Nachfolgend ist das Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung im Wortlaut wiedergegen:
NOZ: Welche Summen haben Kommunen in den vergangenen Jahren in Deutschland für Straßenneubau und –erhalt ausgegeben?
Dr. Gerd Landsberg:
Die Ausgaben für den Straßenbau im Bereich der Gemeinde- und Kreisstraßen liegen aktuell bei ca. 5 Mrd. €. Im Jahr 2000 waren es noch ca. 6,5 Mrd. €. Wir kämpfen seit Jahren mit einer anhaltenden Unterfinanzierung. Der Zustand der Straßen, Wege, Plätze und Brücken verschlechtert sich zusehends. Das bedeutet Beeinträchtigungen für die Mobilität der Bürger durch immer mehr Schlaglöcher und gesperrte Brücken. Dies verursacht zusätzliche Feinstaubbelastungen, weil der Verkehr nicht flüssig genug läuft bzw. längere Wege durch Umleitungen in Kauf genommen werden müssen. Aber auch die Wirtschaft in Deutschland ist auf funktionierende Straßen und Brücken dringend angewiesen.
Zwar stiegen die Ausgaben des Bundes für die gesamte Verkehrsinfrastruktur in der Zeit von 1992 bis 2012 um ca. 5 Prozent von 11,8 auf 12,4 Mrd. € an. In der gleichen Zeit sind allerdings die Ausgaben für soziale Leistungen um 105 Prozent von 75,7 auf 155,2 Mrd. € angewachsen. Wir müssen sicherstellen, dass die Politik neben der sozialen Gerechtigkeit auch eine Infrastrukturoffensive in ihre Zielsetzung aufnimmt und nachhaltig umsetzt. Viel zu sehr ist auch die öffentliche Diskussion ausschließlich auf die richtige Justierung der sozialen Sicherungssysteme konzentriert.
Die dpa berichtete 2013, den Kommunen in Niedersachsen fehle das Geld für notwendige Reparaturen, häufig bliebe es bei Flickschusterei. Wie bewertet der DStGB die Situation? Wo läge der tatsächliche Bedarf, um die Straßen in einem optimalen Zustand zu erhalten?
Landsberg:
Die mangelnde Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist kein typisch niedersächsisches Problem, sondern betrifft ganz Deutschland. Im Bereich der Straßen wird seit Jahren geflickt und improvisiert, wo eigentlich grundlegend saniert werden müsste. Jährlich fehlen Bund, Länder und Kommunen etwa 7,2 Milliarden Euro. In die kommunalen Straßen müssten 15 Jahre lang 2,2 Milliarden investiert werden, nur um den Rückstand aufzuholen und um den Qualitätsverfall der letzten Jahrzehnte aufzuhalten. Hinzu kommt die Problematik der zahllosen Brücken in unserem Verkehrssystem. Deren Trag- und Standfestigkeit zu sichern wird absehbar zu einer sehr großen Herausforderung werden.
Ohne zusätzliche Mittel wird der Verfall der kommunalen Straßen und Brücken nicht zu stoppen sein. Der DStGB fordert deshalb eine Infrastrukturoffensive, um die kommunale Investitionskraft zu stärken. Teil der Infrastrukturinitiative muss auch eine bessere Finanzierung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur sein.
Wie bewertet Ihr Verband die mittel und langfristige Entwicklung bei der Qualität des Straßennetzes in Zuständigkeit Ihrer Mitglieder?
Landsberg:
Bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung muss endlich umgesteuert werden. Durch die nachhaltige Unterfinanzierung ist das ehemals vorbildliche Straßennetz in Deutschland gefährdet. Die Straßen haben bereits jetzt spürbar an Qualität verloren. Insbesondere die 66.000 kommunalen Brücken sind in einem schlechten Zustand. Allein 15 Prozent der Brücken müssen abgerissen werden, weil sie so marode sind, dass eine Sanierung nicht mehr möglich ist.
Dass in Deutschland zu wenig in die Straßen und Brücken finanziert wird, zeigt ein europäischer Vergleich: 142 Euro investierte Deutschland im Jahr 2011 pro Einwohner in Straßen und Brücken. Westeuropäische Nachbarländer gaben im Durchschnitt mit 226 Euro wesentlich mehr aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein Vergleich der Investitionen von 13 westeuropäischen Staaten durch Pro Mobilität. Um 30 Prozent haben die anderen untersuchten Länder seit 2000 ihre Investitionen in Straßen und Brücken erhöht. Deutschland hingegen hat nur 2009 mit Konjunkturpaketen nochmals das Niveau von 2000 erreicht.
Leitet der DStGB Forderungen aus dem Zustand der Straßen bspw. an die Länder oder die Bundesregierung ab?
Landsberg:
Wir fordern Bund und Länder auf, eine Infrastrukturoffensive zu starten und die Finanzierung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur zu verbessern. Von den 5 Mrd. € EUR mehr an Bundesmitteln für die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die laut Koalitionsvertrag bereitgestellt werden sollen, müssen dringend Mittel in die kommunale Verkehrsinfrastruktur fließen. Von den über 920.000 Kilometern des Straßennetzes in Deutschland sind über 600.000 Kilometer kommunale Straßen. Im Zuge dieser Straßen gibt es 66.000 kommunale Straßenbrücken. Dieses muss sich künftig auch in der Bereitstellung der Mittel widerspiegeln.
Im Übrigen gilt es, die zur Verfügung stehenden Mittel noch effizienter zu verwenden. Hierzu dient auch eine Konzentration der Mittel auf die Erhaltung des bestehenden Straßensystems, anstatt der Finanzierung von Neuinvestitionen.
Um zusätzliche Mittel zu erhalten, sollten die Kosten des Straßenbaus künftig stärker verursachergerecht finanziert werden. Konkret sollte dazu die Lkw-Maut zunächst auf alle Bundesstraßen und in der weiteren Entwicklung das gesamte Straßennetz ausgedehnt werden. Das ist gerechtfertigt, weil ein Lkw durch sein hohes Gewicht die Straße 10.000mal so stark belastet wie ein Pkw. Bei Einführung einer Pkw-Maut muss sichergestellt werden, dass die Einnahmen nicht nur den Autobahnen, sondern auch dem kommunalen Straßennetz zugutekommen.
Auch die Länder sind hier in der Pflicht durch zusätzliche Finanzmittel ihre Verantwortung für die kommunale Verkehrsinfrastruktur mitzutragen.
Der hierzu am 05. Januar 2014 erschienene Artikel kann auf der Homepage der Neuen Osnabrücker Zeitung nachgelesen werden.