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Der Deutsche Städte- und Gemeindebund erwartet vom Flüchtlingsgipfel eine Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa. Wir müssen uns personell, finanziell und organisatorisch neu aufstellen, um die Flüchtlingsströme zu meistern. Eine neue nachhaltige Flüchtlingspolitik setzt zunächst voraus, dass die Dimension richtig eingeschätzt wird. Das Bundesamt für Migration ist für das Jahr 2015 bisher von 300.000 Asylbewerbern ausgegangen. Diese Zahl muss eindeutig nach oben korrigiert werden. Wenn man die Anträge in diesem Jahr hochrechnet, werden es mindestens 450.000, vielleicht auch mehr Personen sein. Die Krisen in der Welt, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten werden langfristig zu größeren Flüchtlingsströmen führen. Hinzu kommen die Menschen, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation ihres Heimatlandes oder ihrer persönlichen Situation eine bessere Zukunft in Deutschland suchen.

Notwendig ist deshalb eine deutliche personelle Aufstockung beim Bundesamt für Migration, damit über die Asylanträge schneller entschieden werden kann. Insbesondere bei Flüchtlingen aus den Bürgerkriegsgebieten sollte die Entscheidung über einen Asylantrag binnen weniger Wochen gefällt werden können.

Die Länder sind gefordert, die Aufnahmekapazität ihrer Erstaufnahmeeinrichtungen zu erhöhen. Es muss grundsätzlich sichergestellt werden, dass bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung die Entscheidung über den Asylantrag gefällt wird. Erst danach sollte eine Verteilung auf die Kommunen erfolgen. Soweit es sich um Wirtschaftsflüchtlinge z. B. aus den Balkanstaaten handelt, sollten diese in der Erstaufnahmeeinrichtung verbleiben. Wenn sie kein Asyl bekommen, müssen sie ausreisen oder abgeschoben werden. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern, die sich insoweit auf eine entsprechende Strategie verständigen müssen.

Zurzeit werden etwa 52 % aller Asylanträge in Deutschland von Personen gestellt, die aus sicheren Herkunftsländern kommen. Hier muss bereits in den Herkunftsländern bei den dortigen Regierungen deutlich darauf hingewiesen werden, dass das deutsche Asylsystem nicht darauf ausgerichtet ist, reinen Wirtschaftsflüchtlingen ein Bleiberecht in Deutschland zu geben.

Notwendig sind auch weitere finanzielle Hilfen von Bund und Ländern. Es ist zwar zu begrüßen, dass der Bund für die Jahre 2015 und 2016 je 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird. Wenn die Zahlen jedoch so weiter steigen, wird dies nicht ausreichen. Dementsprechend müssen auch die Bundeshilfen für den Aufwuchs der Asylbewerberanträge angepasst werden. Umgekehrt sind die Länder gefordert, gemeinsam mit dem Bund sicherzustellen, dass die kommunalen Haushalte nicht mit den Unterbringungskosten, den Integrations- und Gesundheitskosten der Asylbewerber belastet werden. Es ist zwar Aufgabe der Kommunen, diesen Menschen zu helfen und die Hilfe zu organisieren, die Finanzierung ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bund und Länder vollständig übernehmen müssen. Die ist auch notwendige Voraussetzung, damit vor Ort die Akzeptanz und die Solidarität mit Flüchtlingen nicht infrage gestellt wird.

Auch ein Bauprogramm für Flüchtlingsunterkünfte ist notwendig. Viele Kommunen stoßen bei der Unterbringung längst an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Zurverfügungstellung von Immobilien durch den Bund ist richtig, reicht aber nicht aus. Notwendig ist ein mit Bundes- und Landesmitteln ausgestattetes permanentes Bauprogramm für neue, möglichst dezentrale Flüchtlingsunterkünfte. Mittelfristig ist es kostengünstiger, solche Einrichtungen zu schaffen, die auf Dauer für diese Zwecke genutzt werden können, als kurzfristig immer mehr, teilweise überteuerte Hotels und private Wohnungen anmieten zu müssen.

Zur Verbesserung der Akzeptanz der Flüchtlingspolitik brauchen wir auch eine bessere Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Es ist außerdem notwendig, die Menschen in  Deutschland zu informieren und für mehr Transparenz zu sorgen. Über eine Kommunikationsplattform sollten relevante Informationen gesammelt, aufbereitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen in der deutschen Gesellschaft für die humanitäre Aufgabe der Flüchtlingsaufnahme immer wieder werben und uns mit dem Widerstand, der teilweise vor Ort entsteht, auseinandersetzen. Auch viele gute Beispiele, die aufzeigen, dass Flüchtlinge aus Lebensgefahr gerettet werden konnten, in Deutschland aufgenommen wurden und nach wenigen Monaten einen Arbeitsplatz fanden, könnte darüber kommuniziert werden.

Die Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik in Deutschland hat auch eine europäische Dimension. Die Flüchtlingsfrage ist eine gesamteuropäische Herausforderung, die auch die EU in den nächsten Jahren vorrangig beschäftigen wird. Erforderlich ist eine solidarische Verteilung bei der Aufnahme von Asylbewerbern. Davon sind wir weit entfernt. Notwendig ist ein europäisches Quotenmodell nach dem Vorbild des Königsteiner Schlüssels, das Flüchtlinge gerechter auf Europa verteilen würde. Selbstverständlich wird man dabei die Größe, die Wirtschaftskraft und die allgemeine Situation des jeweiligen Landes zu berücksichtigen haben. Für eine Übergangszeit sind besonders betroffene Staaten zu entlasten.

Zu einer solchen neuen europäischen Asylpolitik gehört auch, dass einheitlich humanitäre Standards gelten, die von allen Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen. Eine europäische Wertegemeinschaft setzt auf europäische Solidarität bei einer zentralen Herausforderung wie der Flüchtlingsfrage voraus.

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Foto: © Zerbor - Fotolia.com

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