Fachkenntnis aus dem Marketing hat der 44-Jährige in sein Ehrenamt eingebracht: „Wir haben uns über die Altersstruktur der heutigen Einsatzkräfte Gedanken gemacht und festgestellt, dass es spätestens in 25 Jahren brenzlig wird“, sagt Zimmermann. Die Hälfte der heute Aktiven ist bis dahin aus Altersgründen ausgeschieden. Die Erkenntnisse aus dem Arbeitskreis hat Zimmermann in einem 60-seitigen Nachwuchsfindungskonzept zusammengefasst und für die Umsetzung gesorgt. Und das bislang mit Erfolg. Innerhalb von anderthalb Jahren wurden 29 Erwachsene gewonnen, darunter vier Frauen. Die Jugendfeuerwehr hat 13 neue Mitglieder.
Aber die Herausforderung bleibt: „Allein um diesen altersbedingten Schwund der Einsatzkräfte ausgleichen zu können, müssen wir in Böblingen ab sofort jedes Jahr vier neue Feuerwehrangehörige für uns gewinnen. Hinzu – und das ist das x – kommen noch die Personalabgänge aus sonstigen Gründen wie zum Beispiel Umzug, Beruf, Familie oder auch Unzufriedenheit und Frust“, hat er analysiert. Vier plus x neue Feuerwehrangehörige Jahr für Jahr neu hinzuzugewinnen, das sei kein Selbstläufer. Zudem hätten Kinder durch Turbo-Abi und Ganztagsbetreuung immer weniger Freizeit – für die jedoch immer mehr konkurrierende Angebote zur Wahl stünden. „Der Kampf um den Nachwuchs wird also immer härter werden. Dafür müssen wir uns heute rüsten, um nicht morgen das Nachsehen zu haben“, lautet seine Parole.

Eine Casting-Show soll die Jugend locken
Zu den vielerorts üblichen Besuchen in Kindergärten und Grundschulen ließ die Feuerwehr Böblingen für die älteren Zielgruppen Plakate und Flyer drucken. Bei 13- bis 15-Jährige sind Casting-Shows sehr beliebt, hat sich Zimmermann überlegt. Beim Casting der Freiwilligen Feuerwehr werden Acht- und Neuntklässler über die Aufgaben des Brandschutzhelfers informiert, den Zeitaufwand sowie den Ablauf der Ausbildung. Wer mitmachen will und die Jury überzeugt, erhält einen Recall-Zettel und wird in Theorie und Praxis auf seine Aufgaben als Brandschutzhelfer vorbereitet. Die 16- bis 19-Jährigen wiederum verbringen viel Zeit mit ihrem i-Phone. „Deshalb greifen wir die i-Phone-Anmutung in den Werbemitteln für diese Altersgruppe auf“, erläutert der Öffentlichkeitsbeauftragte und Marketingexperte. Demnächst sollen Führerscheinanwärter in der Fahrschule über Fahrzeugbrände informiert und darüber auf die Arbeit der Feuerwehr allgemein angesprochen werden.

Großer Erfolg – kleines Budget
Besonders stolz ist Zimmermann, dass die Aktion im Low-Budgetbereich bleibt. „Wir haben bislang rund 1.100 Euro für den Druck von Plakaten, Flyern und Gewinnspielkarten sowie die Gewinnspielpreise investiert. Mehr nicht.“ Es müsse also nicht teuer sein, ein Nachwuchs- und Personalgewinnungs-Konzept professionell und erfolgreich umzusetzen. „Der Einsatz von Massenwerbemitteln wie zum Beispiel Anzeigenschaltungen, Großflächenplakate oder Mailing-Maßnahmen, an den vielleicht viele denken, ist um ein Vielfaches teurer.“
Bei der Jugendfeuerwehr Winnenden (Rems-Murr-Kreis/Baden-Württemberg) ist man ebenfalls mit der Nachwuchsgewinnung im Großen und Ganzen zufrieden. Die 27.000-Einwohner-Stadt liegt wie Böblingen ebenfalls im Ballungszentrum Stuttgart und hat 40 junge Brandhelfer, acht von ihnen sind weiblich. „Die Übernahmequote in die Erwachsenenfeuerwehr ist sehr hoch, deutlich höher als vor zehn Jahren“, sagt Stadtjugendfeuerwehrwart Daniel Bahner. Das zeigt den Erfolg der Jugendarbeit, die auch von einer langjährigen Mitarbeit der Jugendgruppenleiter geprägt sei, wie Bahner betont. Kontinuität zählt.

Vernetzung mit der Wirtschaft ist wichtig
„Es reicht längst nicht, einfach nur Schläuche auszuwerfen“, ergänzt sein Stellvertreter Thomas Reichardt. So wurde für den Feuerwehrnachwuchs ein Jugendraum mit Tischfußball und Billardtisch eingerichtet. Dort werden beispielsweise 24-Stunden-Feuerwehrtage veranstaltet. Regelmäßig trifft man sich mit anderen Jugendfeuerwehren und nimmt an Veranstaltungen anderer Vereine teil. Es gibt im Rems-Murr-Kreis das Projekt „Industrie trifft Jugendfeuerwehr“. Jeweils fünf bis zehn Schüler der Klassenstufen acht bis zehn, die Mitglied der Jugendfeuerwehr sind, werden als Praktikanten für mehrere Tage in lokale Ausbildungsbetriebe geschickt. Eine Win-win-Situation für die Firmen, Feuerwehren und Jugendlichen, lobt die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK).

Werben um Jugendliche mit Migrationshintergrund
Das 50-jährige Bestehen der Jugendfeuerwehr Winnenden wurde im September mit großem Pomp und viel regionaler Prominenz gefeiert. Zum Jubiläumsjahr wurde eine Jugendfeuerwehr-Apfelsaftschorle auf den Markt gebracht. Das Etikett zeigt den Nachwuchs beim Übungseinsatz – ein origineller Werbeträger. Stolz ist man insbesondere darauf, dass man einige Jungbürger mit Migrationshintergrund dauerhaft für die Feuerwehrarbeit gewinnen konnte. Von den bundesweit rund eine Viertelmillion Jugendfeuerwehrmitglieder haben knapp 3.000 einen Migrationshintergrund. Den Gordischen Knoten zu lösen, um das zu ändern, haben in den Feuerwehren noch keine Nachwuchswerber geschafft. Insbesondere nicht in den großen Kommunen.
Die Jugendfeuerwehr Deisel plagt solche Probleme nicht. Auf dem Land gehört die Feuerwehr einfach noch dazu. Desiree Partosch hat mit ihrer Aktion „Laufen statt saufen“ gezeigt, dass man dort auch nicht hinterm Mond lebt. Von Marketing-Aktionen hat sie aber erst einmal genug. „Der Trubel in den vergangenen Monaten war schon groß“, sagt sie. Job, Ehrenamt und die öffentliche Aufmerksamkeit zu bewältigen, war Kräfte zehrend. Am 1. Dezember war die vorerst letzte Ehrung im Jahr. Die Jugendfeuerwehr Deisel war für den Förderpreis Helfende Hand nominiert worden. Zur Verleihung ging’s für mehrere Tage nach Berlin. Von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erhielt sie den dritten Preis über 3.000 Euro überreicht. Bei all den Eindrücken in der Bundeshauptstadt behielt sie den Sinn für Details: Im Hotel war sie im Zimmer untergebracht mit Nummer 112, teilt sie sogleich auf Facebook mit.“ 

Quelle: www.kommunal.com. Der DStGB ist Partner der Zeitschrift KOMMUNAL.

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